Ein zweites Standbein aufbauen

Seminar „Mach Dein Ding“ des FLV und ALR Bad Homburg

Mach Dein Ding – mit diesem programmatischen Titel veranstalteten der Frankfurter Landwirtschaftliche Verein (FLV) und das Amt für den ländlichen Raum (ALR) beim Hochtaunuskreis, Bad Homburg, ein Seminar für junge Landwirtinnen und Landwirte. Es richtete sich an alle jungen und jung gebliebenen „Wilden“, die ein zweites Standbein für ihren Betrieb suchen.

Foto: Rü
Unter dem Seminar-Leitthema „Regionalität und Tourismus – Erfolgsfaktoren der Zukunft“ sollten Ideen und Anregungen für die Höfe der nachwachsenden Generation gegeben werden. Dass sich 45 zum Seminar angemeldet hatten, bestätigt das Interesse an der Thematik, so FLV-Vorsitzender Karlheinz Gritsch bei der Eröffnung der Veranstaltung. „Sie als Unternehmer müsse Perspektiven erkunden und Wege zu ihrer Realisierung finden – wir vom Amt können dabei nur helfen“, riet Amtsleiter Dr. Karl-Heinz Heckelmann.

Besonderheit im Ballungsraum

Da in unserer Region von der Fläche her kaum Wachstumschancen bestehen, müssten neue Betriebszweige vor allem aus dem Veredelungs-, Direktvermarktungs- und Dienstleis­tungsbereich zur Einkommensergänzung aufgebaut werden. Dr. Heckelmann zeigte nicht nur die dafür erforderlichen neuen Wege für junge Landwirte auf, sondern betonte auch die Notwendigkeit, die vielen landwirtschaftlichen Leistungen durch die Gesellschaft neu zu bewerten. Aufgabe auch der jungen Landwirte müsse es deshalb sein, mit anderen Bevölkerungsgruppen in Dialog zu kommen und ihnen die moderne Landwirtschaft nahezubringen.

FLV-Geschäftsführer Roger Cromm und Cornelia Geratsch vom ALR Bad Homburg stellten Marketing-Projekte vor. Die Aktivitäten des FLV, so Cromm, dienen nicht nur der Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe, zum Beispiel durch Fachveranstaltun­gen und das Versuchswesen, sondern ebenso dem Dialog mit nicht landwirtschaftlichen Bevölkerungsgruppen. Hierbei seien das dreitägige Erntefest mitten in Frankfurt am Main, der Lernbauernhof Rhein-Main, Lehrpfade und die Unterstützung der Hoftage des Regionalbauernverbandes besonders hervorzuheben.

„Wir machen Ihnen den Hof“

Unter dem Titel „Wir machen Ihnen den Hof“ bündelt das ALR beim Hochtaunuskreis die rund 350 touristischen und Direktvermarktungs-Angebote im Amtsgebiet.

Das Interesse des Regionalparkes Ballungsraum RheinMain an touristischen Angeboten aus dem landwirtschaftlichen Bereich sei der Anlass dazu gewesen. Hofläden, Urlaub auf dem Bauernhof, Lern-Höfe, Hof-Tage oder Erlebnisangebote seien die Haupt-Aktivitäten, bei denen das ALR Ideen, Beratung, Erfahrungen, Hilfestellungen, Förderungsmöglichkeiten und weiteres einbringt oder vermittelt.

Wie die Aufnahme neuer Betriebszweige vor sich ging, berichtete unter dem Slogan „Von Null auf Hundert“ (nicht Hektar, sondern Ideen und Prozent Einsatz) Steffen Heckelmann, ehemaliger Architekt und heutiger Landwirt, Hünfelden-Nauheim. Kürbisanbau, Blumen zum Selbstpflücken, Erdbeeranbau und Erlebnishof-Aktivitäten sind die statt Aufstockung des Viehbestandes oder der Fläche aufgebauten neuen Betriebszweige zur Steigerung der Wertschöpfung. Seinen Erfahrungen nach müssen für erfolgreiche Diversifizierung eingehalten oder erreicht werden:

  • der Betriebsleiter und seine Familie müssen dahinterstehen,
  • das gewählte „Portfolio“ nicht überdehnen,
  • Betriebszweige sind effizient zu organisieren,
  • jeder Betriebszweig benötigt gute Leistungsfähigkeit, da Quersubventionen nicht möglich sind,
  • Authentizität bewahren.

Erfolgsfaktoren sind geschlossener Außenauftritt, regionale Werbung und Kommunikation, regionaler Absatz, Bildung und Pflege regionaler Netzwerke sowie Beteiligung von Presse und Politik. „Das Zusammenspiel von Produzent und Konsument ist Stärke und Chance für die Zukunft der Betriebe“, so Heckelmann.

Regionalität und Authentizität

„Wer Neues denkt, hat selten Freunde. Man muss sich erst einmal unbeliebt machen, um ernst genommen zu werden“, so Jürgen Krenzer bei seinem Vortrag „Mach Dein Ding – dann stimmen auch Umsatz und Gewinn. Regionalität, Authentizität und Konsequenz sind die Erfolgsfaktoren der Zukunft“. Er hat 1988 den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb mit Gastronomie in Ehrenberg-Seiferts übernommen und ist einer der inno­vativsten Gastronomen Hessens.

Binnen weniger Jahre hat Krenzer, der als Retter des Rhönschafes gilt, als Mitbegründer der Aktion Hessen á la Carte für eine ganze Region Impulse gegeben. Als „Artenschutz per Speisekarte“ wurde es in der Presse belächelt, als er sich mit wenigen mutigen Schäfern daran machte, das vom Aussterben bedrohte Rhönschaf als regionale Spezialität bekannt zu machen und zu vermarkten. Mit Erfolg, wie es heute feststeht. Auch die „Erfindung“ des Apfelsherry gehört zu seinen Aktivitäten, die er „gegen vor allem die zwei Blockaden: das haben wir schon immer so gemacht und: das haben wir noch nie so gemacht“ erfolgreich durchsetzte. Gasthof und Hotel der Familie werden mit ganzjährigem Programm einschließlich Apfelsherry-Theater im denkmalgeschützen Hof nach dem Motto geführt: Das Produkt nicht nur verkaufen wollen – es inszenieren. Rühlemann