Borreliose – speziell behandelt

Nicht selten unerkannte und chronische Krankheit

Dass Zecken (neben anderen Krankheiten) eine Borreliose übertragen können, ist inzwischen überall bekannt. Wie diese Krankheit aber richtig diagnostiziert und behandelt wird, bleibt nach wie vor umstritten. LW-Autorin Johanna Kallert hat mit Professor Dr. Friedrich Schardt von der Betriebsärztlichen Untersuchungsstelle der Julius-Maximilians-Universität Würzburg gesprochen, der einen speziellen Therapieansatz bei Borreliose empfiehlt.

Das bei einer Borreliose in der Regel verordnete Therapeutikum ist Doxycyclin.

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Fieber und Nachtschweiß, Nackenschmerzen und Abgeschlagenheit – diese Symptome in Verbindung mit einer ringförmigen Hautrötung – der Wanderröte oder „Erythema migrans“, wie der medizinische Fachausdruck lautet – weisen schnell auf eine Borrelioseerkrankung hin. Doch trotz sofortiger Antibiotikartherapie heilt sie nicht aus, sondern macht den Betroffenen monatelang arbeitsunfähig, oft sogar bettlägerig.

Wechselnde Symptomatik

Bei dieser Schilderung handelt es sich um die eigene Krankengeschichte des Experten Professor Schardt. „Das Problem bei den Borrelien ist, dass sie nicht wie andere Bakterien nur an einen bestimmten Ort im Körper (zum Beispiel im Rachen) lokalisiert sind, sondern sich aktiv durch das Gewebe hindurchbohren und auch die Bluthirnschranke überwinden können“, weiß er. „Dadurch kommt es zu einer vielfältigen, und oft wechselnden Symptomatik.“ Wandernde Schmerzen, die nachts besonders schlimm sind und sogar an einen Bandscheibenvorfall denken lassen, aber auch Depressionen, Panikattacken, Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, können demnach durch eine Borreliose verursacht sein und sollten dahingehend abgeklärt werden.

Diagnose ist nicht leicht zu stellen

Allerdings wird bei solchen Be­schwerden oft gar nicht an eine Infektionskrankheit gedacht, sondern eine rein neurologische beziehungsweise psychiatrische Behandlung durchgeführt. Der Zusammenhang zwischen den Symptomen und einer möglichen Borreliose ist deshalb nicht klar erkennbar, weil die Patienten oft nicht einmal den Zeckenstich bemerken. Der Grund: „Auch die kaum erkennbar kleinen Nymphen können die Krankheit übertragen“, erklärt Professor Schardt, dessen Borreliosepatienten sich in 30 Prozent der Fälle nicht an einen Zeckenstich erinnern. Dazu kommt, dass die Anfangssymptome oft sehr unspezifisch und leicht mit einem grippalen Infekt zu verwechseln sind. Und die für Borreliose charakteristische Wanderröte kann nur subklinisch ausgeprägt sein, das heißt, sie kann so leicht verlaufen, dass sie übersehen wird.

Vermuten Arzt oder Patient eine Borreliose, besteht die nächste Schwierigkeit darin, die Krankheit tatsächlich nachzuweisen. In der Regel werden dafür Antikörperbestimmungen im Blut durchgeführt. Doch die zu deuten, ist nicht leicht. Denn solche Antikörper bleiben nach einer durchgemachten Infektion – ob mit oder ohne Krankheitszeichen – als sogenannte „Serumnarbe“ im Blut zurück. Umgekehrt können Antikörper nur gering erhöht sein, obwohl der Patient schwer krank ist. Das liegt möglicherweise daran, dass sich Borrelien in den Körperzellen so gut verstecken können, dass die Immunabwehr sie nicht erkennt und deshalb auch nicht mit einer ausgeprägten Antikörperbildung reagiert.

Dasselbe gilt für die Neuroborreliose, wenn sich der Erreger also im Gehirn festgesetzt hat. Oft wird dann eine sogenannte Liquorpunktion durchgeführt, um Borrelienantikörper in der Rückenmarksflüssigkeit zu bestimmen. Doch das ist laut Professor Schardt wenig sinnvoll: „Früher war die Liquoruntersuchung obligatorisch, heute ist es eindeutig belegt, dass sie auch bei eindeutiger Neuro­borreliose zu einem falsch negativem Ergebnis führen kann. Also kann auf diese nicht ganz ungefährliche Untersuchung eigentlich verzichtet werden.“

Für den borreliosekundigen Spezialisten ergibt sich die Diag­nose aus der Kombination von einem (gelegentlich auch nur grenzwertig) positiven serologischen Blutbefund (besonders aussagekräftig ist der sogenannte Westernblot) und dem Vorliegen typischer Symptome. „In diesen Fällen sollte umgehend eine Therapie eingeleitet werden!“

Neue Erkenntnisse bei der Therapie

Da es sich bei den Erregern um Bakterien handelt, erfolgt die Therapie prinzipiell mit Antibiotika. Allerdings ist die Auswahl des Antibiotikums und auch die Therapiedauer unter den Medizinern noch umstritten. Vielfach wird in der Regel – vor allem im akuten Stadium I (siehe Kasten) – zunächst der Wirkstoff Doxycyclin eingesetzt, doch das ist nach Erfahrung von Professor Schardt unzureichend: „Doxycyclin hemmt zwar die Bakterien, tötet sie aber nicht ab“, gibt er zu bedenken. „Wirksamer sind Penicillin oder ein Makrolid­antibiotikum wie Roxithromycin oder Azithromycin.“ Auch die im chronischen Stadium II üblicherweise empfohlenen Infusionen mit einem Breitbandantibiotikum hält der Experte für wenig sinnvoll. Zu viele Nebenwirkungen und eine zu geringe Wirksamkeit, so sein Fazit. Denn: „Im Stadium II haben sich die Borrelien schon längst im Bindegewebe oder in den Zellen selbst verkrochen und werden dort von der Ceftriaxon-Infusion nicht mehr erreicht.“

Aus eigener Erfahrung aber auch durch seine langjährige ärztliche Tätigkeit hat er ein neues Therapieschema für Stadium II und III entwickelt, das sich sehr gut bewährt. Für mehrere Wochen verordnet er seinen Patienten ein Antiobiotikum, zum Beispiel aus der Klasse der Makrolide. Neuesten Erkenntnissen zufolge hat auch die Kombination der Wirkstoffe Minocyclin und Quensyl gute Erfolge gezeigt. Liegt eine Neuroborreliose vor, wird im Anschluss an die Antibiotikagabe für weitere 50 Tage ein Medikament mit dem Wirkstoff Fluconazol gegeben. Das ist eigentlich ein Mittel gegen Pilzerkrankungen, wirkt aber auch bei der Borreliose sehr gut. „Fluconazol hemmt das Cytochrom P 450, ein Enzym in unserem Körper, das auch die Borrelien benötigen. Steht es ihnen nicht mehr zur Verfügung, können sie sich nicht weitervermehren und sterben allmählich ab“, so die wissenschaftliche Erklärung. „Dazu kommt, dass Fluconazol sehr gut ins Gehirn gelangt und die dort befindlichen Bakterien erreicht.“ Bei einer Neuroborreliose ist dieses Behandlungsschema basierend auf Antibiotikum und nachfolgendem Fluconazol deshalb unumgänglich. Und es ist sehr effektiv. 80 bis 90 Prozent seiner Patienten, die teilweise schwer erkrankt waren, sind durch diese Therapie im Beschwerdebild deutlich gebessert oder geheilt worden, weiß der Experte zu berichten. Und er selbst schließlich auch.

Die Stadien der Krankheit

Eine Borreliose verläuft in drei Stadien. Jedoch können Symptome und auch die Zeitabfolge variieren. Hier der klassische Ablauf der Erkrankung:

Stadium I (1-3 Wochen nach Zeckenstich)
Erythema migrans (Wanderröte)
Kopfschmerzen
Gliederschmerzen
Leicht erhöhte Körpertemperatur
 
Stadium II (Wochen bis Monate nach Zeckenstich)
Lymphozytom (Weichteilschwellung)
Meningo-Polyneuritis (Nervenschmerzen)
Arthralgien, Myalgien (Muskel- und Gelenkschmerzen)
Karditis (Herzmuskelentzündung)
Herzrhythmusstörungen Lymphome (Lymphknotenschwellung)
Chorioiditis (Aderhaut-/Netzhautentzündung)
 
Stadium III (Monate bis Jahre nach Zeckenstich)
Acrodermatitis chronica atrophicans (verschiedene entzündliche Hauterkrankungen an Händen und Füßen)
Enzephalomyelitis (Gehirnentzündung)
Radikulitis (Nervenwurzelentzündung)
Polyneuropathie (Nervenschmerzen)
Vergesslichkeit, Depressionen, Panikattacken Arthritis (Gelenkentzündung)
Bursitis (Schleimbeutelentzündung)
Tendosynovitis (Sehnenscheidenentzündung)
Myositis (Muskelentzündung)
Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung)
Vaskulitis (Gefäßentzündung)