Per Betriebs-Check zum bestmöglichen Ergebnis

Milch: Durchhalten, Stand by oder Durchstarten?

In Milchviehbetrieben wird heute viel Geld bewegt – in großen Betrieben sehr viel Geld. Gut, dass regelmäßig die Milchgeldeinnahmen kommen. Diese betragen bei 80 bis 100 Kühen jeden Monat etwa 20 000 bis 25 000 Euro, so dass laufend Geld auf dem Konto eingeht. Gleichzeitig gibt es große Ausgabenpositionen im Betrieb.

In guten Milchviehbetrieben wird auch künftig Geld verdient. Der Vorteil sind die regelmäßigen Einnahmen. Zugleich müssen die Milcherzeuger mit hohen laufenden Kosten umgehen können.

Foto: Karl-Heinz Burkhardt

Insbesondere für Kraftfutter: Bei 25 dt pro Kuh und Jahr und Kosten von 25 Euro/dt sind das allein hierfür über 60 000 Eu­ro Jahr im 100er Milchviehbetrieb. Zusätzlich die großen Ausgaben für Diesel sowie Pachten, Kapitaldienst (das heißt Zinsen und Tilgung), Reparaturen und Lohnunternehmer. Sofern in den letzten Jahren nicht allzu großzü­gig investiert wurde und nicht allzu viel Fremdkapital aufgenommen und finanziert werden muss, reichen die Einnahmen in aller Regel.

Nicht erst am Ende des Wirtschaftsjahres reagieren

Ob und wie viel Gewinn gemacht wird, ist meist jedoch nur am Jahresende bei zeitnaher und detaillierter Buchführung inklusive Naturalbericht zu sagen. Viele Betriebsleiter lassen sich „überraschen“ und fangen erst am Ende des Wirtschaftsjahres an, „heftig zu reagieren“. Die Ausschläge werden durch die Einkommenssteuern zusätzlich verstärkt. Denn durch die guten Milch­­preise für das letzte Wirtschaftsjahr sind die Gewinne hoch zu versteu­ern. Diese zusätzlichen Be­lastungen gehen voll auf die Li­quidität, denn inzwischen fehlen beim Milchgeld etwa 10 Cent pro Liter, die in aller Regel voll auf den Gewinn durchschlagen, denn die oben genannten Ausgaben laufen weiter. Etwas Luft bringen die preiswerteren Zukäufe an Futter und Diesel. Außerdem fallen seit April 2015 in dem einen oder anderen Betrieb die Quotenkosten weg.

Dennoch ist es in vielen Betrieben inzwischen eng geworden, die offenen Rechnungen addieren sich und das laufende Konto steht immer öfter und länger im Minus. Nun wissen die Landwirte, mit erheblichen Ertrags- und Preisschwankungen zu leben. Derzeit überwiegen „politische Durchhalteparolen“ mit der Botschaft, ab Mitte des Jahres geht es wieder aufwärts. Das mag sein, ist aber derzeit durch die Fakten kaum zu belegen.

Es bleibt bei der alten und schon im Herbst vergangenen Jahres genannten Befürchtung, dass die letzte Superabgabe bei etwa 20 Cent/l Übermilch liegen wird. Erst im Juli weiß man mehr und im August wird abgerechnet.

Dennoch hört man in der Praxis überall: Jetzt wird „Gas gege-ben“. Viele Milchviehhalter haben genügend (preiswertes) Fut­ter und auch noch einige freie Stallplätze. Wo immer es arbeitswirtschaftlich einigermaßen mög­lich ist, denkt man über mehr Kühe und mehr Milch nach – trotz oder möglicherweise sogar wegen des niedrigen Milchpreises.

Denn wo der Platz und das Futter vorhanden sind, zählen betriebswirtschaftlich die „Grenz­kosten“ je Liter Milch und das sind in aller Regel die Futterkosten. Dann lautet die Reaktion: Wenn schon pro Liter Milch weniger ausgezahlt wird, dann muss ich mehr Liter verkaufen. Wenn nichts Außerordentliches geschieht (zum Beispiel Wetterextreme, wie derzeit Trockenheit in Neuseeland), dann bleibt das Milchangebot weltweit und auch in der EU in den nächsten Monaten hoch und nimmt seit April in den intensiv wirtschaftenden Milchregionen der EU sogar noch zu.

Auf der anderen Seite bleibt die Nachfrage in dem wichtigsten Importland China noch einige Zeit verhalten.

Wer Milchpulver auf dem Weltmarkt einkauft, hofft weiter auf fallende Preise und ist nicht bereit, jetzt in großem Umfange Ware auf La­ger zu legen. Jetzt laufen die neuen Kontrakte im Lebensmitteleinzelhandel und es werden für die nächsten drei bis sechs Monate die Preise festgezurrt. Alles in allem wenig Aussichten, dass es mit den Milchpreisen schon bald wieder deutlich nach oben geht – aber eine „Trendwende“ könnte auch über Nacht eintreten.

Seit Januar 2015 haben die Milchpreise bei den meisten Molkereien die 30 Cent-Marke durchbrochen, so dass inklusive der Inhaltsstoffe und diverser Zuschläge sowie Mehrwertsteuer je kg gerade einmal 30 bis 31 Cent ausgezahlt werden. Einige Molkereien, vor allem im Norden, bezahlen sogar nur 24 Cent „Grundpreis“. Damit kommt kein Betrieb zurecht – auch nicht „Top-Betriebe“, jedenfalls nicht auf längere Sicht. Derzeit heißt die Devise deshalb bei den meisten Betrieben, liquiditätsmäßig „überleben und nicht erpressbar“ sein. Danach stellt sich die Frage, wann die Milchpreise wieder steigen und ob der Anstieg dann ausreicht, die jetzt entstehenden Löcher wieder zu füllen. Wenigstens drücken die Futterkosten derzeit nicht so stark wie seinerzeit im Jahr 2009. Auf der anderen Seite aber sind die Einnahmen bei den Schlachtkuh- und Kälberverkäufen deutlich geringer als vor drei oder vier Jahren.

Wenn das Milchgeld nicht mehr reicht

Für all diejenigen, die in den letzten Jahren mit den zeitweise guten Milchpreisen nicht gehaushaltet und keine Rücklagen gebildet haben, wird es jetzt eng. Das spürt man zunächst einmal in der „Kasse“, bei der Liquidität. Laufende Rechnungen sind zu bezahlen. Wenn das nicht mehr möglich ist, dann wird es wirklich eng. Landhändler und Lohnunternehmer klagen schon einige Zeit über hohe unbezahlte Rechnungen. Das wird teuer, wenn zum Beispiel bei den Futtermittelhändlern diese Außenstände mit mehr als 10 Prozent verzinst werden. Das hält keiner lange durch.

Reaktionsmöglichkeiten, um Einkommen zu sichern

Um das Einkommen zu steigern, ist die ganze Palette der möglichen Reaktionen auf der Kostenseite zu durchforsten. Das sind:

1. Erfolgreiche Kälberaufzucht.

2. Gleichzeitig sollte mindestens für ein Jahr Futter auf Vorrat lie­gen, vor allem dann, wenn es wie jetzt einigermaßen preiswert zu besorgen ist. Aber das geht nur auf Kosten der Liquidität.

3. Das gilt auch für den Diesel, denn noch billiger wird es offensichtlich nicht.

4. Immer mehr stellt sich für viele Betriebe auch die Frage, ob man unbedingt das Jungvieh selbst aufziehen muss, denn das bindet Fläche, erhöht den Gülle­anfall und bindet Kapital und etwa ein Drittel der Arbeitszeit. Wer wachsen will und gleichzeitig die eigene Jungviehaufzucht weiter beibehält, muss „dreifach wachsen“, denn für das gesamte Jungvieh reicht der Platz nicht und „jeden Tag eine Kalbung“ ist arbeitsmäßig kaum zu verkraften, denn dann bindet der Nachwuchs zu viel Kapital.

Einige schnell gewachsene Milchviehbetriebe haben es riskiert und zunächst einmal auf die eigene Jungviehaufzucht verzichtet und einen festen Aufzuchtpartner gewonnen. Aber diese Betriebe haben inzwischen auch festgestellt, dass ihr Jungvieh mindestens 2 000 Euro kostet und dennoch nicht jede Färse „einschlägt“. Warum dann nicht versuchen, regelmäßig die notwendige Nachzucht, am besten abgekalbte Kühe, auf den Auktio­nen zu kaufen? Wenn die ein oder andere Kuh nicht einschlägt, entschädigt der Schlachtpreis hoffentlich einen Großteil des Einkaufspreises. Solange für den Export jedes Jahr noch genügend Färsen für 1 300 bis 1 400 Euro zusammen kommen, kann die Marktlage nicht allzu eng sein.

5. Die Kassenlage zwingt nur dort zu investieren, wo unbedingt nötig, das heißt bei Reparaturen oder anstehenden Ersatzinvestitionen.

6. Weiterhin gilt, lieber Einkommen zu versteuern als „zweifelhafte Maschinenzukäufe“, um dadurch die Steuern zu senken.

7. Wichtig ist aber, das laufende Konto auf jeden Fall unter Kontrolle zu haben.

8. Wo nötig, sollte die Bank rechtzeitig informiert werden und anhand der Liquiditätsrechnung dargestellt werden, wie sich die Lage ändert, wenn die Milchpreise wieder steigen.

9. Trotz aller Arbeit im Stall sollte jeder Unternehmer sein Büro und seinen Schreibtisch in Ordnung haben. Jeder Fehler in den Anträgen und bei Cross Compliance kostet bares Geld.

Soweit die Eckliste der Reaktionsmöglichkeiten, um Kosten zu senken und angespannte Liquiditätslagen zu überbrücken.

Dr. Theo Göbbel, Landwirtschaftskammer NRW

Weiter melken ja, aber nicht ohne Liquiditätsplan

Was kann man tun? Zunächst: Nicht einfach abwarten und keinesfalls nichts tun. Es wird nicht von selbst besser. Jetzt gilt es, die Finanzen im Blick zu haben. Dabei kann man sich häufig auch nicht auf den Steuerberater verlassen, denn dessen Informationen kommen oft zu spät und die Naturalberichte sind meist wenig aussagekräftig. Außerdem muss man „ehrlich zu sich selbst sein“ und nicht nur die bekannten Bankschulden und deren Kapitaldienst (Zins und Tilgung) kennen, sondern alle Außenstände begleichen. Auch wenn man die Rechnungen nicht sofort bezahlen kann, sollte man sie wenigstens aufaddieren, um möglichst jederzeit einen genauen Ãœberblick über die Außenstände zu haben: Das sind auch viele kleine Positionen, wie zum Beispiel die Besamungskosten, Tierarztkosten und andere, die sich immer schneller und immer höher aufaddieren.

Nicht zuletzt die „modernen“ Leasingraten für Maschinen und zum Teil auch für Kühe, die monatlich oder quartalsmäßig abgebucht werden. Diese Raten führen dazu, dass das laufende Konto immer öfter und immer länger im Minus steht. Ein Problem bei der Maschinenfinanzierung ist auch die kurze Laufzeit. Wenn zum Beispiel ein Futtermischwagen zwar mit null Prozent finanziert wird, aber das Geld in vier Jahren bezahlt werden muss, ist die jährliche Rate so hoch, dass für andere (außergewöhnliche) Ausgaben meist keine Luft mehr bleibt und das Girokonto kaum noch Guthaben aufweist. Für die Bank ist das ein gutes Geschäft, denn hier werden selten weniger als 10 Prozent Ãœberziehungszinsen fällig. Doch damit baut sich der Teufelskreis immer weiter auf. Wenn dann die Bank erst einmal um ein Gespräch bittet, sollte man wenigstens zu erkennen geben, dass man nicht nur ein „schlechtes Gewissen“ hat, sondern sich auch Gedanken über seine Finanzen gemacht hat.

Wer einen Liquiditätsplan für die kommenden Monate vorlegen kann mit den größeren Ausgaben- und Einnahmen­posten in den letzten Monaten und deren Fortschreibung in den kommenden Monaten, kann wenigstens erklären, wie hoch das Konto ins Minus geht und ab wann es wieder aufwärts gehen könnte.

Für einige Ãœberlieferer, vor allem die „Turbo-Melker“, wird es im August noch einmal ernst. Dann bekommen sie die Rechnung für ihre große Ãœberlieferung. So wie es jetzt aussieht, muss man je Liter Ãœbermilch mit etwa 20 Cent Superabgabe rechnen. Das wurde zwar frühzeitig und immer wieder gesagt, aber so recht glauben wollte es niemand und mit Rücklagen darauf vorbereitet hat sich auch kaum einer. Damit wird deutlich: Die Ãœberlieferung hat sich gerechnet, aber man muss sie sich auch leisten können.

Kühe raus? – je nach Lage überlegenswert

Die hier beschriebene Situation mit den heftigen Preisausschlägen wird dazu führen, dass der ein oder andere Milchviehhalter noch einmal darüber nachdenkt, ob und wie lange er noch melken möchte und ob es nicht besser ist, aufzugeben, statt „mit hängender Zunge“ und immer knapper Kasse anderen Berufskollegen hinterher zu laufen. Das bedeutet eine sorgfältige Bestandsaufnahme und vorsichtige Kalkulation für die kommenden Jahre.

Man darf nicht vergessen, von den derzeit 76 000 deutschen Milchviehbetrieben haben mehr als 60 Prozent weniger als 50 Kühe und weitere 25 Prozent 50 bis 100 Kühe. Nur etwa 10 000 Milchviehbetriebe (15 Prozent) halten derzeit mehr als 100 Kühe (einschließlich der großen Betriebe in Nord- und Ostdeutschland). Allerdings produzieren diese wenigen Betriebe bereits jetzt etwa 40 Prozent der deutschen Milchmenge.

Die derzeit niedrigen Milchpreise und heftigen Preisschwankungen auch bei den Kosten werden in den kommenden Jahren für manchen Betrieb der Anlass sein, sich zu entscheiden, ob es weitergeht und wie es weitergeht. Die jetzigen niedrigen Milchpreise und angespannte wirtschaftliche Situation werden bei Vielen zu einer Ernüchterung führen und der Feststellung: Gott sei Dank haben wir noch nicht investiert und Gott sei Dank stecken wir noch nicht in diesem „Hamsterrad“. Denn wer erst einmal im großen Stil investiert hat, ist die nächsten 20 Jahre dazu „verurteilt“, intensiv zu wirtschaften und das mit voller Kraft – egal, ob der Milchpreis eine Zeit lang hoch ist oder über Monate niedrig.

Vier Arten der betrieblichen Situation unterscheiden

So gesehen gibt es im Wesentlichen vier Betriebssituationen:

1. die Betriebe, die schon investiert haben. Sie sind dazu „ver­urteilt“, weiter intensiv und Kosten bewusst zu wirtschaften und gegebenenfalls alle Wachstumsreserven auszunutzen:

2. eine Reihe von „Stand by-Betrieben“ werden noch eine Zeit lang abwarten und die Marktsituation beobachten, bis sie, je nach betrieblichen oder familiären Verhältnissen, gezwungen werden, sich irgendwann zu entscheiden, ob und wie es weitergeht – spätestens dann, wenn größere Investitionen anstehen

3. Viele Betriebe wissen schon jetzt, dass ihr Standort schwierig ist, dass sie keinen Hofnachfolger haben und dass sie auch nicht die familiären und finanziellen Voraussetzungen haben, durchzustarten. Sie tragen sich eher mit dem Gedanken, die Kühe abzuschaffen, statt jetzt noch „gutes Geld“ in die Milchproduktion zu stecken und danach nicht mehr den Rücken frei zu haben, um auszusteigen. Einige dieser Betriebe haben die vergan­gene Entwicklung laufend beobachtet, aber immer wieder gezögert, groß zu investieren, auch wenn sie zwischendurch einmal Lust verspürten.

Eine Entscheidung ist jetzt, auch nach dem Ende der Quoten und nachdem man für die Quote kein Geld mehr bekommt, nicht einfacher. In vielen Fällen ist es möglicherweise besser, jetzt frühzeitig die Weichen in Richtung Ausstieg zu stellen, statt mit „hängender Zunge“ der immer schnelleren Entwicklung hinterher zu laufen.

4. Eine Reihe von Betrieben kann durchstarten und sollte es auch tun. Allerdings nur nach sorgfältiger Ãœberlegung, intensiver Kalkulation und genauer Bestandsaufnahme, mit einem detaillierten „Masterplan“, der je nach Kassenlage umgesetzt wird.

Dabei ist es wichtig, nicht nur den ersten Schritt zu tun, sondern gleichzeitig und frühzeitig auch den zweiten und dritten Schritt für die weitere Entwicklung mit zu überlegen und im Auge zu behalten.

Allerdings wird diese Gruppe der Betriebe, die durchstarten können und wollen, immer kleiner. Denn nur dort, wo ein Konflikt armer Standort und ausreichend Flächen vorhanden sind und die Entwicklung in den kommenden Jahren einigermaßen sicher vorauszuschauen ist und auch die familiären Verhältnisse stimmen (wie Hofübergabe, Hofnachfolge), stehen die Ampeln auf Grün. Jedoch lehrt die Beratererfahrung, dass in vielen dieser Betriebe zwar rein theoretisch die Voraussetzungen günstig sind und die Rechnung „auf dem Papier“ stimmt – aber nur in etwa jedem dritten Betrieb auch der Mut und der unbedingte Wille vorhanden sind, in der Produktion durchzustarten.

Nur Kosten deckend zu wirtschaften, reicht nicht

Die wirtschaftlichen Bedingungen sind unsicher und alle Preise und Kosten schwanken immer häufiger und stärker. Deshalb reicht es keinesfalls aus, nur „Kosten deckend“ zu wirtschaften. Das tun etwa 60 Prozent der Betriebe. Viel wichtiger ist, dass in guten Jahren auch „fühlbare“ Gewinne möglich sind und auch realisiert werden. Das heißt:

  • Wer jetzt darüber nachdenkt, zu investieren, muss ein langfristiges Konzept haben und die Schritte festlegen und seine Produktionskosten möglichst genau kennen – und auch seine „Schmerzgrenzen.“ Zur Erinnerung: Die wirtschaftlichen Ergebnisse je Kuh oder je Liter Milch schwanken um plus/minus 10 Cent und werden jedes Jahr größer. Wer schon jetzt das „Klassenziel“ nicht erreicht, für den wird es immer schwieriger, den Unterschied aufzuholen. Aber auch bei den 25 Prozent erfolgreichen Betrieben mit „fühlbaren“ Gewinnen müssen:
  • Wo immer möglich, Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet werden, um jederzeit den Rücken freizuhalten.
  • Und es ist wichtig, wie dieser Gewinn und die Rücklagen verwendet werden: entweder zum Investieren, wo kurz- und langfristig die größten Erfolge zu erwarten sind. Oder den richtigen Zeitpunkt für die Weiterentwicklung zu nutzen.
  • Sicherheitshalber sollte auch der „Fall des Falles“ einmal skizziert werden. Das heißt zum Beispiel, dass der Betrieb unter Umständen auch zu verpachten oder im schlechtesten Falle zu verkaufen ist – ohne dass das private Vermögen daran Schaden erleidet.

Langfristige Aussichten mit klarem Fahrplan

Langfristig heißt es, sich Gedanken über die Zukunft und die Milchproduktion in den nächsten Jahren zu machen. Für dieje­nigen, die durchstarten, gilt folgende Checkliste zu prüfen:

1. Der Standort muss stimmen und erweiterungsfähig sein.

2. Visionen für 10 bis 20 Jahre zu haben, das gilt sowohl für den Hofnachfolger, als auch für die Möglichkeit, den Betrieb gegebenenfalls zu verpachten.

3. Das private Wohnhaus sollte möglichst entfernt von der Betriebsstätte liegen, so dass man sich irgendwann in den privaten Bereich zurückziehen kann, ohne weiterhin allzu sehr mit dem Betrieb verbunden zu sein.

4. Die Produktion selbst, die Organisation und Technik müssen unanfällig und „idiotensicher“ sein. Das bedeutet klare Strukturen in der Organisation und bei den Arbeitsabläufen.

5. Die Familienverhältnisse müssen stimmen und ohne Stress eine Konzentration auf die täglichen Arbeiten gestatten. Dazu gehören auch die Ãœbergaberegelung, „ein Notfallkoffer“ und ein informierter Vertreter.

6. Alle Verträge müssen stimmen und „gelebt“ werden.

7. Für Problemfälle sollte man die geeigneten Gesprächspartner kennen und Kontakte pflegen.

Wie im laufenden Jahr reagieren?

Jeder muss sich irgendwann entscheiden, ob man durchstartet oder aber man kommt zu dem Ergebnis, dass der laufende Betrieb irgendwann „technisch keinen Spaß mehr macht“ und dass sich ein Durchstarten nicht lohnt und zu risikoreich ist. Spätestens dann ist es auch wirtschaftlich vernünftig, rechtzeitig die Weichen in Richtung Ausstieg zu stellen und gezielt und geplant (auch mit den steuerlichen Konsequenzen) die Betriebsaufgabe umzusetzen. Das bedeutet, keine weiteren unnützen Geldausgaben, frühzeitig anfangen, Investitionen auslaufen zu lassen, sich nach alternativen Einkommen umschauen, um so das Vermögen zu sichern (es geht auch ohne Kühe). Aber für alle Kuhbauern mit Herz und Verstand ist das die letzte und schwerste Entscheidung. Aber dennoch: In vielen Fällen ist es besser, die zukünftige Entwicklung tut eine Zeit lang im „Herzen weh“, als auf Dauer im Portemonnaie.

Im laufenden Jahr bei niedrigen Milchpreisen gilt es zunächst einmal zu „überleben“. Denn auf jeden Betrieb kommt Einiges zu: niedrige Milchpreise. Auf der anderen Seite aber muss der Gewinn aus dem guten Vorjahr versteuert werden und gleichzeitig eine ähnlich hohe Einkommensteuer vorausgezahlt werden. Und wenn es ganz dick kommt, kommt im August auch noch die Rechnung der Superabgabe. Und im Herbst dann die Pachtzahlungen und erst in den Weihnachtstagen die lang ersehnten EU-Prämienzahlungen – vorausgesetzt, man ist nicht bei der CC-Kontrolle auffällig geworden. Trotz dieser schwierigen Situation stehen in den vielen Betrieben die Ampeln auf Grün, selbst dann, wenn die Milchpreise weiterhin niedrig sind.

Sofern die Stallplätze und das Futter vorhanden sind, soll mehr Milch die niedrigen Milchpreise ausgleichen, um die Liquidität zu sichern (und die Festkosten je kg zu senken).

Dr. Göbbel – LW 21/2015