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Die Arbeit wird uns nicht ausgehen

Interview mit Dr. Christian Hillnhütter

Seit dem Frühsommer 2020 ist Dr. Christian Hillnhütter Dezernatsleiter des Pflanzenschutzdienstes Hessen. Dem LW hat er im Interview die Aufgaben des Pflanzenschutzdienstes erläutert, die auch aufgrund der zunehmenden Globalisierung immer umfangreicher geworden sind – auch in Corona-Zeiten.

Dr. Christian Hillnhütter ist seit Juni Dezernatsleiter des Pflanzenschutzdienstes Hessen. Foto: Becker

LW: Herr Dr. Hillnhütter, Sie haben Ihre neue Position als Leiter des Pflanzenschutzdienstes Hessen inmitten der Corona-Pandemie angetreten; wie hat das Ihre bisherige Arbeit beeinflusst?

Dr. Hillnhütter: Nun, zuallererst konnte mein Vorgänger Martin Kerber nicht seinen Verdiensten entsprechend in den Ruhestand verabschiedet werden. Das war eine auf persönlicher Ebene wirklich unbefriedigende Situation.

Was die Arbeit des Pflanzenschutzdienstes anbelangt, wurde vor allem eine Umorganisation der Pflanzenschutz-Sachkunde-Fortbildungen und -Prüfungen notwendig. Die Fortbildungsmaßnahmen, die vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen durchgeführt werden und die wir auch mit Zuarbeiten und Vorträgen unterstützen, wurden auf Online-Teilnahme umgestellt. Die Sachkunde-Prüfungen, die wir seitens des Pflanzenschutzdienstes durchführen, mussten allerdings weiterhin als Präsenz-Veranstaltungen laufen; mit entsprechend reduzierten Teilnehmerzahlen und Hygienekonzepten.

Die üblichen Aufgaben des Pflanzenschutzdienstes konnten aber im Großen und Ganzen ohne wesentliche Einschränkungen erfüllt werden. Allerdings litt selbstverständlich die Teilnahme an Fachkongressen und Ähnlichem schon deutlich unter den Corona-Bedingungen.

LW: Was sind die Hauptaufgaben des Pflanzenschutzdienstes?

Dr. Hillnhütter: Der Pflanzenschutzdienst erfüllt an seinen drei Standorten in Wetzlar als Hauptsitz, in Kassel mit Versuchsflächen und am Flughafen Frankfurt vor allem hoheitliche Aufgaben des Regierungspräsidiums Gießen für ganz Hessen. Darunter fällt beispielsweise die sehr arbeitsintensive Kontrolle aller Im- und Exporte von Pflanzen und Pflanzenteilen, von Saat- und Pflanzgut sowie die Holzbeschau.

Dieser Aufgabenbereich, der im größten Sachgebiet des Pflanzenschutzdienstes unter „Pflanzengesundheit“ zusammengefasst ist, soll die Ein- und Verschleppung gefährlicher Schadorganismen an Pflanzen und Holz verhindern, um die Land-, Garten- und Forstwirtschaft sowie unsere Umwelt vor nicht natürlich vorkommenden Pathogenen und Schädlingen zu schützen. Hieran arbeiten etwa 50 Prozent unseres Personals, vor allem am Frankfurter Flughafen mit seinem enormen Fracht-Aufkommen. Für Holzexporte stellt ein dreiköpfiges Team vor Ort, nach entsprechender Beschau, die notwendigen Pflanzengesundheitszeugnisse aus.

Einen weiteren Schwerpunkt unserer Arbeit stellt das Versuchswesen dar. Dazu werden am Standort Kassel in enger Zusammenarbeit mit dem LLH Pflanzenschutzmittel auf Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet. Hier werden auch Antragsverfahren zu Ausnahmegenehmigungen von Pflanzenschutzmitteln im Einzelfall oder allgemeingültige Genehmigungen für Garten- und Landschaftsbaubetriebe sowie Städte und Gemeinden bearbeitet.

LW: Gerade das Thema Zulassungen wird derzeit kontrovers diskutiert. Welchen Handlungsspielraum hat der Pflanzenschutzdienst hierbei?

Dr. Hillnhütter: Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt auf Bundesebene. Wie gerade beschrieben, können wir aber beispielsweise auf Antrag Genehmigungen im Einzelfall nach § 22 Pflanzenschutzgesetz erteilen. Das betrifft meist Kleinkulturen, für die häufig keine geeigneten Pflanzenschutzmittel zugelassen sind. In Hessen ist das zum Beispiel beim Kräuteranbau für die Grüne Soße von Bedeutung.

Notfallzulassungen wie etwa für neonicotinoidhaltige Insektizid-Beizen in Zuckerrüben oder zur Drahtwurmbekämpfung in Kartoffeln werden auf Bundesebene erlassen.

LW: Ein Betätigungsfeld des Pflanzenschutzdienstes, das auch regelmäßig wahrgenommen wird, ist die Erstellung des Warndienstes. Auf welcher Grundlage erarbeiten Sie diese Empfehlungen für die praktische Landwirtschaft?

Dr. Hillnhütter: Um der Landwirtschaft diese Dienstleitung zur Verfügung zu stellen, führen wir in Kooperation mit der LLH-Beratung eine aufwändige Schaderreger-Überwachung in verschiedenen Kulturen durch.

Neben diesem Monitoring führt unser akkreditiertes Labor in Wetzlar auch botanische und zoologische Diagnostik durch. Hier werden auffällige Proben von Beratern, aber auch Landwirten eingereicht, um die Ursachen für Krankheitssymptome oder Ertragseinbußen aufzuklären.

In diesem Rahmen werden auch Proben vom Flughafen Frankfurt untersucht. Beispielsweise muss bei verderblicher Ware schnell und rechtssicher entschieden werden, ob sie in den Handel gelangen kann oder letztendlich in die Müllverbrennung geht.

LW: Auf dem Organigramm Ihrer Dienststelle sind auch die Pflanzenschutzkontrollen zu finden. Welche Aufgaben übernimmt hier der Pflanzenschutzdienst?

Dr. Hillnhütter: Bei uns werden die Pflanzenschutzkontrollen koordiniert, die Durchführung obliegt dann den Landkreisen. Diese Koordination beinhalten regelmäßige Treffen mit den Kontrollbeauftragten der Landkreise, um diese über Neuerungen auf dem Laufenden zu halten. Gegebenenfalls auftretende Verstöße werden von den Landkreisen auch an uns zurückgemeldet.

In diesem Zusammenhang wurden beispielsweise auch schon mehrere Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Privatpersonen außerhalb der Landwirtschaft eingeleitet, die ohne jede Sachkunde Glyphosat-Produkte aus Polen bezogen und angewendet haben. Diese Mittel wurden über das Internet vertrieben und sogar damit beworben, dass keine Sachkunde vorausgesetzt werde. Auch in Polen werden diese Machenschaften übrigens von den dortigen Behörden verfolgt.

LW: Welche Themen sehen Sie für die Zukunft auf den Pflanzenschutzdienst zukommen?

Dr. Hillnhütter: Die Anwendung chemischer Produkte wird weiter zurückgefahren werden, was sich natürlich auch auf unseren Arbeitsbereich auswirkt. Schaderreger-Monitoring, Überprüfungen zur Pflanzengesundheit und Kontrollen wird es aber weiterhin geben und geben müssen - da wird uns die Arbeit nicht ausgehen. Gleiches gilt für die Bereitstellung des Warndienstes, denn gerade mit geringerem Wirkstoffeinsatz erhält die punktgenaue Applikation von Pflanzenschutzmitteln nach Bekämpfungsschwellen und zur optimalen Witterung immer größere Bedeutung.

Außerdem haben wir entsprechende Expertise zu den Themen mechanische Unkraut- und Schädlingsbekämpfung; und auch die neuen Mittel aus den Bereichen Biostimulanzien, Biozide und biologischer Pflanzenschutz müssen aktiv begleitet werden. Zusätzlich treten infolge des Klimawandels immer neue Schaderreger bei und auf, die erkannt, bewertet und falls erforderlich bekämpft werden müssen.

Ein Thema, dem wir uns in Zukunft etwas stärker widmen wollen, ist die Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise durch die Teilnahme an publikumsstarken Veranstaltungen wie dem Hessentag. Das dann aber erst wieder, wenn die aktuelle Pandemie überwunden sein wird.

Die Fragen stellte Karsten Becker – LW 51/2020
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