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In Duttweiler auf Biowein umgestellt

Ganzheitliche Wirtschaftsweise steht im Vordergrund

Bevor sich Familie Gutting für die Umstellung auf biologischen Weinbau entschied, hat sich Vater Franz bereits in dieser Richtung orientiert. 2008 erfolgte die Umstellung des gesamten Betriebes.

Zwei Generationen arbeiten auf dem Weingut Hand in Hand (v. l.): Franz und Regina Gutting (geborene Mohr), Simone Gutting mit Tochter und Ehemann Michael Kraus. Foto: Melanie Hubach
Mit einer ausgeklügelten Beleuchtung setzen Guttings ihre Holzfässer in Szene. Foto: Dagmar Hofnagel
Simone Gutting ist stolz auf ihr Hochzeitsfass. Foto: Dagmar Hofnagel
Foto: Dagmar Hofnagel
Auch im Keller mit den Edelstahlfässern wird mit Licht gespielt. Foto: Dagmar Hofnagel

Dauerbegrünung in den Weinbergen wurde bereits durchgezogen als die Umstellung auf die biologische Anbauweise noch gar kein Thema auf dem Betrieb war. Als Tochter Simone 2008 in den Betrieb einstieg, hat die Familie den Schritt gewagt. „Es ist ja immer ein Prozess, bevor so eine Entscheidung fällt“, weiß die studierte Betriebswirtschaftlerin. „Wir haben uns schon vorher für diese Richtung interessiert. Und als feststand, dass ich nach Hause komme, haben wir beschlossen, dass wir es zusammen versuchen wollen.“ Eine Portion Unsicherheit bleibt immer, ob man es wirklich schafft und die Qualität der Weine erhalten kann, erinnert sie sich. So hat die Familie in der 36-monatigen Umstellungszeit auch noch nichts auf ihren Flaschen über die Veränderungen vermerkt. „Wir haben die Zeit genutzt, um sattelfest zu werden“, erinnert sich Simone Gutting. Bereits ein Jahr vor der geplanten Umstellung richtete sich die Winzerfamilie beim Pflanzenschutz in den Weinbergen nach den ökologischen Richtlinien und sammelte Erfahrungen.

Zur Zertifizierung anmelden

Voraussetzung für biologische Wirtschaftsweise ist die Anmeldung bei einer Kontrollstelle. Familie Gutting hat die Gesellschaft für Ressourcenschutz (GFRS) in Göttingen gewählt. Daneben gibt es andere Organisationen, die diese Möglichkeit ebenfalls anbieten. Einmal pro Jahr kündigen sich Mitarbeiter dieser Kontrollstelle an, um den Betrieb nach den EU-Bio-Richtlinien zu kontrollieren und zu zertifizieren. Weitere unangemeldete Kontrollen sind möglich. Sind alle Auflagen erfüllt und Richtlinien eingehalten, bekommt der Betrieb das EU-Siegel. Mit dieser Anmeldung ist der erste Schritt der Umstellung getan.

Zusätzlich hat sich die Familie freiwillig dem deutschen Bundesverband Ökologischer Weinbau, ECOVIN angeschlossen. Er vertritt die Interessen der Biowinzer. Die Richtlinien sind etwas strenger als die Vorgaben aus der EU. So dürfen bei der Produktion für den deutschen Verband bestimmte Zusatzstoffe nicht eingesetzt werden, die in der EU-Erzeugung möglich sind. Auch die Grenzwerte für die Ausbringung von Kupfer sind strenger. Das Ökosystem Weinberg steht im Fokus. Biodiversität ist genauso ein Thema wie Sozialverträglichkeit und Ressourcenschutz.

Ganzheitlich denken

„Bei der biologischen Anbauweise steht das ganzheitliche Denken im Vordergrund. Wichtig ist, dass es der Rebe gut geht. Wenn sie vital ist, entstehen weniger Probleme während der Lebenszeit des Weinstockes“, ist die zweifache Mutter und Betriebsleiterin überzeugt. Nachhaltigkeit ist ihr und ihrer Familie ganz wichtig. Ein Weinstock wird nicht gleich nach zwei Jahren abgeerntet. Sie lassen ihm Zeit, sich zu entwickeln.

Blühende Begrünung im Weinberg

Großen Wert legen die Biowinzer darauf, dass der Boden aktiv und gut versorgt ist. Das kann ihrer Auffassung nach nur eine artenreiche und blühende Begrünung im Weinberg übernehmen. Kräuter, Leguminosen und Blütenpflanzen sorgen dafür, dass der Boden gut durchlüftet und aufgelockert ist. Die Reben können die Nährstoffe gut aufnehmen. Blühende Blumen ziehen zudem Nützlinge an, die ein natürliches Gegengewicht zu den Schädlingen bilden. Zum Beispiel ernähren sich Marienkäfer bekanntermaßen gern von Blattläusen. Und wo keine Insektizide und Pestizide eingesetzt werden, haben auch andere Arten eine Chance, sich anzusiedeln. Raubmilben beispielsweise können sich im Biobetrieb vermehren und halten damit die Spinnmilbe in Schach. Sie würden sonst Blätter und Knospen schädigen.

Gegen einen Hauptschädling, den Traubenwickler, wird in Duttweiler die Pheromon-Verwirrmethode eingesetzt. „Anders könnten wir diesen Schädling als Biobetrieb nur schwer in Schach halten“, weiß auch Michael Kraus, der Ehemann von Simone Gutting. Er hat extra die Ausbildung zum Wirtschafter absolviert, als er in den Betrieb kam.

„Unser Weinberg ist kein Golfplatz“

Die Stickstoffversorgung der Böden erfolgt über die Begrünung. Leguminosen sammeln den Stickstoff aus der Luft und geben ihn an den Boden ab. Humus spielt bei der Nährstoffversorgung eine große Rolle. Kompost und der eigene Trester sind wichtige Komponenten. Pflanzenschutz erfolgt durch reine Kontaktmittel. Auf synthetische Pestizide verzichten die Ökowinzer ganz. Grundsätzlich arbeiten sie mit drei Komponenten: Netzschwefel, Kupferpräparaten und Backpulver. Damit können Pilzkrankheiten und Blattkrankheiten bekämpft werden. Backpulver beispielsweise wirkt mit einer Veränderung des pH- Wertes in der Pflanze positiv.

Herbizide dürfen generell nicht eingesetzt werden. Die unerwünschten Kräuter werden maschinell oder per Hacke entfernt. „In unseren Weinbergen muss es aber nicht aussehen wie auf einem Golfplatz“, so die Meinung der engagierten Unternehmerin. Bei vielen Fragen kann sie nach wie vor auf ihren Vater und seine Erfahrung zurückgreifen.

Beratung vorhanden

Betriebsspiegel Weingut Mohr-Gutting in Duttweiler Hofnagel

In Duttweiler waren die Guttings die ersten, die sich zertifizieren ließen. Mittlerweile sind es von den insgesamt 15 Haupt­erwerbsbetrieben vier Weingüter, die ökologisch wirtschaften. „Die jungen Leute wagen sich eher an die Umstellung heran. Heute sind die Beratung und der Informationsfluss aber auch besser. Die Anbauweise hat sich aus der Nische herausgewagt“, beobachtet Simone Gutting.

Auf dem Weingut ist neben der gesamten Familie ein fester Mitarbeiter für den Außenbetrieb beschäftigt.

Im Keller sind natürlich auch bestimmte Vorschriften einzuhalten. Dazu gibt es seit 2012 die Kellerrichtlinien für Biowein. Von der Traube bis in die Flasche ist geregelt, was erlaubt ist. So sind einige Hilfsstoffe nicht genehmigt, der Schwefelgehalt etwas niedriger als im konventionellen Bereich angesetzt und beispielsweise auch gentechnisch veränderte Organismen nicht erlaubt. (www.ecovin.de/entdecken/nachrichten/eu-durchführungsbestimmungen-für-biowein-verabschiedet)

Positive Resonanz

Die Kunden der Guttings haben auf die Umstellung positiv reagiert. Regelmäßig wurden sie über die Veränderungen im Betrieb informiert und somit auf die Reise mitgenommen. Ihnen war in erster Linie wichtig, dass der Wein seine Qualität behält und nicht übermäßig teurer wird. Neukunden kommen gezielt zu den Guttings, weil sie Biowein bevorzugen. „Deutlich mehr Geld können wir für unseren Wein nach der Umstellung allerdings nicht nehmen. Unsere Produkte sind preislich mit konventionellen Weinen vergleichbar.“

Auf Weinmessen Neukunden werben

Der Vertrieb erfolgt zu 70 Prozent an Endkunden. Der Rest gelangt über den Fachhandel an die Verbraucher. Schwerpunktmäßig fahren die Guttings ihre Weine in den Raum München, Köln, Düsseldorf und Hamburg. „Der Versand hat allerdings zugenommen“, ergänzt Michael Kraus. „Die Kunden kaufen nach Bedarf und kleinere Mengen als bisher.“ Tourismus ist in Duttweiler kein großer Faktor.

Dafür nehmen Guttings häufig an Wein- und Endverbrauchermessen teil, um neue Kunden zu gewinnen. Auch bei Weinwettbewerben konnten sie schon den einen oder anderen Preis mit nach Hause nehmen. „ Auch das ist Werbung für uns“, sind sie stolz.

Dagmar Hofnagel – LW 47/2015