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Wie inszenieren NGOs ihre Kampagnen?

Winterkolloquium Forst und Holz beschäftigt sich mit Kommunikation

Beim 38. Winterkolloquium Forst und Holz an der Universität Freiburg gingen die Referenten der Frage nach: „Wie kampagnenfähig ist die Forst- und Holzwirtschaft?“ Wie viele Landwirte mit Tierhaltung und Obstbauern, die Pflanzenschutzmittel einsetzen, fühlen sich Förster und Waldbesitzer, die Holz nutzen, von der Gesellschaft missverstanden. Unter dem Stichwort Schlachthofparadoxon wird von der land- und forstwirtschaftlichen Branche seit Jahren die Entkoppelung der Gesellschaft von der natürlichen Kreislaufwirtschaft beklagt. Welche Art der Kommunikation ist die richtige Antwort?

Sollten die Landwirtschaft oder die Forst- und Holzwirtschaft Kampagnen durchführen, um die Entkoppelung der Gesellschaft von den natürlichen Kreisläufen aufzuhalten? Beim Winterkolloquium Forst und Holz zeigte sich, dass die Sprache der Nichtregierungsorganisationen das Selbstbild der Branche nicht trifft. Es wäre nicht authentisch für die Branche, Kampagnen durchzuführen. Stetig durch gute Pressearbeit die Menschen aufzuklären, am besten vor Ort im Wald oder in landwirtschaftlichen Betrieben, das sei zwar der steinigere, aber der ehrlichere Weg. Foto: Setzepfand
Schon etwas älter ist diese Kampagne von Greenpeace gegen die Zerstörung von Urwäldern. Foto: imago images/Olaf Döring

Geschickt nutzen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und professionelle Agenturen Schlagworte, wie Massentierhaltung, Einsatz von Pestiziden oder die Abholzung der Urwälder für Kampagnen. Anscheinend mühelos gelingt diesen die Kommunikation mit der Gesellschaft. Der Trend zu vegetarischer und veganer Lebensweise sowie die Tierschutzmaßnahmen können durchaus auf Kampagnen zurückgeführt werden. Doch ist es sinnvoll, ausgerechnet die Instrumente der Kommunikation vieler NGOs als Antwort zu nutzen? Dazu sollte erst geklärt werden: Was versteht man unter einer Kampagne?

Eine Kampagne ist eine gemeinschaftliche Aktion für oder gegen jemanden, etwas (bei der ideologische, politische Ziele im Vordergrund stehen), ist im Duden zu lesen. „Eine Kampagne ist ein Feldzug. Sie ist das Gegenteil von Bildung. Bei der Bildung lernt man, eine Kampagne spitzt immer zu, vereinfacht, ist provokant, überschreitet Grenzen“, sagte Robert Dürhager, Vorstandsmitglied der Wigwam eG, einer für Gerechtigkeit und Ökologie einstehenden Gesellschaft mit Design Studio, Kampagnenagentur und Oragnisationsberatung in Berlin. Der studierte Philosoph und Informatiker Dürhager hatte auch den Wahlkampf der Grünen in Baden-Württemberg mit einer Kampagne begleitet.

Kampagne ist ein Akt der kommunikativen Aggression

Es müsse klar sein, was sich ändern solle. Die Zielgruppe müsse klar definiert sein, das Ziel und die Strategie müssen ausgearbeitet werden: Wer hat welchen Einfluss, wer ist Freund, wer ist Feind, wer hat Einfluss auf die Einflussreichen, an wen solle die Information geschickt werden? Funktioniert die Strategie?

Es gehe um die Bedeutung von Worten, um Konflikte, Dramaturgie, um Erlebnisse. Für Sandra Hieke, Wald-Campaignerin von Greenpeace, ist klar, dass eine gute Kampagne Ressourcen, den richtigen Zeitpunkt, gute Inhalte, gute Bilder und einen starken Willen benötigt. Nach ihren Angaben nimmt Greenpeace 56 Mio. Euro jährlich in Deutschland ein. Davon werden 20 Mio. Euro für internationale Kampagnen ausgegeben. Die Diplom Forstwirtin Hieke, die seit 18 Jahren für Greenpeace arbeitet und schon viele Kampagnen durchgeführt hat, räumte ein, dass es zunehmend schwieriger werde für Greenpeace. Da die Verursacher von Umweltverschmutzung, Abholzung oder sonstigen Missständen schwerer zu benennen sind. „Es gibt immer mehr grau und nicht mehr schwarz und weiß“, so Hieke. „Auch nehmen Krieg und Terror in der Welt mehr und mehr Raum ein, sodass die Medien die kleinen Themen außer Acht lassen.“

Seit 2004 gibt es die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation Campact in Berlin. Sie hat sich nach amerikanischem Vorbild zu einem internetbasierten Beteiligungsforum entwickelt, ist bei Wikipedia nachzulesen. Hierher können Bürger Protest-E-Mails schicken. Wie Themenscout Yves Venedey erläuterte, sei Campact eine Bürgerbewegung, die von 1,8 Mio. Menschen unterstützt werde und für eine progressive Politik einstehe. Der Verein zähle 54 Mitarbeiter in Deutschland. Campact e.V. werde überwiegend von Klein­spenden unterstützt und führe zahlreiche Kampagnen durch, wie gegen Glyphosat, TTIP, CETA, MON 810 oder für Bienenschutz. Venedey ließ sich in soweit in die Karten schauen, dass er klar sagte: „Eine Kampagne wird nur gestartet, wenn es Aussichten auf Erfolg gibt.“ Dazu werden im Internet zuvor die Themen an 11 000 Adressaten im Verteiler des Vereins getestet. Je nach Reaktionen werde eine Kampagne gestartet, wenn diese im Einklang mit ihren Wertvorstellungen liege, oder fallen gelassen, wenn sie unsozial und undemokratisch sei, so Venedey. Themen seien relevant, wenn es bereits einen gesellschaftlichen Diskurs dazu gebe. „Wir verstehen uns auch als Verstärker für andere Organisationen. Daher arbeiten wir viel mit anderen NGOs zusammen“, so Venedey. Der Vorteil von Campact sei, dass sie sehr schnell Entscheidungen treffen und auch schnell handeln können. Wenn notwendig stehe ein Team am nächsten Morgen vor dem Bundestag und 1,8 Mio. Menschen werden direkt über die Sozialen Medien von Ihnen informiert und fungieren als Multiplikatoren. Jährlich werde ein Transparenzbericht für die Förderer veröffentlicht, denn „Glaubwürdigkeit ist unser wichtigstes Kapital“, betonte Venedey.

Natur steht ganz oben auf der Agenda der Bürger

Nach Einschätzung von Christoph Schröder stehen Themen aus der Natur derzeit ganz oben auf der Agenda der Menschen in Deutschland. Der freie Autor und Dozent ist Mitglied in der Jury zum deutschen Buchpreis und sieht die Besinnung auf die Natur als Gegenbewegung zu den Sozialen Medien. Auf den Bestsellerlisten stehen Titel wie „Das geheime Leben der Bäume“ oder die „Geschichte der Bienen“. Dass das Buch von Peter Wohlleben in der Branche nicht gut ankommt, da es die komplexen forstwirtschaftlichen Zusammenhänge stark vermenschliche, sei nachvollziehbar.

„Doch Sie sind nicht die Zielgruppe“, stellte Prof. Dr. Michael Suda, der Leiter des Lehrstuhls für Wald- und Umweltpolitik an der Technischen Universität München klar. „Ihr Metier, ist seit Monaten auf der Bestsellerliste. Die Menschen interessieren sich dafür, es ist ihnen wichtig“, sagte er. „Das zeigen auch die 5 Mio. Waldbesucher, die täglich in Deutschland Ihren Arbeitsplatz besuchen“, sagte Suda. „Aber die Leute gehen nicht in den Wirtschaftswald, in dem Sie Bäume fällen, sondern sie gehen in den Wald der Stille und Erholung“, erklärte Suda. Und während sie spazieren, laufen, rennen oder Rad fahren im Wald, kommunizieren die Waldbesucher mit dem Wald durch riechen, schmecken, hören und fühlen. „Die Leute gehen in den Wald zum Abschalten. Die wollen sich nicht ärgern“, so Suda.

Durch das Abholzen vieler Wälder im Ausland, hat der Bürger die Ansicht, der Wald benötige einen Schutzpatron. Daher haben es Kampagnen leicht, den Schutz der Wälder zu fordern. Hierzulande aber schützt der Förster und er genießt einen guten Ruf. „Wir benötigen keine Kampagne, wir haben die Möglichkeit, mit vielen Millionen Menschen kontinuierlich im Wald zu sprechen. Nehmen Sie die Herausforderung an, werden Sie kreativ. Forst und Holzwirtschaft können viele spannende Geschichten erzählen“, forderte Suda die Anwesenden auf.

Der Ruf der Förster ist hervorragend

Susanne Roth, PR-Beraterin, studierte Biologin und Theologin, die von 2011 bis 2014 die erste Gemeinschaftskampagne der deutschen Forst- und Holzwirtschaft zum Jubiläumsjahr „300 Jahre Nachhaltigkeit“ durchführte und zuvor schon den Deutschen Waldgipfel im Jahr 2000 leitete, sagte mit Blick in die försterliche Seele: „Das schlechte Image der Forstwirtschaft besteht nur in Ihren Köpfen, also bitte hören Sie auf mit der Jammerkultur“. Auch Sie verwies darauf, dass der Wald die Sprache der Förster sei und keine abendlichen Schlagzeilen in den Tagesthemen notwendig seien. „Sie vergleichen sich mit NGOs. Da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen.“

Sie bemerkte, dass sich viel getan hat in der Öffentlichkeitsarbeit der Forstverwaltungen. Die Kommunikation von oben nach unten wurde verbessert. Wenn Bäume gefällt werden, kann vor Ort informiert werden, hier dürfen die örtlichen Forstämter oder Forstunternehmer noch deutlich kreativer werden und das Positive der Fällung hervorheben. In einer internen Befragung zur Evaluierung der Kampagne „300 Jahre Nachhaltigkeit“ zeigte sich, dass sich die unteren Forstbediensteten Unterstützung in der Kommunikation mit den Waldbesuchern wünschen. Alltagskommunikation, authentisch und klar, wie man das von den Förstern erwartet. Keine medienwirksamen Kampagnen, wie es die oberen Forstbediensteten wünschen

.„Dass die Branche erfolgreich kommunizieren kann, das zeigte sie bei der Weltklimakonferenz in Bonn“, sagte Roth. Mit einem Künstler wurde aus Brettern ein Baum gebaut, wobei Besucher zuvor Botschaften auf die Bretter schrieben. Mit geringen Mitteln gelangte dieser Baum in viele Medien. Das kam an.

zep – LW 8/2018