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Mit Jerseys das Glück gesucht und gefunden

Eine Rinderrasse, die betriebliche Vorteile bieten kann

Die meisten spezialisierten Milchviehhalter schwören auf HF-Kühe mit hohen Milchleistungen. Andere setzen auf Fleckvieh. Einige versuchen ihr Glück aber mit Jerseys. Die Rasse Jersey ist bekannt – aber nicht weit verbreitet. In Deutschland gibt es kaum mehr als 100 Jersey-Betriebe mit rund 3 000 Kühen. Für einige Betriebe kann sich diese Rasse gegenüber den spezialisierten Holstein-Kühen rechnen, wie an einem Beispiel eines Betriebes im Rheinland deutlich wird.

Arno Leurs ist stellvertretender Vorsitzender des Verbandes Deutscher Jerseyzüchter und hält seit fast 30 Jahren Jerseys. Foto: Dr. Göbbel
Seit einiger Zeit gibt es auch eine „Milchtankstel­le“ auf dem Betrieb. Um neue Kunden zu ge­winnen, wird ein wenig Werbung gemacht. Foto: Dr. Göbbel

Jeder Einzelfall liegt anders. Letztlich ist es eine Geschmacksfrage, welche Rasse man hält und mit welcher man am besten klarkommt. Vielfach zeigt sich auch ein Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Ein Vorteil der Jersey-Rassen ist, dass sie aufgrund ihrer geringen Größe einen geringeren Stallplatzbedarf und auch einen etwas geringeren Futterbedarf haben. Dies hat sich früher, bis zur Einführung der neuen BIMSCH-Regelung, wie bei der Berechnung im GV-Schlüssel bemerkbar gemacht, wo für eine GV 500 kg Lebendgewicht (LG) zugrunde gelegt ist. Bei einer „normalen Kuh“ mit 650 kg LG errechnen sich so 1,3 GV, wohingegen für eine Jersey-Kuh mit nur 430 kg nur etwa 0,85 GV angerechnet werden.

Unkomplizierte Kühe mit guten Klauen und Gelenken

Die „kleinen Kühe“ sind auch dann von Vorteil, wenn man älte­re Boxenlaufställe mit den kleineren Maßen noch eine Zeit lang nutzen möchte. Im Betrieb Leurs beispielsweise reicht das Boxenmaß von 1 m Breite und 2,30 m Tiefe. Da Jerseys in aller Regel keine Klauen- und Gelenkproble­me haben, sind auch Hochboxen mit Gummimatten gut geeignet. In Quotenzeiten spielten Jerseys mit dem hohen Fettgehalt eine besondere Rolle. Wer die kleinen braunen Jersey-Kühe mit den großen Augen sieht, ist schnell in diese Rasse verliebt. Jedenfalls sind die „Miniatur-Kühe“ leichter zu händeln als die schweren, großrahmigen HF-Kühe, die 650 bis 700 kg lebend wiegen und damit etwa doppelt so schwer sind. Die Rasse hat einige Vorzüge: klein, umgänglich, weniger Futter, hohe Inhaltsstoffe, besonders Fett. Die Jerseys werden, ähnlich wie auch die HF-Kühe, mit 13 bis 15 Monaten bei einem Gewicht von 220 kg besamt, so dass sie mit rund 24 Monaten kalben.

Jerseys sind zwar früh fruchtbar, wachsen jedoch wie alle anderen Kühe bis zum vierten Lebensjahr. Was die Gewichte angeht, braucht der besichtigte Betrieb Leurs nicht zu schätzen, denn es wurde die Herde komplett gewogen und ein durchschnittliches Gewicht von 430 kg lebend festgestellt (mit einer Schwankungsbreite von 320 bis 560 kg).

Die Milchleistung liegt bei gut 6 500 kg (Schwankungsbreite zwischen 5 000 und 9 000 kg). Im beschriebenen Betrieb werden 160 Jersey-Kühe gehalten. Der Fettgehalt liegt bei 6 Prozent und der Eiweißgehalt bei etwa 4 Prozent. Der Nettomilchpreis für den Erzeuger liegt damit derzeit um circa 8 Cent über den Grundpreis der Molkerei.

Entsprechend den hohen Inhaltsstoffen werden, trotz der ge­ringen Milchleistung, rund 21 dt „Kraftfutter“ pro Kuh und Jahr aufgewendet. Als energiereiches Zusatzfutter dienen Raps, Weizen und Mais, die in die Voll-TMR eingemischt werden. Die laktierenden Kühe sind in zwei Leistungsgruppen eingeteilt. Die hochleistenden erhalten 6 kg Kraftfutter pro Tag und die niedrigleistenden 4 kg pro Tag.

Weibliche Kreuzungen als Ziel mit gesextem Sperma

Trotz der etwa doppelt so hohen Preise für das Sperma, setzt der Betrieb überwiegend gesextes Sperma ein. Im Betrieb Leurs werden die Jerseys etwa fünf Jahre gemolken, so dass lediglich 40 Prozent der Kühe zur Nachzucht erforderlich sind. Damit möglichst viele weibliche Kälber für die Jersey-Nachzucht anfallen, wird gesextes Sperma eingesetzt, dennoch fallen etwa 20 Prozent männliche Kälber an. Bisher wurde vorwiegend amerikanische Jersey-Genetik eingekreuzt, als gesextes Sperma kostet eine Portion rund 45 Euro.

Teils sind aber zwei oder drei Besamungen notwendig, so dass das Trächtigwerden unter Umständen teuer ist. Um die Milchleistung, ohne Einbußen bei den Inhaltsstoffen, anzuheben, will man in Zukunft vermehrt dänische Genetik verwenden.

Trotz Einkreuzen gibt es keine Probleme bei Geburten

Erst wenn es bei der Besamung der Jersey-Zuchtkühe nach zwei Versuchen nicht klappt, werden Blau-Weiße Belgier eingekreuzt, ebenso bei allen Kühen, die ohnehin nicht zur Nachzucht benötigt werden (etwa 60 Prozent).

Es zeigte sich, dass es selbst bei den kleinen Jersey-Kühen bei den Geburten keine Probleme mit den schweren Blau-Weißen Belgiern gibt. Denn nur ein kleiner Teil der blau-weißen Bullen sind Doppellender, die zu den ge­fürchteten Schwergeburten und Kaiserschnitt führen könnten. Besamungsstationen bieten heute zudem geprüfte, leichtkalbige, blau-weiße Bullen und teilweise sogar gesextes Sperma an.

Im Betrieb Leurs werden keine besonderen Probleme mit den Kalbungen, trotz der blau-weißen Kreuzungskälber festgestellt. Jersey-Kühe sind für leichte Geburten bekannt.

Keine guten Erfahrungen hat Familie Leurs dagegen mit der Einkreuzung von Piemontesern gemacht. Hier gab es anfangs Probleme mit schweren Geburten und da die Kreuzungskälber einheitlich braun, wie Jersey, aussehen, waren sie beim Weiter­verkauf nicht eindeutig als Kreuzungskälber zu identifizieren.

Bei den Einkreuzungen mit Fleischrindersperma hofft man in erster Linie auf männliche Kälber, aber auch die weiblichen Kreuzungstiere werden für die Fleischproduktion genutzt.

Jersey-Fleisch ist sehr feinfaserig und leicht marmoriert sowie geschmacksintensiv (etwa vergleichbar mit Wildfleisch oder dem Fleisch von Galloway-Rindern). Durch die Wagyu-Einkreuzung werden Geschmack und die Marmorierung noch einmal verstärkt. Das schätzen auch einige Metzger. Zwar bleibt bei der Schlachtung und Ausschlachtung nur etwa halb so viel Fleisch übrig, verglichen mit den üblichen schwarzbunten HF-Tieren, allerdings wird dieses Fleisch von den Kunden geschätzt und bei richtiger Vermarktung stimmt auch das wirtschaftliche Ergebnis. Eine Jersey-Schlachtkuh bringt nur 140 bis 200 kg Schlachtgewicht (SG) auf die Waage, im besten Falle 230 kg. Jerseys verfetten in aller Regel nicht, werden aber wegen ihres geringen Gewichtes nur in die Handelsklassen P1 oder P2 eingestuft und dann nur mit 1,80 Euro/kg SG bezahlt.

Ein weiterer entscheidender Nachteil der Jerseys sind die kleinen Kälber. Nüchterne, männliche Kälber im Alter von 14 Tagen mit nur 30 kg sind nicht zu verkaufen. Deshalb zieht der Betrieb Leurs alle Kälber mindestens sechs Wochen, aber auch bis drei Monate, selbst auf und füttert sie intensiv an. Beim Verkauf sehen diese dann gut aus und finden schnell einen Käufer. Durch die Einkreuzung mit Blau-Weißen Belgiern und nach der intensiven Aufzucht (ad libitum) rechnet man bei 80 bis 100 kg LG mit einem Verkaufspreis von 400 bis 500 Euro. So rechnen sich die Jerseys bei Leurs besser, als zunächst gedacht.

Zu den Jerseys gekommen, wie „die Mutter zum Kind“

Einzelne Kreuzungskälber oder sogar reine Jersey-Kälber werden bis acht Monate gehalten und das Fleisch dann als Kalbfleisch verkauft, aber auch dort sind die Preise mit nur 3,50 Euro/kg bescheiden. Hin und wieder werden einzelne männliche Jerseys oder Kreuzungs­tiere auch als Ochsen über die Gastronomie vermarktet.

Warum hat sich der Betriebsleiter Arno Leurs (59) bereits vor gut 30 Jahren für die Kreuzung mit Jerseys entschieden? Nach dem Weggang der Kühe hielt man einige Jahre lang Sauen und Mastschweine und einige Zeit später Bullen. Später entschied sich die Familie Leurs, die Bullen abzuschaffen und stattdessen wieder in die Kuhhaltung einzusteigen. Als die Jersey-Kühe aus Dänemark geliefert wurden, kam der Zuchtleiter persönlich mit. Für ihn war alles klar: Wer sich einmal an die kleinen, umgänglichen „rehartigen“ Kühe gewöhnt hat, wird sie so schnell nicht wieder aufgeben. Denn das ursprüngliche Ziel von Leurs war es, die Tier ein Jahr zu melken und sie dann so schnell wie möglich wieder zu verkaufen.

Ideallösung für vorhandene Gebäudekapazität

Für die kleinrahmigen Kühe sprachen auch die Maße im alten Stall. Man konnte sogar einige Tiere mehr unterbringen, insgesamt wurden damals 40 Jerseys gemolken. Im Jahr 1996 kam es dennoch zu einem Neubau des Stalles, als der Betrieb abbrannte und man ganz von vorne beginnen musste. Es wurde ein Boxenlaufstall mit einen Side-by-Side-Melkstand mit Platz für Doppel-10er geplant, aber zunächst nur mit einer Melktechnik von Doppel-6er eingebaut. Der neue Boxenlaufstall sollte ursprünglich 40 m mal 30 m groß werden und für 60 bis 70 Kühe plus Jungvieh reichen.

Schnell merkte man, dass der Stall gar nicht viel teurer wurde, wenn er 1,50 m breiter gebaut würde. Kurzentschlossen plante man um, so dass man bis zu 120 Kühe unterbringen konnte. Ursprünglich war alles für die Umstellung auf HF-Kühe geplant, aber bei den kleinen Jerseys reichte der Platz für zweimal 75 Kühe, also für 150 Stück. So blieben die Jerseys auf dem Betrieb und sind bis heute eng mit dem Betrieb verbunden.

Teil der Herde wird mit Fleischrindern eingekreuzt

Hofnachfolger Michael (25) hatte als dynamischer, landwirtschaftlicher Schüler zunächst die Rasse in Frage gestellt. Aber inzwischen schätzt auch er die Vorteile dieser umgänglichen Tiere.

Allerdings ist die Fleischleistung der Jerseys ein Schwachpunkt. Da man aber pro Jahr nur circa 20 bis 25 Prozent für die eigene Nachzucht braucht und diese über die gezielte Besamung (gesextes Sperma) sicher stellt, werden beim Rest der Kühe gezielt Fleischrinder eingekreuzt.

Inzwischen kann man Jerseys auch als Zuchttiere verkaufen, denn es gibt sogar Neueinsteiger in die Jersey-Haltung. Interessant sind die kleinen Jerseys für die alten Ställe, die für die großrahmigen HF-Tiere nicht mehr ausreichend sind. So hat beispielsweise ein Ökobetrieb einen Boxenlaufstall gepachtet, den er mit Kühen nutzen will. Die damaligen Boxenmaße sind für die heute großrahmigen HF-Tiere zu klein, aber für Jerseys geeignet. Der Ökobetrieb aus der Region hat beim Betrieb Leurs 20 abgekalbte Färsen gekauft und weitere 14 Mutterkälber. Für die Jersey-Zuchttiere verlangen Leurs einen ähnlichen Preis wie für Holstein-Färsen.

So wird die Kuh nach der Milchleistung und den Inhaltsstoffen und nicht nach dem Lebendgewicht bezahlt. Derzeit macht vor allem die Jungviehaufzucht viel Arbeit. Auch deshalb, weil sie in vier verschiedenen Ställen untergebracht sind und dadurch viel „Lauferei“ anfällt. Das soll sich durch eine Erweiterung des Kuhstalles ändern.

In „Milchtankstelle“ für mehr Wertschöpfung investiert

Mit der Baugenehmigung für die „Milchtankstelle“ und die dabei erforderliche „Betriebsbescheinigung“ denkt man ebenso über weitere Investitionen nach. Denn um auch in der nächsten Generation zukunftsfest zu sein, muss das Silolager erweitert und ein neues Güllelager errichtet werden und nach Möglichkeit soll der Kuhstall erweitert werden. Die dafür notwendigen Flächen sind vorhanden. Es werden insgesamt 100 ha bewirtschaftet, davon ein Drittel Grünland, die Weide wird aber nur für trockene und tragende Rinder genutzt.

In Deutschland gibt es nur etwa 100 Betriebe mit etwa 3 000 Jersey-Herdbuchkühen, die im deutschen Jersey-Verband organisiert sind. Arno Leurs aus Kerken am Niederrhein ist stellvertretender Vorsitzender und mit 160 Kühen zugleich einer der größten Jersey-Halter Deutschlands. Als Mitglied des deutschen Jersey-Verbandes hält er zudem Kontakt zu vielen der Jersey-Halter hierzulande. Im vergangenen Jahr hat der Jersey-Verband auch die Führung des Herdbuches für den Wagyu-Verband mit 60 Mitgliedern übernommen.

Dr. Theo Göbbel – LW 1/2017