Das diesjährige Fachschulprojekt am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim wird von 24 engagierten jungen Winzern, Winzerinnen und Weintechnologen aus Rheinhessen, Rheingau und der Mosel durchgeführt. Das Ziel des Fachschulprojekts ist es, gemeinschaftlich Weine auszubauen, eine Marke zu kreieren und die Weine im Anschluss zu vermarkten.
Durch das praxisorientierte Arbeiten wird den Schülern zum einen eine Plattform zum kreativen Austoben geboten, zum anderen sollen sie gemeinsam die gesamte Prozesskette von der Herstellung bis zur Vermarktung durchlaufen. Nach intensiven Gesprächen und Diskussionen hat sich die Klasse für das Projekt den Namen „Kellerkartell“ gegeben. Der Name wurde bewusst gewählt. Wohlwissend, dass Kartelle im wirtschaftlichen Kontext den Rahmen des Erlaubten sprengen, wollen die Fachschüler als junge nachfolgende Winzergeneration etwas Rebellisches, Auflehnendes, aber vor allem Eingeschworenheit und Zusammenhalt im Inneren der Klasse ausdrücken. Zudem ist es die Aufgabe von Kartellen, durch Preisabsprachen, Märkte zu stabilisieren. Durch diese Analogie wollen die Schüler auf die aktuell herausfordernden Zeiten in der Branche anspielen, die sie durch ihren Zusammenhalt meistern.Um dem Ganzen ein Gesicht zu geben, repräsentiert jeder Wein einen bestimmten Charakter eines Kartellmitglieds, der aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten eine bestimmte Rolle für die Gemeinschaft einnimmt. Die verschiedenen Rebsorten wurden dafür so ausgewählt und ausgebaut, dass sie die Charaktere geschmacklich darstellen.
Der Anführer – Riesling
Er ist eine entschlossene und durchsetzungsstarke Persönlichkeit, da er mit unerschütterlichem Selbstvertrauen auftritt. Mit herausragenden Kommunikationsfähigkeiten bringt er komplexe Ideen präzise auf den Punkt. Sein Auftreten strahlt Autorität aus, während er gleichzeitig zugänglich bleibt, was es anderen erleichtert, sich ihm anzuvertrauen. Da Riesling die wichtigste der deutschen Rebsorten ist, war klar, dass sie den Anführer darstellen wird. Hierfür wurden vollreife Trauben aus dem Niersteiner Ölberg verwendet, der als Teil des Roten Hangs eine besondere Strahlkraft im Anbaugebiet Rheinhessen besitzt.
Der Macher – Müller-Thurgau
Ganz klar und deutlich – der Name ist Programm! Ein lockerer, lässiger Typ, der sich für nichts zu schade ist. Er ist an Ort und Stelle, wann immer man ihn braucht. Durch seine ehrgeizige, ehrliche, loyale und unkomplizierte Art kann er sich leidenschaftlich für eine Sache einsetzen. Die Trauben für den Müller-Thurgau wurden nach negativer Vorlese mit dem Vollernter gelesen und im Keller möglichst reduktiv zum Erhalt des Aromas ausgebaut. Entstanden ist ein unkomplizierter Allrounder ohne Schnickschnack, der einfach nur Spaß macht.
Die Diplomatin – Spätburgunder Rosé
Geschickte und kluge Taktikerin, die ihre Ziele erreicht, ohne die Beteiligten zu verärgern. Durch ihre starke Intuition und ihr freundliches, aber bestimmendes Temperament kann sie andere inspirieren und mitreißen. So geschmeidig die Diplomatin mit Worten jongliert, so geschmeidig präsentiert sich auch der Rosé mit seiner feinfruchtigen Leichtigkeit im Geschmack.
Der Charmeur – Chardonnay
Ein sehr charmanter, sympathischer und aufmerksamer Typ. Durch seine Freundlichkeit und sein Charisma schmeichelt er seinen Mitmenschen. Er ist ein selbstbewusster, großzügiger Gentleman mit guten Manieren. Der Wein wurde im gebrauchten Holzfass ausgebaut und hat einen vollständigen biologischen Säureabbau vollzogen. In Kombination mit mehrfachem Aufrühren der Hefe ist so ein weich- schmelziges Geschmacksbild entstanden, das einem Charmeur gerecht wird.
Die Spionin – Alvarinho
Sie ist eine sehr geheimnisvolle Persönlichkeit. Im Hintergrund arbeitet sie zurückhaltend und unnahbar. Still und heimlich beschafft sie sich unauffällig ihre Informationen und keiner bekommt es mit. Sie ist stilvoll und attraktiv – sie weiß genau, was sie will und was sie kann. Zur Charakterisierung der Spionin war klar, dass es einer in Rheinhessen ungewöhnlichen Rebsorte bedarf, die den meisten möglichst unbekannt ist. Deshalb fiel die Wahl auf Alvarinho, der restsüß ausgebaut wurde und besonders durch sein Süße-Säure-Spiel besticht.
Der Rebell – Souvignier Gris Secco
Er steht für seine provokative, laute und aufbrausende Art. Er mag keinen Stillstand und weicht gerne von der Norm ab. Er ist mutig, freigeistig und unabhängig. Durch das Brechen von Regeln findet er oftmals neue Wege für Veränderungen. Pilzwiderstandsfähige Rebsorten sind in der Branche aktuell in aller Munde und bringen nicht nur frischen Wind in den Weinbau, sondern auch ins Glas. Somit wird der aufbrausende Rebell passend durch einen verperlten Souvignier Gris symbolisiert, der sich durch Frische und Frucht auszeichnet.
Die diesjährigen Weine stammen alle aus dem Anbaugebiet Rheinhessen. Die Trauben wurden in den Weinbergen selektiert und belastetes Lesegut wurde konsequent rausgeschnitten, um die höchste Qualität der Trauben zu erzielen. Nach der Lese wurden die Weine im eigenen Keller ausgebaut. Nachdem die Gärung abgeschlossen war, haben die Schüler die verschiedenen Weine gemeinsam verkostet und anschließend füllfertig gemacht. Nach der Filtration wurden die Weine Mitte Dezember auf die Flasche gebracht.
Etikettendesign – vielfältig wie die Charaktere
Die Klasse hat sich überlegt, welcher Wein am besten zum jeweiligen Charakter des Kellerkartells passt. Danach wurde in reger Zusammenarbeit mit der Designagentur Stauffer aus Worms eine bildliche Darstellung der Charaktere erarbeitet, die im mysteriösen Stil die Etiketten zieren.
Trotz des straffen Zeitplans und der Herausforderung der diesjährigen Traubenlese konnte auch in diesem Jahr wieder ein spannendes und lehrreiches Fachschulprojekt verwirklicht werden.
Die gesamte Klasse bedankt sich bei allen beteiligten Lehrern, die bei der Umsetzung der Ideen und Erreichung der Ziele ihre volle Unterstützung gegeben haben. Ebenso gilt allen Sponsoren ein großes Dankeschön für ihre Unterstützung in Form von Dienstleistungen und Sachspenden.
Julia Rossbach, Benedikt Klein, Lukas Buhl und Julius Becker – LW 4/2025