300 Menschen erlebten in Wittelsberg einen sehr informativen, eine Limousin-Kuhherde einen sehr spannenden Nachmittag mit Kuhflüsterer Philipp Wenz. 90 Mutterkuhhalter aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf ließen sich die Chance nicht entgehen, an einer sehr ungewöhnlich klingenden Fortbildung teilzunehmen: „Stressarmer und stresssicherer Umgang mit Herdentieren“.
Referent Philipp Wenz kam dazu eigens aus Rostock angereist, um seine Methode zunächst in einem umfangreichen Theorieteil darzulegen und dann am Nachmittag anschaulich zu demonstrieren. Zu diesem Nachmittags-Event auf dem Außengelände von Landwirt Dirk Staubitz bei Wittelsberg fanden sich noch weitere Interessierte ein, insgesamt 300.
Theorie bestätigte sich in der Praxis
Staubitz stellte Wenz eine Limousin-Mutterkuh-Herde zur Verfügung mit einigen Kälbern und einem „Monsieur“, wie Wenz den Bullen der Herde bezeichnete. Ausgestattet mit einem Headphone konnte Wenz den jenseits der Weide sitzenden Beobachtern anschaulich schildern, wie er mit den Kühen arbeitet, ohne die Kühe mit einer lauten Stimme zu verschrecken. Martin Koch, Vorsitzender, und Norbert Fett, Geschäftsführer des veranstaltenden Vereins der Mutterkuhhalter Marburg-Biedenkopf, zeigten sich beeindruckt von der Resonanz und durften sich nach der praktischen Demonstration sicher sein, dass alles, was Wenz im theoretischen Teil erzählt hatte, auf Erfahrungswerten aus der Praxis basierte.
Wenz wusste durch eine unaufgeregte, aber dennoch sehr lebendige und lockere Sprache die Beobachter so zu fesseln, dass sie gebannt und konzentriert einem ganz ruhigen Spektakel zuschauten. Sie sahen einen Mann, der sich nicht frontal, sondern im Zickzack, das Gesicht immer zur Herde gewandt selbiger näherte und diese später ausschließlich über Körpersprache dazu veranlasste, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Was so einfach klingt, ist in Wirklichkeit harte Arbeit, bei der man eine Reihe von unbewussten Fehlern begehen kann, die dann ganz plötzlich zu gefährlichen Situationen führen können, weil man die Tiere durch Gesten, Rufe und wilde Bewegungen in Stress versetzt, der in Aggression umschlagen kann. Wenz zeigte anschaulich auf, wie die Arbeit, die sicher hart bleibt, dennoch ein großes Stück weit vereinfacht werden kann. Dabei kommt es ihm darauf an, die Tiere als Lebewesen mit Instinkten und durchaus auch Individualcharakter anzuerkennen und ihnen entsprechenden Respekt zu zollen.
Vertrauen und Respekt entgegenbringen
So werden die Tiere fast unmerklich dazu gebracht, auch ihrem unbekannten Gegenüber mit der Zeit mehr und mehr Vertrauen und Respekt entgegenzubringen. Jedes Handeln des Treibers wird von den Kühen sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen, sagt er. Am Anfang mit Misstrauen aus der Distanz, dann allmählich mit mehr Zutrauen. Je mehr die Tiere merken, dass ihnen während des Treibens nichts Negatives passiert, desto entspannter reagieren sie.
Als Wenz sich vom Pulk der Herde entfernt, um etwas abseits stehende Kühe auch zu animieren zu folgen, schaut der Pulk dabei zu und nimmt für sich wahr, dass dieser Kerl schon irgendwie etwas von ihnen will, dass das aber nicht weh tut, und keine andere Gefahr in sich birgt. Und so kann Wenz immer dichter an und mit der Herde arbeiten und sie auf der Weide hin- und hertreiben.
Täglich fünf bis zehn Minuten mit Herde arbeiten
Als er die Herde schließlich nach einer Stunde in den verdienten Feierabend entlässt, zeigen die Tiere in ihrem Verhalten, dass sie das Treiben nicht gestresst hat, dass es möglicherweise eine willkommene Abwechslung vom eintönigen Weideleben war. Wenz machte seinem Publikum zum Schluss deutlich, dass es mehr bringe, mit seiner Herde am Tag neben der üblichen Versorgung und Kontrolle fünf bis zehn Minuten so mit den Tieren zu arbeiten, wie er es gezeigt hatte. Das sei effektiver als nur einmal eine Stunde. „Wir haben hier völlig neue Perspektiven aufgezeigt bekommen, wie mit den Tieren erfolgreich und sicher zu arbeiten ist“, freute sich am Ende der Vorführung Norbert Fett.
Götz Schaub – LW 41/2019