Der Fachausschuss für Ökologischen Landbau im Kuratorium für das landwirtschaftliche und gartenbauliche Beratungswesen hatte für den Eröffnungstag der Landwirtschaftlichen Woche in Baunatal den erfahrenen Klimaschutzexperten Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen vom Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme an der TU München eingeladen. Sein Vortrag „Treibhausgasflüsse in der Landwirtschaft und Möglichkeiten der Minderung“ führte zu einer angeregten Diskussion. Abschließend stellten die beiden Klimaschutzberater Lisa Fröhlich und Marcel Phieler ihr Angebot zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel dar.
Der Vorsitzende des Fachausschusses Ökologischer Landbau, Hans-Jürgen Müller, bezeichnete die Verminderung des Klimawandels als eine der dringendsten Aufgaben der Gegenwart, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern insgesamt für die gesamte Menschheit. Weltweit verursacht die Landwirtschaft 10 bis 12 Prozent der anthropogenen Treibhausgas (THG)-Emissionen beziehungsweise 58 Prozent der Lachgas- (N2O) und 47 Prozent der Methan- (CH4) Emissionen. Der Anteil der Nahrungserzeugung an den Treibhausgasemissionen steigt auf 30 Prozent, wenn die Systemgrenze erweitert und Landnutzungsänderungen einbezogen werden.
Den stärksten Einfluss auf die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft haben in der Europäischen Union die Stickstoffdüngung inklusive der Herstellung und die Tierhaltung, letztere vor allem durch die Methanemissionen von Rindern. Prof. Hülsbergen hat im Rahmen des Projektes „Klimawirkungen und Nachhaltigkeit von Landbausystemen – Untersuchungen in einem Netzwerk von Pilotbetrieben“, welches durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) gefördert wurde, gemeinsam mit verschiedenen Projektpartnern in vier Boden-Klimaregionen Deutschlands die Emissionen klimarelevanter Gase in der landwirtschaftlichen Produktion untersucht. Es wurden nicht nur die Emissionen beim Anbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen und der Haltung von Milchkühen, sondern auch die Standort- und Nutzungseinflüsse auf die Treibhausgasbilanz beleuchtet. Hierzu fanden Messungen in Versuchsstationen sowie Bilanzierungen der Kohlendioxid-, Methan- und Lachgasemissionen in der Pflanzenproduktion und Milchviehhaltung von 40 ökologischen und 40 konventionellen landwirtschaftlichen Pilotbetrieben statt.
„Für die Bewertung von Treibhausgasflüssen sind neben den flächenbezogenen THG-Emissionen die produktbezogenen THG-Emissionen von großer Bedeutung“, so Hülsbergen. Bei den ökologischen Pilotbetrieben war der Energieeinsatz mit meist 5 bis 10 Gigajoule (GJ) pro ha und Jahr (Low-Input-System) wesentlich geringer als bei den konventionellen Betrieben, die bis zu 20 GJ und mehr einsetzten (High-input-System) und führte auch zu geringeren flächenbezogenen CO2 Emissionen. Beim Betrachten der Energieeffizienz, das heißt der eingesetzten Energie pro Einheit Output, hatten die Ökobetriebe im Durchschnitt einen um 20 Prozent geringeren Energieeinsatz pro Produkteinheit. Hier ist aber die entscheidende Stellschraube der erzielte Ertrag und je nach Region kann das Ertragsdefizit des ökologischen Landbaus gegenüber den konventionellen Kollegen unterschiedlich ausfallen.
Auch bei der Stickstoffbilanz gab es erhebliche Unterschiede. Agrarwissenschaftler Hülsbergen verwies auf die potenziellen N-Verluste beim Vergleich von N-Input und N-Output (N-Saldo). Bei den konventionellen Pilotbetrieben betrug der Verlust im Pflanzenbau über 50 N kg ha und Jahr, bei den ökologischen unter 20 kg.
Verluste von Kohlenstoff vermeiden
Bei der pflanzlichen Produktion sind neben den CO2-Emissionen durch den Einsatz fossiler Energie die Böden als Quellen und Senken von Kohlenstoff bedeutsam. Die Ableitung wirksamer Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen setzt die Kenntnis der Quellen und Emissionsprozesse sowie der Einflussfaktoren auf die Höhe der Treibhausemissionen voraus. Im Ökolandbau spielt das mehrjährige Klee- beziehungsweise Luzernegras eine wichtige Rolle. Bei verschiedenen Versuchen konnten damit circa 800 bis 1 000 kg Kohlenstoff (C) pro ha und Jahr neu gebildet werden. C ist ein wesentlicher Bestandteil des Humus. Bei einem Anteil von beispielsweise 58 Prozent C entspricht das 78 t Humus pro ha. Bei einem C-N-Verhältnis von 10 zu 1 ergibt das 4 500 kg N pro ha. „Beim Umwandeln von Grünland in Ackerland oder beim Umbruch von einer begrünten Dauerbrache gehen mehr als 1 t C pro ha und Jahr verloren“, belegte der Referent anhand eigener Messungen und Literaturrecherche. Auch der Anbau von Silomais oder anderen Hackfrüchten kann einen Kohlenstoffverlust von 0,4 bis 0,8 t pro ha und Jahr ergeben. Hingegen führt der Anbau von mehrjährigen Leguminosen/Gräsern zu einer zusätzlichen C-Bindung von 0,6 bis über 1 t pro ha und Jahr im Boden. Auch die organische Düngung mit Stallmist, Gärresten und Komposten ergibt noch eine Zunahme von circa 0,5 t C pro ha und Jahr. Gemeinsam mit dem Ingenieurbüro für Ökologie und Landwirtschaft (IfÖL) aus Kassel und der TU München wurde im Netzwerk der Pilotbetriebe ein spezieller Humus-Nährstoff-Treibhausgas-Energie-Rechner (Hunter) einwickelt. Dieser ermöglicht als Basis die Erstellung einer Humus- und Nährstoffbilanz und darüber hinaus die Berechnung von betrieblichen Energie- und Treibhausgasbilanzen. Dieser kann unter folgender Adresse im Internet heruntergeladen werden: www.pilotbetriebe.de/wissenstransfer.php
Die Landwirtschaft führt nicht nur zu THG-Emissionen, sie kann substanzielle Beiträge zur Minderung des Treibhausgasausstoßes leisten. Veränderte Produktionsverfahren ermöglichen eine Reduzierung des direkten sowie indirekten Energieeinsatzes. Die Landwirtschaft kann durch angepasstes Management (Fruchtfolgen, Bodenbearbeitungsintensität) auch eine langfristige CO2-Speicherung in Böden durch Humusaufbau erreichen, ist sich Hülsbergen sicher. Diese Änderungen können leicht und einfach mit dem Hunter für den eigenen Betrieb nachvollzogen werden.
Gengenbach, LLH – LW 4/2019