Als im vergangenen November erschreckende Zahlen veröffentlicht wurden, wie viele Frauen Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland werden – in Rheinland-Pfalz gibt es 24 Fälle häuslicher Gewalt pro Tag – da war es für die Landfrauen Rheinhessen klar: „Dieses Thema braucht unsere Unterstützung“, sagte Ursula Braunewell, die Vizepräsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes und erste Vorsitzende des Landfrauenverbandes Rheinhessen.
Dass dieses prominente Thema just zum Start der AgrarWinterTage in Mainz-Hechtsheim platziert wurde, liegt vor allem an der aktuellen Brisanz. Denn bereits am Dienstag dieser Woche soll die Istanbul-Konvention als Gesetz vom Bundestag verabschiedet werden, umgangssprachlich wird vom Gewalthilfegesetz gesprochen. Ursula Braunewell und ihre Gäste, die rheinland-pfälzische Familienministerin Katharina Binz, die UN-Women Deutschland-Vorsitzende Elke Ferner, Anette Diehl vom Frauennotruf Mainz und Miriam Peters von den Landgrazien in Schleswig-Holstein sind sich einig: Das Gesetz wird gebraucht und es ist überfällig, dass dieses verabschiedet werde. Denn mit dem Gesetz haben Mädchen und Frauen das Recht auf einen Rechtsbeistand vor Gericht.
Insgesamt 117 Einzelmaßnahmen sind in der Istanbul-Konvention aufgeführt. Sie verlangt die diskriminierungsfreie Realisierung einer Vielzahl an Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Schutz, Unterstützung und Sanktion. Die Konvention ist seit 1. Februar 2018 geltendes Bundesrecht und von allen staatlichen Ebenen in Deutschland (Bund, Länder und den Kommunen) umzusetzen.
Braunewell wurde von der Presse gefragt: „Gab es einen aktuellen Fall in Rheinhessen,dass das Thema aufgegriffen wurde?“ „Nein, es gibt täglich aktuelle Fälle, unbemerkt in ganz Deutschland“, so die Antwort. Denn genau dies sei die Schwierigkeit – keine macht solch eine Tat publik. Und doch ist es wichtig, die Tat zu dokumentieren. Was für die Frauen heißt, dass sie sich an eine der 12 Kliniken in Rheinland-Pfalz wenden können, die am Angebot „Vertrauliche Hilfe nach Gewalt“ teilnehmen. Die gewaltbetroffenen Frauen können sich in diesen Kliniken in Rheinland-Pfalz kostenlos vertraulich medizinisch versorgen lassen, ohne fürchten zu müssen, dass der Täter in Regress genommen und so die Tat gegen ihren Willen doch noch bekannt wird. Außerdem sollen Frauen ermutigt werden, die Spuren der Tat gerichtsfest sichern zu lassen. Sollten sich Betroffene später doch für eine Anzeige entscheiden, können sie auf diese Spuren zurückgreifen. Diese Untersuchungsbefunde können äußerst wichtig sein für ein späteres Gerichtsverfahren.
Laut Braunewell machen Frauen unter 21 Jahren ein Drittel der Opfer aus. „Gewalt gegen Frauen gibt es überall: Mit und ohne Migration, arm oder reich, Land oder Stadt“, sagte Ferner. Und Diehl sprach aus der Praxis. Sie sei an einer der aktuell zwölf Fachstellen für sexualisierte Gewalt im Land. Neben der individuellen Unterstützung der einzelnen Frauen seien Sie und ihre Kolleginnen in der Öffentlichkeitsarbeit aktiv, gehen in Schulen und sensibilisieren die Bevölkerung für das Thema. Die Frauennotrufe im Land können auch online kontaktiert werden, telefonisch hat jeder Frauennotruf eine andere Nummer, sie sind zu finden unter: www.frauennotruf-mainz.de/frauennotrufe-in-rheinland-pfalz
Wer die Polizei kontaktieren möchte bei häuslicher Gewalt, der sollte bundesweit die 110 wählen. Wer das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ rufen möchte, wählt bundesweit die 116 016. Hier erhalten betroffene Frauen rund um die Uhr kostenlos, mehrsprachig und anonym Hilfe und Beratung, online unter www.hilfetelefon.de.
Es braucht Mut und vor allem Zuversicht und Unterstützung, aus den häuslichen Fesseln zu kommen. Am besten es kommt gar nicht so weit, daher wird mehr Aufklärung betrieben.
Das tun zum Beispiel die Land-Grazien in Schleswig-Holstein, erklärte Peters. Der private Verein, der äußerst mobil ist in dem ländlich geprägten Land unterstützt Opfer. Frauen, die sich dort melden, werden an einem öffentlichen Ort in der Nähe des Wohnorts von den Beraterinnen aufgesucht und umfassend informiert. „Wir arbeiten auch mit IT-Spezialisten zusammen, die das Ausspionieren der Familie über Handies oder andere Gerätschaften verhindern können“, erklärte Peters. Auch dies werde von manchen Ehepartnern zur ständigen Kontrolle benutzt und sei eine Freiheitsberaubung. Wo sexualisierte Gewalt anfängt und wo diese aufhört, das sei bei jedem Menschen individuell. Wenn es sich nicht mehr gut anfühlt, dann sei Vorsicht geboten, sind sich die Referentinnen einig.
Das Gewalthilfegesetz soll nun dafür sorgen, dass ein flächendeckendes Netz an Anlaufstellen für Frauen und Kinder mit Gewalterfahrung geschaffen wird. Eben wurde ein neues Frauenhaus in der Eifel eröffnet, bemerkte Katharina Binz, die Familienministerin in Mainz, weitere werden folgen.
zep – LW 5/2025