Der Hessische Braugerstenverein hatte am 16. Juni zur Rundfahrt bei Lich-Muschenheim geladen. Praktiker, Berater und Firmenvertreter berieten über die aktuellen Züchtungen und die Marktsituation für heimische Braugersten-Erzeuger. Diskutiert wurde auch, ob der Trend zu mehr Regionalität dem Absatz auf die Sprünge helfen könnte.
Der Vorsitzende des Braugerstenvereins Johannes Orth freute sich, etwa 30 Teilnehmer begrüßen zu können. Die Moderation der Veranstaltung übernahm der zweite Vorsitzende Ralf Becker und stellt seinen Ackerbaubetrieb vor, dessen Flächen besichtigt werden sollten. Er bewirtschaftet zusammen mit seinem Sohn als Vigemus GbR knapp 87 ha Ackerland in der nördlichen Wetterau; angebaut werden Weizen, Gerste, Raps und Zuckerrüben.
Die Sommerbraugerste (Sorten: Leandra und Ostara) wird auf 13,7 ha im Frühjahr und auf 8,4 ha im Herbst ausgesät. „Bei der Herbstaussaat ist die Bodenbearbeitung noch wichtiger und die Unkrautbekämpfung noch anspruchsvoller. Außerdem sind die Vorteile einer Sommerung bei der Herbstaussaat von Sommergerste nicht mehr gegeben. Zusätzlich wird durch den Wegfall von Flufenacet, das uns nur noch bis Ende 2026 zur Verfügung stehen wird, die Gestaltung von Ackerbau-Fruchtfolgen immer herausfordernder“, so der Betriebsleiter.
Neue Sorten in Demoparzellen vorgestellt
Die Rundfahrt mit Planwagen führte zu Sortendemonstrationsflächen mit den verschiedenen Braugerstensorten, die von Pflanzenbauberaterin Ann-Kathrin Scherer des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) kommentiert wurden. Vor allem neuere Sorten sind hier immer von Interesse, und so wurden auch die neuesten Sorten aus den hessischen Landessortenversuchen, Sting, LG Caruso (Zulassung 2022) und Ostara (Zulassung 2024), auf den Demo-Parzellen unbehandelt und behandelt vorgestellt.
Sting zeigte bisher konstante Erträge und wurde 2024 in der unbehandelten Variante mit relativ 111 beim Ertrag eingestuft; „sie ist also eine sehr gesunde Sorte“, so Scherer. Sie sei bei guter Kornqualität standfest, allerdings müsse man bei einer Einstufung von 6 auf die Ramularia-Anfälligkeit achten. „Das war aber in diesem Jahr bisher kein Problem“, sagte die Pflanzenbauexpertin.
Caruso ist in Hessen mittlerweile Empfehlungssorte. Sie bringe mit 103 konstante Erträge, gute Sortierung und Vollgerstenanteil, führte Scherer aus. Und: „Sie ist auch hinsichtlich Ramularia und Zwergrost als gesund anzusehen. Zu beachten sind späteres Ährenschieben und spätere Reife. Caruso ist kurz und standfest, daher sollten Wachstumsregler eher extensiv eingesetzt werden.“
Zur neuen Sorte Ostara liegen noch keine Ertragsergebnisse aus den hessischen Versuchen vor. Scherer betonte das frühe Ährenschieben und eine relativ lange Reife. „Für Herbstaussaaten ist diese Sorte mittelmäßig geeignet“, stellte sie fest.
Braugerste in Social Media
Am neuen Standort des Landhandels Diehl in Wölfersheim-Berstadt folgte ein Vortrag von Landwirt Magnus Häußler aus Baden-Württemberg, der sein Social-Media-Projekt „Braugerste by Magnus“ vorstellte (Internet www.heimische-braugerste.de). Er bewirtschaftet bei Ulm 150 ha Ackerland mit Braugerste als Hauptkultur.
Der Braugersten-Botschafter ist auf Youtube, Instagram sowie Tiktok aktiv und hat Landwirte und Verbraucher zur Zielgruppe. Er schätze dabei den Austausch und das Entstehen einer Community unter den Braugerstenerzeugern. „Die Reichweite eines Beitrages ist hier absolut nicht abzusehen. Ein Video erreicht nur um die 1000, ein ähnliches über 400 000 Klicks“, erläuterte er.
„Ein Ziel ist natürlich auch, Kollegen vom Anbau des Biergrundstoffes zu überzeugen. Denn Bier ist in Deutschland ein Kulturgut und ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als Teil dieser Tradition zu sein“, stellte Häußler seine Philosophie dar.
Ralf Becker ergänzte, dass man bei Social-Media-Aktivitäten beispielsweise darauf achten sollte, reichweitenstarke Stichworte zu verwenden – beim Thema Bier etwa „isotonisches Sportgetränk“ oder „reines Naturprodukt“.
Preise sind und bleiben bescheiden
Saskia Scholz von der Kölner Raiffeisen AgriTrading hatte bezüglich der Braugersten-Preise keine guten Botschaften für die anwesenden Erzeuger: „Die Lagerbestände sind aufgrund der schwachen Nachfrage immer noch hoch und obwohl etliche Partien in die Futternutzung abgeflossen sind und auch Mälzereien geschlossen wurden, ist
momentan mit keiner Preisstabilisierung zu rechnen“, musste sie vermelden.
Christian Leisler, Geschäftsführer der Malzfabrik Rheinpfalz, ergänzte: „Hauptproblem ist der anhaltend sinkende Bierabsatz – und auch dass Braugerste in Deutschland nicht an der Börse gehandelt wird. Daher orientieren sich die Preise an der Börse in Frankreich.
„Regionalität ist den allermeisten Bierkonsumenten egal“
Für die Brauereien schätzte Dr. Ulrich Peters, Geschäftsführer der Licher Privatbrauerei Jhring-Melchior, die Marktlage ein. Der Megatrend Regionalität sei beim Bierabsatz weniger stark ausgeprägt. „Wir verkaufen hauptsächlich Marken – die regionale Herkunft spielt bei den Konsumenten gerade hier in Hessen offenbar keine entscheidende Rolle. Wir haben zuletzt beispielsweise die Pfungstädter Brauerei verloren, die stark die regionale Herkunft ihrer Rohstoffe beworben hat.“
Peters hob die Preisschwelle von 10 Euro hervor, die beim Kasten Bier maßgeblich für die Kaufentscheidung sei. „Wir haben da beim Preis kaum Spielraum.“ Auf den Vorwurf aus dem Auditorium hin, sein Unternehmen verwende auch Gerste beziehungsweise Malz aus internationalen Herkünften, stellte er klar: „Wir verwenden bei Licher nur heimische Braugerste“. In der Werbung für das Produkt spiele das aus den genannten Gründen aber kaum eine Rolle.
Leisler begründete den erheblichen Anteil ausländischer Herkünfte von Malz hauptsächlich damit, dass diese vor allem in den Grenzgebieten etwa zu Frankreich oder Dänemark eine Rolle spielten. Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Führung über den neuen Standort durch den Geschäftsführer des Landhandels Diehl, Reiner Merten.
KB – LW 25/2025