Nach Abschluss der Blühphase haben die meisten Kartoffelanbauer angefangen, sich intensiver Gedanken über den möglichen Ertrag zu machen und schon mal die ersten Stauden von Hand aufgezogen. Für viele Partien der Haupternte ist das sicherlich bereits vor gut zehn Tagen passiert und hat zu der einen oder anderen Überraschung geführt. Nach der Krautentwicklung hätte man einfach mehr erwartet.
Wenn man den Kartoffelbestand quasi als eine Stärkefabrik betrachtet, gibt es drei wesentliche Ansatzpunkte, um die Produktivität zu beeinflussen. Der erste Schritt ist ein möglichst früher Produktionsbeginn, d. h. ein schnelles Auflaufen der Pflanzen. Das ist neben der Pflanzgutvorbereitung vor allem von der Bodentemperatur abhängig, die in diesem Jahr in vielen Regionen lange Zeit zu gering war. Das verhaltene Pflanzenwachstum hat sich bis Mitte Juni fortgesetzt, so dass die Sonnen-einstrahlung weniger effektiv genutzt werden konnte. Insgesamt also schlechte Startvoraussetzungen für eine hohe Produktivität.
Schneller Start, schwaches Wurzelwachstum
In der zweiten Junihälfte haben die meisten Bestände einen richtigen Schuss gemacht, so dass sich die Voraussetzungen für eine hohe Photosyntheseleistung deutlich verbesserten. Dieser Optimalzustand muss möglichst lange aufrechterhalten werden, denn jeder Wachstumstag mehr führt auch zu mehr Ertrag. In diesem Jahr stehen aber viele Faktoren einer langen und ungestörten Ertragsbildungsphase entgegen. So führten die Starkniederschläge erst durch den zu hohen Wassergehalt im Boden und anschließend durch die Verkrustung der Dämme zu Sauerstoffmangel im Wurzelbereich, der das Wurzelwachstum deutlich reduzierte. Gleichzeitig wurden die Nährstoffe durch die Niederschläge in tiefere Bodenschichten verlagert, denen die Wurzeln dann nicht hinterherwachsen konnten oder aufgrund der ausreichenden Wasserversorgung im Dammbereich auch nicht wollten.
Frühzeitiges Aufhellen und Qualitätsprobleme
Dieser Nährstoffmangel ist ein häufiger Grund für das unerwartet frühzeitige Aufhellen der Bestände. Eine N-Nachdüngung über den Boden macht zu diesem Zeitpunkt nur noch Sinn, wenn die Sorten den Stickstoff in das Größenwachstum der vorhandenen Knollen umsetzen können. Bei vielen Sorten werden höhere N-Nachdüngungen aber eher zu Qualitätsproblemen und neuem Knollenansatz führen, der noch lange wachsen müsste. In diesem Jahr kommt auch noch das auf der wärmeren Anbau- und Lagersaison 2015/16 beruhende höhere physiologische Alter vieler Pflanzgutpartien hinzu. Daraus hervorgegangene Bestände haben eine kürzere Wachstumsphase und reifen altersbedingt eher ab, so dass lebensverlängernde, pflanzenbauliche Maßnahmen nur noch eingeschränkt wirksam sind.
Eine möglichst effektive Nutzung der vorhandenen Wachstumsbedingungen hängt insbesondere von der jeweiligen Witterung ab. So liegt das Temperaturoptimum für die Photosynthese bei etwa 25 °C, während die Atmung mit höheren Tem-peraturen weiter ansteigt und damit die Netto-Produktivität der Bestände schmälert. Aber auch Sorten mit einer intensiveren Durchwurzelung des Bodens können gerade in Stresssituationen sicherer Wasser und Nährstoffe aufnehmen und so die Ertragsbildung über eine längere Wachstumsphase stabilisieren.
Versuchsstation Dethlingen – LW 30/2016