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Ohne Schutz haben die „Neuen“ keine Chance

Wuchshüllen – wer Aufbau sagt, der muss auch Rückbau machen

Viele Hektar waren und sind noch aufzuforsten – auch im Privatwald. Nach den Erfahrungen der letzten drei sehr trockenen und heißen Jahre geschieht dies im Idealfall mit klimaresistenten Baumarten. Gerade diese sind jedoch im Jugendalter besonders durch Wildverbiss gefährdet. Waldbesitzer greifen daher gerne zu Wuchshüllen und Wuchsgittern, um ihre waldbauliche Investition zu schützen und gleichzeitig eine Wachstumsbeschleunigung durch ein verbessertes Klima im Hülleninneren zu erzielen. Worauf dabei zu achten ist, das erklären Anton Sebastian Schnabl, Yannic Graf und Prof. Dr. Sebastian Hein von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg.

Ab wann ist es sinnvoll, einen Zaun zu stellen statt der zahlreichen Wuchshüllen, dies muss für jede Fläche gesondert beantwortet werden. Hier wurden Klumpenpflanzungen durchgeführt. Foto: Setzepfand
Liegt die erste Laubschicht über der ausgedienten Wuchshülle, wird das Auffinden schwer. Foto: HSR

Darüber hinaus bieten Wuchshüllen gerade bei einzelstammweisen Beimischungen oder niedrigen Pflanzenzahlen auch ökonomische Vorteile gegenüber flächiger Zäunung. Dies gilt insbesondere dann, wenn forstliche Förderung für Wuchshüllen besteht, nicht aber für Zaunbau – wie es in einzelnen Bundesländern der Fall ist. Eine Auskunft darüber, bis zu welcher Pflanzzahl der Einsatz von Wuchshüllen und ab wann der Zaunbau ökonomisch sinnvoller ist, gibt der frei verfügbare Wuchshüllen-Rechner der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg.

Der Markt für Wuchshüllen bietet dem Waldbesitzer unterschiedlichste Modelle, Marken und Fertigungsvarianten aus verschiedensten Materialien an. Die überwiegende Mehrheit dieser derzeit verfügbaren Wuchshüllen bestehen aus herkömmlichem und erdölbasiertem Plastik. Jedoch stellt Plastik und speziell dessen unsachgemäße Entsorgung ein großes Problem für die belebte und unbelebte Umwelt dar. Genauer ist die Plastikproblematik weltweit eines der großen Herausforderungen unserer Zeit und steht daher immer mehr im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung.

Wuchshüllen werden im Wald vergessen

Unsachgemäße, oder vielmehr unterlassene Entsorgung alter Wuchshüllen ist jedoch im Wald häufig vorzufinden. Grund hierfür ist wohl auch der lange Verwendungszeitraum von mindestens fünf Jahren bis die Bäume aus der Verbisszone entwachsen sind, was häufig zu einem „Vergessen“ dieses Einzelschutzes führt. Dabei ist Plastikvermüllung durch waldbauliche Hinterlassenschaften nicht mit den Ansprüchen an eine ordnungsgemäße und nachhaltige Waldbewirtschaftung zu vereinbaren. Vielmehr ist sie sogar nach dem Kreislaufwirtschaftsrecht, einigen Landeswaldgesetzen und für zertifizierte Betriebe nach den Standards nachhaltiger Waldbewirtschaftung von FSC, PEFC und Naturland verboten. Das Inverkehrbringen von Wuchshüllen aus oxo-abbaubaren Kunststoffen, welche zu kleinsten Plastik-Fragmente zerfallen und nicht biologisch abbaubar sind, wurde zudem durch die neue Einwegkunststoffverbotsverordnung grundsätzlich untersagt.

Rechtlich klare Ansage – Rückbau muss sein

Hier besteht also sowohl aus offensichtlichen Umweltgesichtspunkten, als auch aus rechtlicher Sicht dringender Handlungsbedarf im Hinblick auf die gängige Verwendungspraxis von Wuchshüllen: Wer Wuchshüllen ausbringt und aufbaut, muss diese auch ordnungsgemäß rückbauen!

Ziel muss es sein eine weitere Belastung unserer Wälder mit Plastik (meist PE oder Polyethylen sowie PP oder Polypropylen) zu verhindern – gefragt ist daher eine geeignete „Forstliche Plastikreduktionsstrategie“ für unsere Wälder. Elemente einer Plastikreduktionsstrategie für Waldbesitzer müssen sein: Vermeidung, Rückbau, Substitution.

Aufgrund überhöhter Wildbestände ist eine Vermeidung nur durch eine verbesserte Jagd oder durch Zaunbau möglich.

Grundlage einer Rückbaustrategie ist es die Belastung der Waldflächen mit alten Plastik-Wuchshüllen zu kennen: „Wann wurden wie viele Wuchshüllen in meinen Wald ausgebracht?“ und „Wann muss ich diese dem Rückbau zuführen?“. Es müssen dabei in den Betriebsplänen sowohl staatlicher als auch privater Waldbesitzer finanzielle Mittel für den Rückbau eingestellt werden.

Daher sollten Waldbesitzer stets prüfen mit welchen „Altlasten“ sie es zu tun haben. Wurden herkömmliche Plastik-Wuchshüllen in der Vergangenheit eingesetzt, gilt es diese nach Vollendung des Verwendungszweckes wieder einzusammeln. Falls möglich können diese wiederverwendet werden oder müssen ansonsten einem Recycling oder der Entsorgung zugeführt werden.

Im Zuge einer Substitution müssen Waldbesitzern außerdem innovative, umweltfreundliche Alternativen zu den bisherigen fossil-basierten Plastik-Wuchshüllen oder -gittern angeboten werden. Zukünftig werden sich für die Praxis zwei Produktansätze weiterentwickeln – zum einen sehr stabile und wiederverwendbare Wuchshüllen, und zum anderen biologisch abbaubare Wuchshüllen. Die Eigenschaft der biologischen Abbaubarkeit kann jedoch in vielerlei Hinsicht verwirrend sein.

Keine Norm für biologisch abbaubare Wuchshüllen

Da es sich nicht um einen geschützten Begriff handelt, wird dieser häufig irreführend verwendet. Entscheidend ist, unter welchen Umweltbedingungen ein biologischer Abbau der Materialien vorgesehen ist.

Während es für den Heimkompost eine Norm gibt, welche heimkompostierbare Materialien prüft und mit einem Siegel nachvollziehbar kennzeichnet, gibt es eine solche Norm für einen biologischen Abbau unter Waldbedingungen noch nicht. Werden Materialien für den Heimkompost oder der industriellen Kompostierbarkeit in Form von Wuchshüllen als „biologisch abbaubar“ gekennzeichnet, kann nicht von einer Abbaubarkeit im Wald ausgegangen werden, da der Abbau nur in der vorhergesehenen Umgebungsbedingung gewährleistet ist. Darüber hinaus bedeutet biologische Abbaubarkeit nicht, dass auch natürliche Materialien zur Fertigung der Wuchshülle verwendet wurden, da auch fossil-basierte Materialien biologisch abbaubar sein können.

Sollen also in Zukunft biologisch abbaubare Wuchshüllen im Wald eingesetzt werden, müssen folgende Anforderungen erfüllt sein: - Hergestellt aus biobasierten Materialien aus nachhaltigen Bewirtschaftungsformen - Nachweislich rückstandlos biologisch abbaubar unter Waldbedingungen

Ebenfalls entscheidend ist, dass eben diese innovativen Wuchshüllen im Vergleich zu herkömmlichen Modellen in ihrer Funktionsfähigkeit gleichwertig sind und in einer ökobilanziellen Bewertung mindestens gleich abschneiden. Hinsichtlich der Kosten sollten diese ebenfalls mit konventionellen Wuchshüllen vergleichbar sein, wenngleich darauf hingewiesen werden muss, dass die dann wegfallenden Kosten des Rückbaus mit eingepreist werden müssen. Die Entwicklung einer solchen innovativen Wuchshülle, welche alle genannten Anforderungen erfüllt, ist das Ziel des Forschungsprojektes „TheForestCleanup“ der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg. Die derzeit im Rennen befindlichen Rohmaterialien für einen solchen Wuchshüllentyp basieren zum einen auf modifizierter Cellulose und zum anderen auf einem Biopolymer. Die Prototypen werden derzeit von Industriedesignern hinsichtlich ihrer Funktionalität optimiert.

Abbaubare Wuchshülle ist auf dem Weg

Im Sinne einer nachhaltigen und ordnungsgemäßen Waldwirtschaft sollte somit eine weitere Ausbringung konventioneller Wuchshüllen aus Plastik weitestgehend vermieden werden. Auch ist der Rückbau bereits ausgebrachter und nicht mehr in Verwendung befindlicher Wuchshüllen im Wald voranzutreiben. Zukünftig sollten Waldbesitzer auf Alternativprodukte des Einzelschutzes und somit innovative Wuchshüllen setzen, wenn jagdliche Umstände dies zwingend erforderlich machen. Grundsätzlich ist daher die Verwendung von Wuchshüllen genau zu prüfen. Denn im Zweifel gilt: Wer Aufbau sagt, der muss auch Rückbau machen.

zep – LW 16/2021