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Ein Teil des großen Ganzen

Die Biogasanlage der Günther GbR speist flexibel Strom ein

Die Flexibilisierung der Stromeinspeisung aus Biogasanlagen eröffnet den Betreibern neue Einkommensmöglichkeiten – einerseits durch die Flexibilisierungsprämie, anderseits durch die zu erzielenden höheren Verkaufspreise für den eingespeisten Strom. Claus Günther, Betriebsleiter der Günther GbR, erläutert dem LW den flexiblen Betrieb seiner Biogasanlage im fränkischen Fuchsstadt.

Zuckerrüben sind eine wichtige Substratkomponente in der Biogasanlage von Claus Günther. Sie wer­den als ganze Früchte auf der Siloplatte einsiliert und durch die Zugabe von Stroh der Sickersaftaustritt minimiert; vor dem Eintrag in den Fermenter werden sie dann gehäckselt. Foto: Becker
Einer der drei Gas-Motoren in Fuchsstadt; zwei davon können auf 15 Prozent ihrer Leistung abgeregelt werden. Foto: Becker

Windkraft und Photovol­taik liefern abhängig von Windaufkommen und Sonneneinstrahlung sehr schwankende Energie-Erträge, die durch das lagerfähige Biogas ausgeglichen werden können – vor allem in Zeiten sehr hohen Strombedarfs, aber auch, wenn ein Überangebot an Strom im Netz ist. Die Anlagen beziehungsweise Motoren der Biogasanlagen müssen zu dieser Regelleistung technisch in der Lage sein, die Anpassung der Leistung als auch der Steuerungstechnik ist dann nicht besonders aufwändig.

Virtuelle Kraftwerke aus vielen Anlagen stabilisieren das Netz

Beispielsweise ist eine sogenannte Überbauung (Erhöhung der elektrischen Spitzen-Leistung etwa durch ein zusätzliches BHKW) notwendig, um bei Bedarf und gutem Preis mehr Strom einspeisen zu können und bei geringer Nachfrage und kleinem Preis die Erzeugung zu drosseln. Insgesamt bleibt die eingespeiste Strommenge übers Jahr hierbei gleich. Um Biogasanlagen-Betreibern diese Investitionen schmackhaft zu machen, wurde die sogenannte Flexibilitätsprämie für Anlagen ein­geführt, die ihren Strom direkt an der Strombörse vermarkten. Durch die am Strombedarf orientierte Steuerung solcher Anlagen durch professionelle Bündler werden diese zu „Virtuellen Kraftwerken“ vernetzt. Claus Günther gehört zu den Vorreitern bei der Ausschöpfung von negativer Flexibilität bei der Erbringung von Regelleistung, das heißt, seine Stromproduktion wird bei einem Überangebot im Netz deutlich heruntergeregelt; auch diese Leistung, die Bereitstellung negativer Regelenergie, wird vom Netzbetreiber honoriert.

2004 mit 100 kW klein angefangen

Aber der Reihe nach: Claus Günther erläutert die Beweggründe für den Bau einer Biogasanlage (BGA). „Als im Jahre 2003 die Preise im Keller und Novellierungen des EEG auf dem Weg waren, haben wir uns erstmals ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigt, eine Biogasanlage zu betreiben; damals haben wir noch Schweinemast betrieben. Als das EEG 2004 entsprechend ausfiel, konnten wir unsere Planungen aus der Schublade ziehen und schon Ende des Jahres waren wir am Netz, beschreibt Günther die Anfänge. Die 100-kW-Anlage wurde schnell vergrößert und schon 2005 auf 350 kW elektrische Leistung aufgestockt; der Strom wurde komplett nach EEG eingespeist und mit 11,50 Cent pro kWh für die ersten 150 kWel und 9,90 Cent für die 150 Kilowatt übersteigende Leistung vergütet, zuzüglich der jeweiligen Boni. Diese Sätze laufen nach 20 Jahren, also 2024/25 aus. Mittlerweile verfügt die Anlage über eine Leistung von 1,18 MW, die durch drei Motoren erreicht wird.

Strom wird seit Jahren flexibel eingespeist

Seit entsprechenden Änderungen im EEG 2012 und 2014 speist die BGA Günther GbR, die Claus Günther zusammen mit seinem Bruder Bernd betreibt, Strom auch flexibel ins Netz ein. Die Motoren sind bauartbedingt dazu geeignet und wurden vom Leipziger Energiehandelshaus Energy2market (e2m) mit einer Schnittstelle versehen, dass sie von Leipzig aus gesteuert und je nach Anforderung Strom einspeisen oder auch zurückhalten können. „Seit Jahren regeln wir unsere Motoren, wenn nötig, bis auf 15 Prozent der Leistung herunter. Und entgegen anderslautender Meinungen haben wir damit weder negative Erfahrungen bei der Fahrweise noch bei den Wartungskosten gemacht“, stellt Claus Günther klar. Die Biogasanlage kann heute alle Regelenergie-Arten stufenlos erbringen: Die „Primärreserve-Leistung“ (PRL) gleicht Schwankungen im Stromnetz innerhalb von Sekunden aus, die „Sekundärreserve-Leistung“ (SRL) innerhalb von fünf Minuten und die „Minutenreserve-Leistung“ (MRL) viertelstündlich, wobei die jeweils schnellere Anpassung besser bezahlt wird. Die Steuerung und Vermarktung übernimmt e2m.

Substrate zur Hälfte aus dem eigenen Betrieb

Gefüttert wird die Anlage zur Hälfte aus dem eigenen Ackerbaubetrieb, den Bernd Günther führt. Der Betrieb bewirtschaftet 245 Hektar mit 36 bis 88 Bodenpunkten. Die viergliedrige Fruchtfolge aus Zuckerrüben (52 ha), Winterweizen beziehungsweise Wintertriticale (insges. 122 ha), Silomais (70 ha) und wieder Winterweizen oder Wintertriticale wird vor Rüben und Mais durch Zwischenfrüchte aufgelockert. Der Schweinestall wurde an einen Agrartechniker verpachtet, mit dem eine insgesamt 350 ha große Außenbetriebsgemeinschaft geführt wird. Der Zwischenfruchtanbau erfüllt gleichzeitig zu den Ackerbaulichen Wirkungen (Unkrautunterdrückung, Lockerung der Bodenstruktur) die gesetzlich vorgeschriebenen Greening-Anforderungen. Der Ackerbau erfolgt seit Jahren konsequent pfluglos und ohne den Einsatz einer Kreiselegge. Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz werden präzise mittels RTK-Technik ausgeführt.

Substrat-Mix heute schon unter dem „Maisdeckel“

„Der Zukauf des zusätzlich benötigten Substrates wird über mehrjährige Verträge mit Betrieben in der Region sichergestellt“, so Claus Günther. „Über die Rückführung des Gärsubstrates in die Partnerbetriebe versuchen wir, Nährstoffkreisläufe zu schließen.“ Die Partner haben zusätzlich die Möglichkeit, qualitativ minderwertige Partien in der Biogasanlage einer sinnvollen Verwertung zukommen zu lassen. Die Anlage erfüllt mit einem Substrat-Mix aus Mais, Zuckerrüben und Ganzpflanzensilage (GPS) den zukünftigen gesetzlichen Maisdeckel. „Die Zuckerrübe spielt bei uns eine wichtige Rolle und wir liefern keine Rüben in die Zuckerfabrik – wir brauchen sie als wertvollen Substratanteil,“ betont Günther. Die Rüben werden als ganze Früchte auf einer Siloplatte einsiliert und durch die Zugabe von Stroh der Sickersaftaustritt minimiert.

Die Zuckerrübe ist ein wichtiger Substratanteil

Die Rüben werden vor dem Eintrag in den Biogasfermenter gehäckselt. „Durch die ausschließliche Verwertung unserer Zuckerrüben in der Biogasanlage sinkt der Produktionsaufwand, denn Blattanteile oder auch der Erdanhang spielen hier keine Rolle. Verschmutzungen verlassen die Anlage über das vergärte Substrat wieder. Wir haben bisher bei einer Räumung der Lagerbehälter noch keine nennenswerten Ablagerungen ausgemacht.“ Eine zusätzliche Wärmenutzung hat sich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten bisher nicht ergeben. „Die Inves­titionen in die Anlage und den Betrieb eines Nahwärmenetzes können wir nicht leisten, vielleicht findet sich in Zukunft hier noch eine Möglichkeit, beispielsweise über einen externen Betreiber,“ blickt Günther voraus. Ein Teil der entstehenden Abwärme wird allerdings am Standort von einem Brennholzerzeuger zur Trocknung genutzt.

Große Zukunft für flexible Einspeisung

Zur Weiterentwicklung der Biogasanlage hat der Betriebsleiter bereits eine Überbauung, also Leistungssteigerung der Stromerzeugung, ins Auge gefasst. Diese sei lukrativer als die alleinige Bereitstellung von negativer Regelenergie (reduzierte Einspeisung). Aber Claus Günther schaut auch über den Tellerrand und sieht für die kleinteilige Strom­einspeisung eine große Zukunft: „Die zu virtuellen Kraftwerken zusammengeschalteten und flexibel geführten Stromerzeuger aus Wind, Sonne und Biogas sind deutlich besser in der Lage, die Stromnetze auch bei größeren Schwankungen stabil zu halten als dies die heutigen großen und trägen Kohlekraftwerke können – auch wenn die großen Energiekonzerne immer wieder das Gegenteil behaupten.“

Elektromobilität als gigantischer Stromspeicher

Wenn dann noch die Stromspeicherkapazitäten über Akkumulatoren an den Erzeugerstätten (beispielsweise Solaranlagen) und in großen Fahrzeugflot­ten große Strommengen vorhalten, aufnehmen und wieder ins Netz abgeben können, werde das künftige Stromnetz ganz anders aussehen als heute. „Elektrofahrzeuge haben nämlich die Eigenschaft, nicht nur Strom zu laden, sie können auch bei Bedarf Strom ins Netz abgeben, vorausge­setzt sie sind an dieses angeschlossen. Eine zu schaffende Infrastruktur mit Stromübergabestellen an öffentlichen und privaten Parkplätzen und Garagen vorausgesetzt, könnte eine ent­sprechende Masse von Fahrzeugen Unmengen an Strom bevorraten, denn die meiste Zeit stehen sie doch nur herum.“

KB – LW 17/2017
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