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Im Zeitmanagement erfolgreich

VLF-Großveranstaltung „Betriebe auf Wachstumskurs“

Landwirtschaftliche Betriebe auf Wachstumskurs: So lautete das Thema der Großveranstaltung des Agrartechnikerverbands Fritzlar und der Vereine für landwirtschaftliche Fortbildung Schwalm-Eder, des Regionalbauernverbands Kurhessen, der Kurhessischen Landbank eG Kassel, des Maschinenrings Schwalm-Eder, der Bezirkslandfrauenvereine Fritzlar, Homberg und Melsungen und der Erzeugergemeinschaft Hessen, die Ende Januar im Fritzlar stattfand.

Die Akteure der Veranstaltung (v.l.): Dr. Lothar Koch, Prof. Dr. Kai G. Kahl, Norbert Klapp, Heinrich Baron von der Osten-Sacken, Anne Mawick, LLH.
Die 19 „Stacheligen Landfrauen“ gestalteten ein lebhaftes Rahmenprogramm. Fotos: Ernst-August Hildebrandt

Die Veranstalter wollten Antworten auf die Fragen finden, wie landwirtschaftliche Unternehmen künftig noch wachsen können und welche Rolle dabei Kreditgeber spielen. Fachschulleiter Dr. Lothar Koch von der Fritzlarer „Agrartechnikerschule“ moderierte die Veranstaltung und führte in einem bis zum letzten Platz ausgelasteten Festsaal mit mehr als 220 Teilnehmern durchs Programm.

Betriebsentwicklung planen und Zeitablauf festlegen

Anne Mawick vom LLH ging der Frage nach, wie Landwirte mit den Herausforderungen und Risiken umgehen sollten, um Wachstumsschritte erfolgreich zu gestalten. Dabei sei es erforderlich für die nächsten fünf bis zehn Jahre für das Unternehmen eine Strategie und Ziele zu entwickeln in die die Wünsche aller Beteiligten und Betroffenen einfließen müssten und die die Voraussetzung für Wachstum seien.

Die Planung müsse unbedingt schriftlich erfolgen. Wobei neben den Zielen auch ein Zeitablauf festzulegen sei, in denen die Ziele erreicht werden sollen. Grundsätzlich sei bei der Zeitplanung die 60-zu-40 Regel anzuwenden.

Dies bedeute 60 Prozent der Zeit für geplante Akti­vitäten und je 20 Prozent für spontane und unerwartete Aktivitäten einzukalkulieren.

Die Re­ferentin empfahl, auch Prioritäten nach der Wichtigkeit der Aufgaben (sehr wichtig, wichtig, Kleinkram und Routineaufgaben) zu setzen, wobei sich der Betriebsleiter ausschließlich den sehr wichtigen Aufgaben widmet und die Erledigung wichtiger und weniger wichtiger Aufgaben delegiert sowie entrümpelt und nicht bearbeitet bzw. bearbeiten lässt.

Die Leiterin des Fachgebietes Ökonomie des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen wies darauf hin, dass viel Arbeit keinen Stress, sondern nur müde macht.

Unerledigte Aufgaben werden als Stress empfunden

Als Stress empfinde man aber die vielen unerledigten Aufgaben, die man vor sich herschiebe. Erfolgreiches Zeitmanagement ordne die Aufgaben daher nach den drei Kategorien und führe immer die sehr wichtigen ohne Umschweife der Erledigung zu. In diesem Zusammenhang sei auch ein eigenes Controlling wichtig, wobei man sich folgende Fragen beantworten sollte: Was habe ich heute erreicht oder geleistet? Wo bin ich an Kleinigkeiten hängengeblieben? Wo habe ich heute faule Kompromisse gemacht? Hat mich der heutige Tag meinen Zielen näher gebracht? Konnten meine Mitarbeiter die übertragenen Aufgaben ohne Probleme eigenständig ausführen? Wie würde ich mich selbst als Mitarbeiter oder Chef beurteilen?

Die Referentin erläuterte auch die Einflüsse der politischen Rahmenbedingungen, die Entwicklung der Märkte und die Entwicklung der Gewinne und Eigenkapitalveränderungen in hessischen Haupterwerbsbetrieben, um das betriebliche Wachstum der erfolgreichen landwirtschaftlichen Unternehmen im langjährigen Zeitablauf abzubilden. Wichtig sei, das wesentliche Standbein des Betriebs zu optimieren und dann erst Wachstum oder Diversifizierung anzustreben. Entscheidend sei, dass man immer wisse, wo man stehe. Ersatzinvestitionen sollten aus der Abschreibung finanziert werden.

Nach größeren Wachstumsschritten sei auch darauf zu achten, dass die Abschreibung zur Tilgung verwendet wird. Es sei wichtig, auf den Cash Flow zu achten und die Kapitaldienstgrenzen im Blick zu haben. Kredite sollten in ausreichender Höhe eingerichtet und niemals überschritten werden.

Bei der Liquiditätsplanung seien auch Steuern und Investitionen zu berücksichtigen, die mit einem angemessenen Eigenkapitalanteil finanziert werden sollen, weswegen finanzielle Reserven aufzubauen sind. Bei Beschaffung und Einsatz von Fremdkapital sei es wichtig, die Verhältnisse zur Hausbank oder Kreditgebern zu pflegen. Auch Vorsorge sei für den Notfall zu betreiben, damit Krankheit, Invalidität oder Tod nicht zum Ende des Betriebs führen.

Betriebliches Wachstum richtig finanzieren

Vorstandsmitglied Heinrich Baron von der Osten-Sacken von der Kurhessischen Landbank ging auf die Frage ein: Wachstum kostet Geld – wie bekomme ich es? Er machte deutlich, dass Banken als Geldgeber eine hohe Verantwortung gegenüber ihren Anlegern haben und im Geschäft mit Kreditnehmern darauf bedacht sein müssen, Ausfälle zu vermeiden. Bei Geschäften mit landwirtschaftlichen Unternehmen sei es wichtig, dass die Bank das Alltagsgeschäft in der Landwirtschaft verstehe und die Bedeutung und Auswirkungen der politischen Rahmenbedingungen und Gesetze der Märkte, die die Landwirtschaft betreffen einschätzen könne. Gerade bei wachsenden landwirtschaftlichen Unternehmen habe die Bedeutung der Sicherheiten aus Grund und Boden durch zunehmende Pachtanteile abgenommen. „Eigenkapital haben Sie, aber Fremdkapital müssen Sie verdienen“, so der Referent.

Das sei in erster Linie durch Vertrauen möglich, das der Kreditnehmer durch klare Vorstellungen über sein Vorhaben, durch Belegung seiner unternehmerischen Fähigkeiten mit Buch­führungsergebnissen und im offenen Gespräch mit dem Kredit-Sachbearbeiter der Bank erwirbt. „Sie müssen die Bank überzeugen, dass Ihre Ziele realistisch sind und Sie auf dem eingeschlagenen Weg auch bei plötzlich auftretenden Hindernissen stets Zins und Tilgung bedienen können.“, so von der Osten-Sacken. Auch eine vorübergehende Preisflaute könne so bewältigt werden. Die Bank erwarte, dass der landwirtschaftliche Kreditnehmer Kenntnisse über die Leistungen seines Betriebes habe und diese erläutern könne, auch im Hinblick auf die Veränderungen nach der Investitionsmaßnahme.

Erträge und Leistungen sollten im normalen Bereich liegen und künftige Pachtpreise realistisch dargestellt werden. Die Bank sehe hier gern langfristige Verträge und Vereinbarungen. Dazu zähle auch eine exakte Liquiditätsplanung. Als besonders vertrauensbildend sei auch die Beteiligung der Ehefrau, wie ohnehin ein ständiger Kontakt zur Bank gesucht werden sollte.

Die 1902 gegründete Kurhessische Landesbank sei seinerzeit durch landwirtschaftliche Unternehmer gegründet worden und zeichne sich auch heute noch durch Fachkompetenz in landwirtschaftlichen Finanzierungsfragen aus. Nach gesetzlichen Bestimmungen sind die Banken verpflichtet, Kreditentscheidungen nur dann zu treffen, wenn die betrieblichen Unterlagen und Bilanzen nicht älter als zwölf Monate sind. Von der Osten-Sacken empfahl, die Unterlagen möglichst drei Monate nach Abschluss des Wirtschaftsjahres vorzulegen, um so das Interesse an der vertrauensvollen Zusammenarbeit deutlich zu machen.

In welchen Situationen es zum Burn-out kommen kann

Dass Landwirte unter psychischen Be­lastungen und Gefahren eines Burnouts leiden, trifft immer öfter auch für diesen Beruf zu. Wie dieser zu erkennen und zu therapieren ist, darüber informierte Prof. Dr. med. Kai G. Kahl, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie sowie ärztlicher Leiter des Ausbildungsinstituts für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin an der medizinischen Hochschule Hannover. Prof. Dr. Kahl referierte zum Burn-out-Phänomen und stellte fest, dass es hierzu aus wissenschaftlicher Sicht kein richtiges klinisches Krankheitsbild gebe. Die Definition beschreibe einen durch Erschöpfung infolge hohen Arbeitseinsatzes gekennzeichneten Zustand, der mit Abnahme der Leistungsfähigkeit und -motivation einhergeht. Bei personenbezogenen Dienstleistungen führe Burnout vermehrt zu negativen Einstellungen gegenüber Klienten und Patienten.

Dabei unterscheide man drei Komponenten, die emotionale Erschöpfung, reduzierte Leistungsfähigkeit und negative und unpersönliche Einstellungen. Allgemein folge der Burn-out-Prozess einem Prozess, der von Stress über Burn-out zur tiefen Depression führe und über sieben Entwicklungsstufen zu beschreiben sei:

1. Erste Warnzeichen durch gesteigerten Einsatz für Ziele, Zunahme von Überstunden sowie Erschöpfungserscheinungen oder vegetative Überreaktionen.

2. Reduziertes Engagement durch reduzierte soziale Interaktionen, eine negative Einstellung zur Arbeit und die Konzentration auf eigenen Nutzen.

3. Emotionale Reaktionen wie Insuffizienzgefühle, Pessimismus, Leere, Hoffnungslosigkeit und Energiemangel. Zusätzlich ein Gefühl von Hilflosigkeit und Schuldzuschreibungen an andere oder „das System“.

4. Abnahme von kognitiven Fähigkeiten, Motivation, Kreativität und Differenzierungsfähigkeit.

5. Abflachen des emotionalen und sozialen Lebens und kognitiver Interessen.

6. Psychosomatische Reaktionen wie Spannungen, Schmerzen, und Schlafstörungen. In der Freizeit ist keine Erholung mehr möglich, es kommt auch zu veränderten Essgewohnheiten.

7. Depressionen und Verzweiflung. Hier besteht das Gefühl von Sinnlosigkeit, es kommt zu negativen Lebenseinstellungen, existenzieller Verzweiflung und Suizidgedanken oder -absichten.

Hinter Burn-out Symptomen könnten sich auch behandelbare körperliche Erkrankungen verstecken, weshalb bei der Diagnose ein Psychologe oder Psychiater hinzugezogen werden sollte. Spezifische Stressoren die in der Landwirtschaft zu einem Burn-outSyndrom führen könne, sieht der Referent in der „Wachsen oder Weichen“-Problematik, dem Druck zur Spezialisierung, der medialen Kritik an Landwirtschaft und auch an der Ungewissheit, die für die Fortdauer vieler Betriebe aufgrund unsicherer Hofnachfolge besteht.

Hinzu können ökonomische, familiäre und auch arbeitswirtschaftliche Probleme einen Burnout auslösen. Arbeit als solche, führe hingegen verbreitet zu psychischer Gesundheit indem dabei das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit, positivem Selbstwertgefühl wie auch nach Zugehörigkeit befriedigt werde. Akute Stressreaktionen zeigen sich körperlich überwiegend durch Unruhe, Schwindel, Magen- und Darmbeschwerden und Kopfschmerzen. In der Gefühlswelt durch Angst, Reizbarkeit, Unsicherheit, Überforderung und Lustlosigkeit. Bei den Gedanken durch Sorgen, Grübeln und Konzentrationsstörungen sowie im Verhalten durch sozialen Rückzug, Leistungsabfall, Konflikte, Antriebslosigkeit und den Gebrauch von Betäubungs- oder Suchtmitteln.

Warnsymptome erkennen, wenn es noch früh genug ist

Chronischer Stress werde dabei zum Risikofaktor für seelische Erkrankungen, die zu langen Behandlungsmaßnahmen führen können. Der Referent mahnte daher, die Warnsymptome rechtzeitig zu erkennen. Hierzu zählen Schlafstörungen, häufiges Sorgenmachen und Grübeln, auch die Freizeit hat keinen Erholungswert mehr. Im Umgang mit dem Stress kommt es häufig zu erhöhtem Alkoholkonsum und Medikamentengebrauch mit Selbstmedikation.

Damit Belastungen nicht zu Überlastungen werden, sei wichtig, die Arbeitssituation zu prüfen durch Verbesserungen der technischen Ausstattung, der Arbeitsplatzergonomie wie auch das Führungsverhalten. Auch durch Verbesserung der familiären Situation kann nach Prof. Kai G. Kahl Stress vorgebeugt werden. Hierzu zählen beispielsweise die gleichzeitige Belastung durch Betrieb, Haushalt und Berufsfähigkeit, die Schaffung klarer Wohnverhältnisse und Aufgabenteilungen, die Verbesserung der ökonomischen Situation sowie die Bewältigung kritischer Lebensereignisse und die Organisation der Pflege bei pflegebedürftigen Angehörigen.

Abschließend sorgte der Chor der „Stacheligen Landfrauen“ aus dem Kreis Höxter in Ostwestfalen für einen kurzweiligen und kabarettistischen Höhepunkt und Ausklang der Veranstaltung. Der 19-köpfige Chor engagierter Bäuerinnen nahm Themen aus der agrarpolitischen Szene aufs Korn, mit dem Anspruch kritisch und zugleich humorvoll Agrar-, Regional- und Verbraucherpolitik zu kommentieren und dabei auch manchen Missstand deutlich zu machen und anzuprangern.

Dr. Hildebrandt, LLH  – LW 8/2015