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24 Stunden Bewegung für Pferde im Aktivstall Beck

Computergesteuerte Funktionsbereiche motivieren zur Bewegung

Der Aktivstall von Irmgard und Hannah Beck erstreckt sich über etwa 1,3 Hektar und bietet 50 Pferden genügend Platz. Der Gedanke eines Aktivstalls ist, dass sich die Pferde durch die möglichst weit voneinander entfernten Funktionsbereiche wie Liegebereich, Tränke, Kraftfutterstation und Heustation vermehrt bewegen. Dies wirkt sich positiv auf die Gelenke, die Sehnen und das Allgemeinbefinden der Pferde aus. Der Aktivstall wird als eine der artgerechtesten Haltungsformen für Pferde angesehen.

An den jeweils drei Heustationen erkennt der Computer, ob das Pferd Heu ad libitum aufnehmen darf oder ob die Heuaufnahme begrenzt werden muss. Bei einer Begrenzung bleibt das Pferd in der Station und bekommt dort seine vorgegebene Menge Heu, ansonsten darf das Pferd zum Heuraum durchgehen und dort ad libitum aufnehmen.
Irmgard Beck mit ihrer Tochter Hannah, beide zusammen bewirtschaften den Naturlandbetrieb mit 100 ha Nutzfläche.
Die großzügige Liegehalle ist L-förmig angelegt und wird mit Stroh eingestreut. Die Mistmatratze ergibt einen nährreichen Dünger, der auf die eigenen Flächen ausgebracht wird.
Der Aktivstall der Familie Beck ist für 50 Pferde ausgelegt und teilt sich in unterschiedliche Funktionsbereiche. Diese liegen weit auseinander, um die Pferde zu möglichst viel Bewegung zu motivieren. Der Stall ist vom Hauptgebäude ausgehend gespiegelt, sodass zwei identische Anlagen für zwei Gruppen mit jeweils 25 Pferden entstehen.Foto: Beck

Nach der Aussiedlung des Betriebes Beck in den 80er Jahren bewirtschaftete Irmgard Beck bis Juni 2001 einen Milchviehbetrieb mit 85 Kühen und weiblicher Nachzucht im Haupterwerb. Da es wirtschaftlich nicht rentabel war, entschied sie sich auszusteigen, die Tiere und die Quote zu verkaufen, den Kuhstall zu einer Reithalle umzubauen und auf die Pensionspferdehaltung umzusteigen. So begann sie mit 18 Pensionspferden, die schnell auf 40 Pferde aufgestockt wurden, in den letzten Jahren waren es etwa 60 Pferde.

Aktivstall innerhalb weniger Monate fertiggestellt

Nach dem Masterabschluss des agrarwissenschaftlichen Studiums stieg Tochter Hannah in den Betrieb ein, seit Sommer 2014 wird dieser als Mutter-Tochter GbR geführt. Vor etwa drei Jahren kamen die ersten Gedanken auf, einen Aktivstall zu bauen. „Wir haben uns viele Aktivställe angeschaut und uns dafür entschieden, einen Bewegungsstall mit Platz für 50 Pferde zu bauen“, sagt Irmgard Beck. Sie kauften nahegelegene Flächen, die sie zuvor zur Pacht bewirtschafteten und begannen im März letzten Jahres den Bau des Aktivstalls mit dem Ziel, im Oktober mit den ersten Pferden einziehen zu können. Von vielen Seiten belächelt, schafften sie das auch, sodass im Oktober die ersten Pferde das Gelände betreten konnten.

Im „alten“ Stall stehen weiterhin etwas mehr als 50 Pferde in Kleingruppen, Offenställen und Boxenhaltung mit Weidegang. Beide Ställe können die vorhandenen zwei Hallen, zwei Reitplätze, einen Roundpen, die Grasrennbahn und das weitläufige Gelände gleichermaßen benutzen. Der Betrieb wird seit etwa 15 Jahren nach den Richtlinien des Naturlandverbandes bewirtschaftet. Die Pferde werden mit hochwertigem Heu, Biopellets und selbstangebautem Hafer gefüttert. Insgesamt bewirtschaften die Becks etwa 100 Hektar. 55 Hektar davon sind Grünland, wovon etwa 20 Hektar als Weide genutzt werden.

Funktionsbereiche motivieren die Pferde, sich viel zu bewegen

Der 2015 gebaute Aktivstall erstreckt sich über etwa 1,3 Hektar und besteht aus zwei voneinander getrennten, gespiegelten Stallbereichen. Jeweils eine Stuten- und eine Wallachherde mit 25 Pferden finden dort aureichend Platz. Die Stallbereiche sind in verschiedene Funktionsbereiche unterteilt. „Dadurch muss jedes Pferd über den Tag verteilt weite Strecken laufen, um sich beispielsweise sein Futter in den Stationen abzuholen“, erklärt Hannah Beck. In jeder Gruppe gibt es jeweils eine große, mit Stroh eingestreute offene Liegehalle, eine Kraftfutterstation, drei Tränken, drei Heustationen mit einem Durchgang zum Heuraum und drei Heuräume. Außerdem stehen zur Eingewöhung und bei Krankheiten drei Boxen, die mittig und von allen Seiten begehbar im Stall angeordnet sind, zur Verfügung. „So gewöhnen sich die Pferde am schnellsten aneinander und können problemlos in die Herde eingegliedert werden.“ Alle Stationen sind mit der Technik der Firma Schauer computergesteuert, so kann für jedes Pferd individuell die Fressdauer, die Kraftfutterportion und der Auslauf auf die Weide gesteuert werden.

Individuelle Betreuung für jedes Pferd

Mit einem Chip im Halsband, in der Mähne eingeflochten oder implantiert erkennt jede Station das jeweilige Pferd und stellt diesem das zustehende Futter zur Verfügung. Dabei ist die Kraftfuttergabe auf viele kleine Portionen über den Tag aufgeteilt. Das ist zum einen für die Verdauung der Pferde sehr wichtig, zum anderen führt es dazu, dass sich die Pferde zwangsläufig bewegen müssen, um an den einzelnen Stationen ihren Bedürfnissen nachzugehen. Dank der individuellen Einstellung an den Stationen kann auf jedes Pferd eingegangen werden, so gibt es in der Herde Tiere, denen nur eine begrenzte Menge an Heu, eingeteilt in viele kleine Portionen, zur Verfügung stehen darf. Diese Pferde bekommen ihr Heu dann in den Heustationen, haben aber keinen Zugang zum Heuraum, in dem die Pferde Heu ad libitum aufnehmen können. Den meisten Pferden im Stall Beck steht allerdings 24 Stunden am Tag Heu zur freien Verfügung. „Aufgrund der vielen Funktionsbereiche verteilen sich die Pferde sehr gut, durch das große Platzangebot kommt es kaum zu Streitigkeiten untereinander, die Herden sind sehr ausgeglichen und zufrieden“, sagt Hannah Beck. Der Untergrund der gesamten Lauffläche besteht aus gebrauchtem Kunstrasen, darauf wurde Sand verteilt. Dieser bietet den Tieren einen rutschfesten und wasserdurchlässigen Untergrund, der ideal zum Toben und Spielen geeignet ist. „Unser Ziel war es, eine strukturierte Fläche zu bauen, auf der es keine Sackgassen gibt und auf der die Pferde durch die unterschiedlichen Stationen viele Möglichkeiten haben, sich zu beschäftigen und zu bewegen“, erzählt Irmgard Beck.

Tochter Hannah erklärt, dass ein Aktivstall ihrer Meinung nach für alle Pferde und Halter geeignet ist, in ihrem Stall stehen größtenteils ambitionierte Freizeitreiter mit den unterschiedlichsten Pferderassen. Die Vorteile sehen die Becks ganz klar in der vielen Bewegung der Pferde, in der Arbeitswirtschaft, in der Ausgeglichenheit der Tiere, dem vorteilhaften Dauerfressen mit zusätzlichen kleinen Kraftfuttergaben, und dem Sozialgefüge der Pferde. Als Nachteil nennt Irmgard Beck die zum konventionellen Boxenstall etwa doppelt so hohen Erstellungskosten und die benötigte große Fläche für den Bau eines Aktivstalls. Die Baukosten pro Pferdeplatz beliefen sich etwa auf 16 000 Euro. Das Projekt wurde finanziell gefördert: Neben der Junglandwirteförderung erhielt der Betrieb Mittel aufgrund der besonders tiergerechten Haltung, dem Biostatus und hohen Grünlandanteil.

All Inclusive für Pferd und Reiter

Für die Unterstellung eines Pferdes bezahlen die Einsteller 395 Euro. Für diesen Preis bekommen die Pferde alles, was sie brauchen: einen sauberen Stall, viel Bewegung, Biofutter und selbstgemachtes Heu zur freien Verfügung, viele Stallgenossen und die Pflege und Fürsorge von der Familie Beck. Auch den Einstellern fehlt es an nichts, viele Reitmöglichkeiten, große Sattelkammern, beheizte Räume zum Deckentrocknen, überdachte Wasch- und Putzplätze und ein großer Raum mit Terasse zum Beobachten der Pferde sowie dem gemütlichen Beisammensein stehen allen zur Verfügung. Irmgard Beck ist sich sicher: „Aktivställe sind die Zukunft der Pferdehaltung“, dafür müssten aber ihrer Meinung nach die Klischees ausgeräumt werden, dass „Laufställe nur etwas für Rentner- und Robustpferde sind“.

jk – LW 28/2016