Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren bei einer Neuanlage stellt die Qualität des Pflanzmaterials dar. Wer sein investiertes Geld möglichst rasch wieder zurückverdienen will, muss überlegt in die richtige Sorte und Mutante sowie in optimales Baummaterial investieren. Dabei gilt es sowohl bestimmte Gesetze (Sortenschutzgesetz) und Verordnungen (AGOZ) zu berücksichtigen wie auch internationale Qualitätsstandards, die sich durch die Öffnung der Märkte einstellen.
Die Qualität von Pflanzmaterial wird von mehreren inneren und äußeren Parametern bestimmt. Zu den inneren Qualitätsmerkmalen zählt eine ausreichende Holzausreife, Sortenechtheit sowie die Freiheit von wichtigen Krankheiten und Schädlingen, die durch die Anbaumaterialverordnung von 1998 (AGOZ) geregelt ist. Demnach wird das sogenannte CAC-Material zwar als Standardmaterial bezeichnet, stellt aber nur Minimalanforderungen an die Qualität eines Baumes.
CAC Material muss aus der Baumschule kommend frei sein von sichtbaren Schäden und Krankheiten wie Verwundungen oder Hagelschäden, Obstbaumkrebs, Wurzelkropf, Spinnmilben, Glasflügler. Es kann jedoch durchaus von Virosen und Mycoplasmosen befallen sein, sofern diese optisch nicht erkennbar sind. Auf solche Mindestnormen darf und sollte sich kein professioneller Obstbauer einlassen. Für den Erwerbsanbau kommt nur anerkanntes, zertifiziertes Pflanzmaterial in Frage. Auch dieses Material muss selbstverständlich frei sein von sichtbaren Schäden und Krankheiten. Darüber hinaus ist dessen Sortenechtheits- und der Gesundheitsstatus weitgehend sichergestellt. Als zertifiziert virusfrei darf nur das Pflanzmaterial deklariert werden welches frei von allen Virosen, auch latenten Viren ist. Vermehrungsmaterial, das einen Befall mir latenten Viren aufweist, ist mit dem Hinweis virusgetestet (vt) gekennzeichnet.
Anforderungen an die äußere Baumqualität
Die Bäume sollten einen ergonomisch günstigen Aufbau besitzen. Die Hauptertragszone muss in einem Bereich etabliert sein, der zeitraubende Tätigkeiten, übermäßiges Bücken oder Strecken, von vorneherein minimiert. Deshalb sollten die Seitenäste beim Jungbaum ausreichend hoch inseriert sein, nämlich ab 80 cm Höhe, damit diese nach Formierung oder mit Fruchtbehang nicht unter 60 cm abhängen. Eine gute Voraussetzung für ausreichend gute Lichtverhältnisse stellt ein pyramidaler Baumaufbau dar. Ist eine solche Baumform vorgesehen, sollte bereits der Jungbaum die geeigneten Wuchsproportionen besitzen. Ausgehend vom Durchmesser des Stammes zur Baummitte und Spitze sollte er im Idealfall ein Stärkeverhältnis von 4:2:1 aufweisen.
Eine frühzeitige und hohe Fruchtbarkeit garantiert einen schnellen Rückfluss des eingesetzten Kapitals und eine automatische Regulation des Wachstums. Dafür sind viele flach abgehende Seitenverzweigungen wichtig, an denen sich bereits im Pflanzjahr Fruchtholz entwickelt. Die Seitenäste sollten ausreichend vital sein und keine Verkahlungstendenzen aufweisen. Verkahlte Zonen garnieren sich nämlich bei einigen Sorten über Jahre hinweg nicht mehr (Fuji, Kanzi; Pinova; Jonagold), weder mit Früchten noch mit Trieben und damit verlagert sich das Wachstum rasch an die Spitze der Triebe oder des Baumes. Als Pflanzmaterial kommen deshalb nur gesunde, leistungsfähige und gut bewurzelte Jungbäume in Frage, die keine Symptome von Trocken- oder Ethylenschäden zeigen.
Auf einheitliche Veredlungshöhe mit glatten, geraden Unterlagen achten
Beim Baumkauf sollte auf eine einheitliche Veredlungshöhe mit möglichst glatten, geraden Unterlagen geachtet werden. Bei zu tiefen Veredlungen (< 5 cm) können mit der Zeit die Edelsorten Wurzeln bilden, das heißt sich freimachen und den Baum zu sehr starkem Wuchs anregen. Derzeit wird in den meisten Baumschulen bei Apfel auf 20 cm Höhe veredelt. Höhere Veredlungen setzen etwas stärkere und sehr gerade, sprich teurere Unterlagen voraus. Hochveredlungen müssen deshalb extra und vor allem rechtzeitig bestellt werden. Sie können sortenabhängig eine 10 bis 20 prozentige Wuchsminderung bewirken, was in Einzelfällen durchaus interessant und sinnvoll sein kann (Abb. 1).
Eine Veredlungshöhe von etwa 30 cm sollte auch bei der Unterlage M9 wegen zunehmender Frostgefahr und Luftwurzelbildung nicht überschritten werden. In Frage kommen dafür nur luftwurzelarme M9 Klone (T 337; Burgmer 984; Lodder 1; Pajam 1). Bei stark luftwurzelbildenden Unterlagen wie Fleuren 56 oder sehr frostgefährdeten wie M27 muss von Hochveredlungen abgesehen werden. Die Unterlage M27 sollte auch wegen der Gefahr nachlassender Wuchskraft lediglich auf 10 cm Höhe abveredelt werden.
Qualität – ausgedrückt in Zahlen und Maßen
Veredlungshöhe (M9) 15-30 cm Stammdurchmesser (20 cm oberhalb Veredlungsstelle) 1-jährige Veredlungen >=14 mm Knipbäume: 16-18 mm Anzahl gleich stark entwickelter vorzeitiger Seitentriebe Qualität AA: > 6 Qualität A+: > 5 oder > 6 nicht rundum garniert Qualität A: 4-5 Qualität B: 0-3 Wünschenswert: weitere 4-8 kurze Spieße entlang der Stammverlängerung Anordnung der vorzeitigen Triebe Einjährige Veredlungen: ab 60-65 cm Bei Knip-Bäumen: ab 80 cm jeweils über eine Distanz von 30- 40 cm gleichmäßig rundum verteilt Stärke der vorzeitigen Triebe Durchmesser: Mindestens 5 besser > 6 mm (5 cm vom Stamm entfernt) Länge: 35 - 50 cm Länge der Mittelachse 60 -70 cm vom letzten „Grundgerüstast“ bis zur Spitze Gesamtlänge des Baumes 1-jährige Veredlungen 1,40 bis 1,60 m Knipbäume: 1,60 bis 1,80 m
Der Knipbaum ist seit Jahren sehr beliebt
Beim Apfel nimmt seit Jahren der Knipbaum die größte Bedeutung unter den Anzuchtformen ein, gefolgt von einjährigen Veredlungen (Okulanten), die jahrzehntelang das wichtigste Produktverfahren für Jungbäume darstellte. Die einjährige Winterhandveredlung wird normalerweise als Vorstufe für Knipbäume verwendet, die etwas besseren Qualitäten werden dann als sogenannte 9-Monatsbäume vermarktet.
Knip-Baum: Dieser Baumtyp verfügt hinsichtlich Ertragsverhalten und Ergonomie über drei wichtige Vorteile:
Knipbäume werden üblicherweise über Winterhandveredlungen hergestellt. Im folgenden Winter, wenn die strengsten Fröste vorüber sind, werden die Bäume auf 70 cm zurückgeschnitten. Sorten mit stark hängenden Seitentrieben (Jonagold) werden bei 75 cm zurückgeschnitten, während Sorten, die sich erst 15 cm oberhalb des Knips verzweigen (Cox Orange) bei 60-65 cm angeschnitten werden. Aus der endständigen Knospe soll ein kräftiger und mit vorzeitigen Trieben garnierter Spross entstehen.
Die Verzweigung kann durch mechanische Eingriffe gefördert werden und zwar durch mehrfaches Abdrehen junger Blätter an der Triebspitze ohne dabei die Terminalknospe zu beschädigen (Pinzieren- Entblättern). Dieses arbeitsaufwendige Verfahren ist in den meisten Baumschulen durch Verwendung von Phytohormonen ersetzt worden, vornehmlich durch Benzyladenin haltige Produkte. Sie werden im Frühjahr mehrfach hintereinander eingesetzt und fördern den Austrieb von Seitenknospen. Eine (zu) häufige Anwendung führt zu spitzwinklig abgehenden Seitentrieben, insbesondere bei Elstar.
Mit 9-Monatsbäumen auf Neuentwicklungen reagieren
9-Monatsbaum: Der 9-Monatsbaum muss nach einer Winterhandveredlung in einer Vegetation zum verkaufsfertigen Baum heranwachsen. Er erlaubt es dem Baumschuler flexibel auf Neuentwicklungen zu reagieren und rasch pflanzwürdiges Material zu günstigen Preisen anbieten zu können. Ausreichend gute Baumqaulitäten setzen allerdings gute handwerkliche Fähigkeiten des Baumschulers voraus sowie günstige Wachstums- und Klimavorausetzungen. Aufgrund der geringen Reserven und der kurzen Vegetation entwickeln sich bei 9-Monatsbäumen meist nur wenige Seitentriebe.
Um eine hohe Ausbeute verkaufsfähiger Bäume zu erzielen, werden die Bäume häufig zu stark mit Stickstoff gepusht, was zu einer mangelnden Holzausreife, erhöhter Frost- und Krebsanfälligkeit und einem ungünstigen Wurzel- Spross-Verhältnis führt. Fehler in der Kühl- und Transportkette tragen gerade bei diesem Baumtyp zu verstärkten Ausfällen und Anwachsproblemen bei.
Die einjährige Veredlung – Okulant
Die einjährige Veredlung stellte jahrzehntelang das Standardvermehrungsmaterial für Apfelbäume dar, vor allem als die Anforderungen an die Höhe der Seitenastabgänge noch nicht so explizit ausgeprägt waren wie heute. In qualitativer Hinsicht sind gut und ausreichend hoch verzweigte (>60cm) einjährige Veredlungen den sogenannten 9-Monatsbäumen vorzuziehen. Sie sind meist besser verzweigt und ausgereift. Bei deren Anzucht werden im Frühjahr preisgünstige Unterlagen der Stärke 7/9 mm aufgeschult und im Juli/August mit Sommerholz über Okulation (T-budding) oder über Schildveredlung (Chip-budding) veredelt. Das „chippen“ hat Vorteile, vor allem in der hohen Tagesleistung, der zeitlichen Ungebundenheit, der besseren Augenannahme und im früheren und regelmäßigerem Austrieb. Im kommenden Frühjahr wird die Unterlage auf das eingesetzte Auge abgesetzt. Das Auge startet mit einem höheren Wachstumspotenzial durch als eine Winterhandveredlung. Im Stammbereich werden nun sukzessive die vorzeitigen Triebe, bevor sie verholzen, bis zu einer Höhe von 60 cm mit der Hand abgestreift (geräubert) und im darüber befindlichen Bereich wird durch mehrfaches mechanisches Entblättern oder BA-Behandlungen das Auslaufen vorzeitiger Triebe gefördert.
Tipps für eine erfolgreiche Baumpflanzung
Auf dem Transportweg, im Einschlag, wie bei der Pflanzung ist penibel darauf zu achten, dass die Wurzeln nicht austrocknen. Nach langen Transporten oder Einschlägen sind die Bäume vor dem Pflanzen 24 Stunden in Wasser zu stellen und dann kontinuierlich feucht zu halten. Um Holzkrankheiten vorzubeugen (Obstbaumkrebs), tut man gut daran die Bäume nach der Lieferung oder während des Einschlags mit Kupfer zu behandeln. Um eine rasche Adaption der Bäume auf dem Endstandort zu gewährleisten, sind sie in einen gut vorbereiteten, feinkrümeligen Boden zu pflanzen. Deshalb ist eine optimale Bodenvorbereitung mit Drainung, Lockerung, Aufdüngung dringend angeraten. Besonders bewährt hat sich der Einsatz und die Einarbeitung silikatischer Industriekalke, von Hütten- oder Konverterkalken (10-15 dt/ha), deren Anwendung so zu bemessen ist, dass der pH-Wert des Bodens im leicht sauren Bereich bleibt (6,0-6,5).
Bei der Neupflanzung auf Nachbaustandorten sollte die bisherige Fahrgasse bevorzugt genutzt werden, falls dort noch keine artgleiche Vorkultur stand. Anstatt die Fläche ruhen zu lassen, hat es sich bewährt umgehend nachzupflanzen. Bei der Rodung sollte so viel wie möglich alte Wurzelmasse beseitigt werden. Es kommt sowohl der Herbst, das Frühjahr aber auch der Mai in Frage. Pflanzungen im Herbst kommen im Frühjahr häufig am günstigsten, vorausgesetzt das Pflanzmaterial war ausgereift und der Boden beim Pflanzen warm und trocken. Gepflanzt werden sollte bei frostfreiem Wetter bei Bodentemperatur um/über 8°C.
Zur Verbesserung des Anwachsens kann eine Pflanzlochzugabe mit einem strukturstabilen, hochwertigen organischen Substrat beitragen, kombiniert mit einem optimalen N-und P- Angebot (HTK; MAP). Die Neupflanzung im Frühjahr unbedingt vor Trockenstress schützen (Über- oder Unterkronenberegnung, Tropfbewässerung oder Fertigation. Gerhard Baab, DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau