Nicht nur hessische Ziegenhalter und -züchter trafen sich vor kurzem zum 9. Hessischen Ziegentag in den Räumlichkeiten der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere mit tierärztlicher Ambulanz (KGGA) der Justus-Liebig-Universität. Dort konnten Dr. Henrik Wagner, Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer, und Hermann Fehrentz, 1. Vorsitzender des Hessischen Ziegenzuchtverbands, mehr als 70 Ziegeninteressierte begrüßen.
Fehrentz berichtete über Wichtiges und Aktuelles zum Thema Ziege, Ziegenhaltung, -zucht und -handel. Dinge, die nicht nur die hessischen Ziegenleute, sondern deutschlandweit alle Ziegenhalter aktuell beschäftigen. So unter anderem die Initiative Tierwohl, zu der auch Hessen einen runden Tisch eingerichtet hat. Zu Ziegen werden dort Themen wie das Enthornen der Tiere, die Schlachtung tragender Tiere und die Kastration diskutiert und gemeinsame Übereinkünfte verabschiedet, berichtete Fehrentz. Ein weiterer Punkt, der alle deutschen Ziegenzüchter und -halter weiterhin beschäftigt, ist die TSE Verordnung 999-2001. Aktuell ist der Handel mit Zuchttieren in der EU sehr stark einschränkt beziehungsweise so gut wie unmöglich, auch wenn inzwischen neben Österreich jetzt noch Finnland und Schweden als Mitgliedstaaten mit vernachlässigbarem Risiko klassischer Scrapie eingestuft wurden. Fehrentz sprach hierzu die Möglichkeit der „Insellösung“ für Einzelbetriebe an. Einzelbetriebe können hierbei für sich in Eigenverantwortung und auf eigene Kosten, den Status „Betrieb mit kontrolliertem Risiko“ oder „Betrieb mit vernachlässigbarem Risiko“ erlangen, der ihnen den Handel mit Zuchttieren ermöglicht.
Besonders das Thema Pseudotuberkulose (PsTbc) wird aktuell überall stark diskutiert. Mischa Stillger, 2. Vorsitzender und Stellvertretender Sanierungsbeauftragter des Hessischen Ziegenzuchtverbands, berichtete über den aktuellen Stand der hessischen Sanierungsprogramme. Aktuell gibt es 50 Caprine Arthritis-Enzephalitis (CAE) und 29 PsTbc-sanierte Betriebe hessenweit, wobei es sich bei den PsTbc-sanierten ausschließlich um Herdbuchbetriebe handelt, wohingegen es bei CAE auch sanierte Gebrauchsziegenbestände gibt, sagte er.
Dr. Henrik Wagner erklärte zu Beginn für alle Anwesenden das in Hessen aktuell angewandte PsTbc-Sanierungsprogramm. Er erklärte die beiden anwendbaren Untersuchungsverfahren, klinisch und serologisch, und erläuterte Probleme bei der Einzelanwendung, eines der beiden Verfahren. Erfreulicherweise ist die Durchführung der serologischen Untersuchung inzwischen am Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) in Gießen möglich und kann zum Beispiel gemeinsam mit der CAE Untersuchung erfolgen, sagte er.
Der Hessische Ziegenzuchtverband habe eine Vorreiterrolle für vier weitere Bundesländer in Bezug auf die PsTbc-Sanierung, die nach Einführung der hessischen Sanierungsrichtlinie inzwischen ebenfalls eine Richtlinie erstellt und ein Sanierungsprogramm haben, sagte er weiter.
Mitte März wird ein Workshop der Ziegenzuchtverbände und der zuständigen Tierärzte zu diesem Thema stattfinden, bei dem man den Bestrebungen nach einer bundeseinheitlichen Pseudotuberkulose-Sanierungsrichtlinie nachkommen will, blicken Dr. Renate Volmer (LHL, Gießen) und Wagner voraus. Gemeinsam mit Dr. Mirjam Rohde (LHL, Kassel) betreuen sie klinisch das hessische Sanierungsprogramm.
Zum Thema Pseudotuberkulose kamen viele Reaktionen von den Teilnehmern, die mit den Referenten diskutiert wurden. Es gibt allerdings aktuell viele offene Fragen, so zum Beispiel die Anerkennung von Richtlinien anderer Länder/Bundesländer, welche Untersuchungsverfahren sind anzuwenden, in welchem Alter sollten Tiere zum ersten Mal untersucht werden, welcher Untersuchungsabstand ist sinnvoll? Nicht zuletzt auch die entstehenden Kosten, deren Deckung je nach Bundesland unterschiedlich geregelt ist. In Hessen werden die Kosten aktuell allein durch die Tierhalter getragen.
Milchleistung durch hohen Inzuchtkoeffizient verringert
Martin Steffens, Schatzmeister des HZZV e.V., stellte seine Abschlussarbeit an der Universität Kassel im Studiengang ökologische Agrarwissenschaften zum Thema „Analyse genetischer Strukturen im Zusammenhang mit Leistung und Fruchtbarkeit bei unterschiedlichen Ziegenrassen“ vor. Ein, in erster Linie für Milchziegenzüchter, sehr interessanter Vortrag mit vielen Daten, Zahlen und Formeln zu den Rassen Bunte Deutsche Edelziege (BDE), Toggenburger Ziege (TOZ), Thüringer Waldziege (TWZ) und Weiße Deutsche Edelziege (WDE). Steffens stellte zu Beginn folgende Hypothese auf: „Aufgrund niedriger Populationsgrößen ist der Inzuchtkoeffizient hoch und die Leistung der Milchziegen vermindert“. Er sagte, dass es äußert schwierig gewesen sei, überhaupt Daten für seine Arbeit von den Landesverbänden zu erhalten und erst durch Einschaltung des Bundesverbandes Deutscher Ziegenzüchter e.V. (BDZ) stellten ihm sechs Landesverbände über das Herdbuchprogramm OviCap der vit (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V.), die Daten der vier Rassen zur Verfügung. Anhand von Kurven veranschaulichte Steffens die Ergebnisse seiner Auswertungen. So zeigte er unter anderem, dass mit steigendem Inzuchtkoeffizienten die Milchfettmenge bei den BDE sehr stark anstieg, bei den WDE in etwa gleichblieb und bei den TWZ sank. Die Daten, die ihm zur Auswertung zur Verfügung standen, enthielten ausschließlich tierbezogene Angaben, ohne Hintergründe zu Haltungs- und Betriebsformen, so dass die Auswertungen, welche die Ablammungen und Lämmerzahlen betrafen, nur eine bedingte Aussagekraft besitzen. Sehr interessant und erschreckend war seine Darstellung der effektiven Populationsgrößen der einzelnen Rassen, anhand der ihm zur Verfügung stehenden Daten. So sank der Bestand der BDE von 1 600 Tieren im Jahr 1995 auf 200 Tiere im Jahr 2015, bei den WDE sank die Zahl von 2 065 Tieren in 2003 auf 370 im Jahr 2015, die TWZ zählten 2015 nur noch 480 Tiere von 760 im Jahr 2013, bei den TOZ fanden sich 2015 nur noch 56 Individuen von 511 im Jahr 1998.
Er sagte, dass die Ziegenrassen sehr unterschiedlich auf die Zunahme des durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten reagierten. Steffens empfahl, Anreize für Milchziegenzüchter zu schaffen und die Zusammenarbeit der einzelnen Landesverbände zu intensivieren. Abschließend sagte Steffens, dass seine Hypothese durch die erlangten Ergebnisse nur bedingt haltbar sei.
Nur ein zugelassener Euterinjektor auf dem Markt
Unter dem Titel „Untersuchungen zum Hemmstoffnachweis in Ziegenmilch“ berichtete Miriam Schröder, Doktorandin der KGGA & Professur für Veterinärmedizinische Lebensmitteldiagnostik, JLU Gießen, über ihre Ergebnisse bei der Untersuchung des Ausscheidungsverhaltens von Antibiotikarückständen in Ziegenmilch nach Behandlung der Tiere. Sie sprach die vielen Ziegenhaltern bekannte Problematik der wenigen für Ziegen zugelassen Medikamente an und auch die damit verbundenen Risiken für Tierärzte und Halter bei der Umwidmung. Sie sagte, dass es zum Beispiel nur einen zugelassenen Euterinjektor für Ziegen gibt und im Falle einer Euterentzündung dieser immer die erste Wahl sein muss. Weiter gebe es bisher wenige Informationen zu dieser Thematik. Bei ihren Untersuchungen wurden drei verschiedene Präparate eingesetzt und Ziegen mit unterschiedlichen Erkrankungen antibiotisch behandelt. Die Milch wurde mit verschiedenen Verfahren auf Rückstände untersucht, die sie den Teilnehmern anschaulich erklärte. Bei Ziegen, die wegen einer Euterentzündung mit Euterinjektoren behandelt wurden konnte sie nachweisen, dass ein Teil des Medikamentes auch in die unbehandelte Euterhälfte übertritt. Fazit ihrer Untersuchung ist, dass bei allen eingesetzten Antibiotika nach Ablauf der vorgeschriebenen Wartezeit und teilweise bereits einige Tage vorher keine Antibiotika-Rückstände mehr nachweisbar waren. Außerdem seien die Testsysteme zum Nachweis antibiotischer Rückstände für Ziegenmilch gut geeignet.
Nationale Genbank für landwirtschaftliche Nutztiere
Stefanie Nagel, Referentin für tierische Erzeugung vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft, berichtete von aktuellen, die Ziegenhalter betreffenden Themen. Sie ging nochmals auf das Thema Runder Tisch Tierwohl ein und sagte, dass das letzte Treffen am 7. Februar stattfand und dort die Themen gemeinsame Haltung von behornten und unbehornten Ziegen, Kastration und die Förderung der Weidewirtschaft in Hessen behandelt wurden. Allerdings gebe es aktuell noch keine Veröffentlichungen dazu. Nagel berichtete über die Einrichtung einer nationalen Genbank für landwirtschaftliche Nutztiere, an der auch Hessen teilnimmt, und die im März 2016 eröffnet wurde. Aktuell werde allerdings noch an der Erarbeitung von Leitlinien und Musterverträgen zur Gewinnung, Einlagerung und Verwendung gearbeitet. Die Anpassung des deutschen Tierzuchtgesetzes, an die EU-Tierzuchtverordnung, welche ab dem 1. November 2018 gültig ist, ist ein weiterer Punkt, der auch die Ziegenzüchter betrifft, berichtete sie. Sie sagte, dass man aktuell an der Überarbeitung ist und das deutsche Tierzuchtgesetz und die nationalen Verordnungen bis zum 1. November 2018 angepasst sein sollen. Weiter erklärte sie, dass keine Verschärfungen des nationalen Rechts vorgesehen sind, es aber wichtige inhaltliche Anpassungen zur Regelung bei der Anerkennung von Zuchtverbänden und der Genehmigung eines Zuchtprogrammes gebe und die EU die Trennung von Beratung und Kontrollaufgaben vorschreibe. Dies hat eine Umstrukturierung am Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen zur Folge, so dass Beratung und tierzuchtrechtliche Kontrolle zukünftig in getrennten Abteilungen durch unabhängige Personen durchgeführt werden müssen.
Dr. Henrik Wagner, stellte die Frage: „Was ist eine Euterentzündung?“. Er erklärte die verschiedenen Formen und wie man sie erkennen kann. Er wies darauf hin, dass zur Untersuchung immer Milchproben beider Hälften untersucht werden müssen, da die absoluten Zellzahlen bei der Ziege starken Schwankungen unterliegen und daher nicht so aussagekräftig sind, wie ein Vergleich der Hälften. Auch gebe es, anders als bei der Kuh, keine Grenzwertfestlegung der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft für die Ziege und das Schaf. Euterentzündungen treten nicht nur bei Milchziegen auf, sondern auch Fleischziegen sind davon betroffen, sagte Wagner. Allerdings werden sie, auch aufgrund der unterschiedlichen Haltungsformen, unterschiedlich früh erkannt. Da Euterentzündungen bei Ziegen generell relativ spät entdeckt werden, muss die Behandlung schnellstmöglich erfolgen, wobei die lokale Behandlung mit Euter‑
injektoren möglich ist, oftmals allerdings nicht ausreicht, sagte er.
Cordula Dörr – LW 10/2017