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Bauern in Oberhessen kommen „mit blauem Auge davon“

Erntegespräch beim KBV Marburg-Kirchhain-Biedenkopf

In Halsdorf im Landkreis Marburg fand in der vergangenen Woche ein Erntegespräch des Hessischen Bauernverbandes (HBV) mit dem Kreisbauernverband Marburg-Kirchhain-Biedenkopf (KBV) statt. In der Region konnte die Getreideernte weitgehend abgeschlossen und eine Bilanz über das bisherige Erntejahr gezogen werden.

Auf dem Betrieb der Familie Trümner in Halsdorf fand in der vergangenen Woche das Erntegespräch des Hessi­schen Bauernverbandes mit dem Kreisbauernverband Marburg-Kirchhain-Biedenkopf statt. Foto: Ina Tannert

Die Ernte von Weizen, Gerste und Roggen ist größtenteils in der Region abgeschlossen und fiel in diesem Jahr eher mäßig bis durchschnittlich aus. Beim Raps sieht Karsten Schmal, Präsident des HBV, Einbußen in Höhe von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besser steht es um die Wintergerste. Positives meldet der Verband bei Kartoffeln, Zuckerrüben und vor allem beim Mais. „Der Silomais sieht überall sehr gut aus“, hob er hervor.

Seit September letzten Jahres machten trockene Phasen den hessischen Landwirten zu schaffen, während die Niederschläge ab Mai stark zunahmen. Hagel und Stark­regen führten auch bei Getreide, Raps und Mais zu Schäden. Am stärksten betroffen waren der Norden und Süden des Landes. Der Ertrag des Winterweizens, der mit 56 Prozent den größten Anteil an der hessischen Getreidefläche innehat, fiel im Durchschnitt mäßig aus. Der Grund: durch Hitzewellen im Juni und Juli verkürzte sich die Kornfüllungsphase, die Früchte wurden „notreif“, sagte Schmal.

Wetterbedingt zu 90 Prozent Futterweizen

Gebiete, die eine spätere Abreife verzeichnen konnten, litten wiederum durch Stürme in der Jahresmitte. Schlecht stünden daher die Fallzahlen als Qualitätsmerkmal in diesem Jahr, berichtete Landwirt Martin Trümner. Wie beim Roggen biete der geerntete Weizen nur zu einem geringen Teil Backqualität: „Was wir in diesem Jahr ernten, ist zu 90 Prozent Futterweizen“. Der wetterbedingte Erntestau beim Weizen wirke sich wiederum auf den Raps aus, der teils noch gedroschen werden muss. Die Erträge der Roggenernte befänden sich dagegen „auf durchschnittlichem Niveau“. Positiv sah es bei der Heuernte aus. Im Gegensatz zu letztem Jahr konnte diese durch ausreichend trockene Zeitfenster „unter optimalen Bedingungen“ abgeschlossen werden. Besonders gut stehe es derzeit um Kartoffeln und Zuckerrüben. Im Gegensatz zu Kirschen und Erdbeeren, hätten diese den späten Frost im April gut überstanden und profitierten von der aktuellen Witterung. Ebenso wie der Mais, der nach Startschwierigkei­ten nun in dem feucht-warmen Wetter gedeihen kann.

Durch trockenes Frühjahr weniger Fungizideinsatz

Die Wetterlage und den aktuellen Stand der Ernte schätzte Herbert Becker vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen für den Landkreis positiver als andernorts ein. Bezogen auf Marburg-Biedenkopf „kann man nicht von einer so schlechten Ernte reden“, relativierte Becker. Vor Ort hätten die Getreideflächen durch das wechselhafte Wetter zwar gelitten, „wir haben aber wenigstens Glück, dass wir noch ernten können“. Im Vergleich zu anderen Regionen kam der Landkreis noch gut weg und „mit einem blauen Auge davon“, schätzte Becker das bisherige Erntejahr ein. Positiv zu sehen sei, dass es in diesem Jahr weniger Pflanzenkrankheiten gab.

„Imageschaden ist gigantisch“

In einigen Wirtschaftszweigen stelle man eine leichte Erholung fest. Schweine- und Milchviehbetriebe erholten sich langsam vom jahrelangen Preistief, berichtete Schmal. Mittlerweile stiegen die Preisen für Schweine und Milch langsam wieder an. Der Milchpreis stehe im hessischen Durchschnitt derzeit bei 34 Cent. Im Jahr zuvor waren es 26 Cent. „Mehr als letztes Jahr, aber noch nicht genug“, befand Schmal. Auch die Erzeugerpreise für Brotweizen, Schweine und Winterraps legten zu. Generell habe sich die Stimmung innerhalb der Landwirtschaft „weiter aufgehellt“. Das indes weniger durch die aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern eher durch leicht gestiegene Erzeugerpreise, mehr Investitionsbereitschaft und „positive Zukunftserwartungen“. HBV-Präsident Schmal brachte ebenfalls aktuelle Lebensmittelskandale zur Sprache und wandte sich dabei „gegen pauschale Kritik, die an der Landwirtschaft geübt wird“. Er bezog sich auf die Belastung von Eiern mit dem Insektizid Fipronil. „Der Imageschaden ist gigantisch, aber dafür können die Geflügelhalter nichts“, so Schmal. Die Schuld sieht er bei professionellen Reinigungsfirmen, die von den Landwirten mit der Säu­be­rung der Ställe beauftragt wurden, das betroffene Reinigungsmittel jedoch nicht selbst verwendet hätten. Dennoch werde die Landwirtschaft „zu unrecht an den Pranger gestellt“.

Vorsitzende Karin Lölkes ehrt Heinrich Trümner

Eine seltene Ehrung während der Versammlung nahm die Gastgeberfamilie Trümner aus Wohratal-Halsdorf entgegen. Landwirt Heinrich Trümner wurde für seine 60-jährige Arbeit geehrt. Nicht nur auf dem Feld, auch in der Kommunalpolitik wie als stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes habe sich Trümner „stets für die Belange des Berufsstandes eingesetzt“, lobte Karin Lölkes, Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Marburg-Kirchhain-Biedenkopf.

Tannert – LW 33/2017