Seit 1998 gab es ein verbotenes Kartell beim Handel mit Pflanzenschutzmitteln, welches zu künstlich höheren Preisen für Bauern und Winzer führte. 2015 führte das Bundeskartellamt bei den führenden und größten deutschen Großhändlern eine Untersuchung durch. Über das Pflanzenschutzmittelkartell und die Möglichkeit der kostenfreien Teilnahme an einem prozessfinanzierten Klageverfahren hat der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd informiert und gibt hier einen aktuellen Stand.
Am 13. Januar 2020 verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von rund 155 Mio. Euro. Die Ermittlungen des Amtes haben ergeben, dass die größten und führenden Großhändler seit dem Jahr 1998 bis zum Zeitpunkt der Durchsuchung im März 2015 jeweils im Frühjahr und im Herbst ihre Preislisten für Pflanzenschutzmittel abgestimmt haben. Den hierdurch entstandenen Schaden können die Betroffenen nun gegenüber den Kartellanten geltend machen.
Die begleitende Kanzlei MJG Rechtsanwälte hat über die Plattform „Bäuerliche Geschädigtengemeinschaft PSM-Kartell“ (BGG) die möglicherweise geschädigten Landwirte gebündelt. Die BGG hat zwischenzeitlich eine Größe von 2 000 landwirtschaftlichen Betrieben aus ganz Deutschland erreicht, die insgesamt 500 000 ha Nutzfläche auf sich vereinen. Es werden nun noch Landwirte aufgenommen bis Ende März 2022. Der Beitritt ist unter der Adresse www.agrarkartell.de/beitritt möglich.
Alle Betriebe, die sich bei der BGG angemeldet haben, erhalten eine Aufforderung, ihre Rechnungen hochzuladen. Die Datenerfassung, das heißt das Hochladen der Rechnungen aus dem Zeitraum 1998 bis 2020 ermöglicht die ersten Schadensberechnungen. Sie werden im Laufe des Verfahrens angepasst.
Zwei Möglichkeiten zu handeln für Landwirte
Neben der Möglichkeit der Prozessfinanzierung zur eigenen Durchsetzung von Forderungen wird nun auch der Kauf der Forderungen der Geschädigten angeboten. Es gibt somit zwei Möglichkeiten, wie Landwirte vorgehen können:
Verkauf der Schadensersatzansprüche: Wer seine Einkäufe durch Rechnungen vorweisen kann, erhält bis zu 22 Prozent des durch die Ökonomen der Kanzlei ermittelten Schadensvolumens. Die Rechtsanwaltskanzlei wird hierzu alle Teilnehmer der BGG gesondert mit einem konkreten Angebot anschreiben. Dieses Angebot kann aber erst erstellt werden, wenn die Rechnungsdaten vorliegen. Wichtig ist, dass hierfür weiterhin Teilnehmer bis zum 31. März 2022 aufgenommen werden. Wird das Kaufangebot angenommen, wird der Forderungskauf abgewickelt und das Verfahren hat sich für den Betrieb erledigt: Weder wird der Kaufpreis zurückgefordert, sollten mögliche Klageverfahren gegen die Kartellanten erfolglos bleiben, noch gibt es eine Nachzahlung, sollte sich im Vergleichswege oder im Klageverfahren eine höhere Schadensersatzforderung realisieren lassen.
Eigene Durchsetzung der Schadensersatzforderungen: Die Bedingungen der Prozessfinanzierung sind bekannt: Der Prozessfinanzierer übernimmt sämtliche Kosten bis zu einem Abschluss des Verfahrens (Vergleich oder rechtskräftiges Urteil) und erhält 25 Prozent der Erlöse nach Abzug eventuell verbleibender Verfahrenskosten, sodass dem Betrieb 75 Prozent des „Gewinns“ verbleiben. Auch für diese Variante werden Teilnehmer bis zum 31. März 2022 aufgenommen.
Derzeit ist es sehr wahrscheinlich, dass vor Ende März 2022 Vergleichsverhandlungen aufgenommen oder Klageverfahren anhängig gemacht werden. Das hindert aber nicht daran, dass weitere Betroffene sich der BGG anschließen. Aufgrund der starken Beteiligung wird die Kanzlei MJG Rechtsanwälte mit der ebenfalls auf Kartellschadensersatz spezialisierten Kanzlei Lieff Cabraser Heimann & Bernstein, LLP (LCHB) zusammenarbeiten.
Christoph Anheuser, bwv – LW 38/2021