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Braugerste – Marktlage und Sortenversuche in Rheinland-Pfalz

Braugerstengemeinschaft Rheinland-Pfalz auf Fahrt

Ende Juni führte die Braugerstengemeinschaft Rheinland-Pfalz die Braugerstenrundfahrt und die Rundfahrt des Technischen Ausschusses (TA) der Fördergemeinschaft Braugerste aufgrund der aktuellen Corona-Situation in reduzierter Form durch.

Während die Winterbraugerste vielerorts schon gedroschen ist, gibt es für die Sommerbraugerste noch Hoffnung auf Regen und damit eine gute Ernte. Foto: lwk rlp

Die Braugersten-Rundfahrt führte in das Gebiet um Montabaur. In Abstimmung mit dem DLR Westerwald, unter Federführung des fachkundigen Pflanzenbau-Beraters Jürgen Mohr, konnten die Teilnehmer der Fahrt zunächst die in Montabaur angelegten Züchterflächen, nachfolgend eine Praxisfläche und zum Abschluss die in Nomborn vom Land RLP betreuten Landessortenversuche für Sommer- und Wintergerste in Augenschein nehmen.

Die Gersten-, speziell aber auch die Sommer-Braugerste-Bestände, präsentieren sich in diesem Jahr sehr durchwachsen, von zum Teil gut entwickelten bis oft zu sehr lückigen und eher dünnen Beständen sei in diesem Jahr alles dabei, betonte der stellvertretende Vorsitzende der Braugerstengemeinschaft Rheinland-Pfalz, Dr. Georg Stettner, zum Abschluss der Rundfahrt. Überall war erkennbar, dass der zunächst eher nasse Herbst mit weniger optimalen Bedingungen für die Aussaat der Winter-Gerste, der zudem feuchte Februar, der eine Sommer-Gerstenaussaat vermehrt erst ab Mitte März möglich machte, und auch der sehr trockene und sehr kalte April, bis in den Mai hinein, der Entwicklung der Gerste nicht zuträglich waren.

Die weitere Entwicklung der Gersten-Bestände bleibt offen. Bei weiteren, hoffentlich zu erwartenden Niederschlägen und nicht zu hohen Temperaturen könnte es sein, dass zumindest die Sommer-Braugerste in diesem Jahr wieder mit vergleichsweise hohen Vollkornanteilen (und mittleren Mengen-Erträgen je Hektar), aber auch mit vergleichsweise hohen Eiweißgehalten aufwarten könnte.

Der Markt für Braugerste zeigt sich aktuell sehr angespannt. Durch die Corona-Pandemie ist der Bierabsatz, deutschlandweit, aber auch international, regelrecht zusammengebrochen. Auch die Prognosen über eine Wiederbelebung des Bierabsatzes sind aktuell eher verhalten. Größere Feste dürfen und können, coronabedingt, bis Ende des Jahres 2020 nicht stattfinden.

Fehlender Bierabsatz wegen Corona

Mit dem fehlenden Bierabsatz geht einher, dass aktuell noch viel Ware aus dem alten Jahr auf dem Markt vorhanden ist und damit der aktuelle Braugerstenpreis massiv unter Druck steht. Als Gewinner können sich aktuell nur die Erzeuger sehen, die bereits im vergangenen Jahr Vorkontrakte für ihre diesjährige Ernte abgeschlossen haben.

Auf den Züchterflächen wurden in diesem Jahr in Montabaur elf neue oder noch immer aktuelle Braugerstensorten von Vertretern der Züchterhäuser vorgestellt. Im Einzelnen wurden folgende Sorten angebaut: KWS Jessie, Prospect, SY Solar, Accordine, Brunilda, St. Schiwago, St. Cher, Leandra, Avalon, Amidala und RGT Planet. Die Fläche wurde am 31. März 2020 mit 300 Körnern/m2 gesät und unterlag der gleichen Düngung und Pflanzenschutzbehandlung. Alle Sorten präsentierten sich vergleichsweise gut entwickelt, wenngleich die Bestockung insgesamt eher weniger intensiv erfolgt war. Es gab sortenbedingt leichte Unterschiede in Form der Ausprägung der Kornanlagen und vor allem auch hinsichtlich der Wuchshöhe der jeweiligen Sorten.

Als Praxisfläche präsentierten die Mitarbeiter des DLR eine Fläche in Staudt, nördlich von Montabaur. Gezeigt wurde dort die Sorte KWS Liga, eine inzwischen ältere, nunmehr auch auslaufende Winterbraugersten-Sorte. Witterungsbedingt (und in Folge von Staunässe) wurde die Sorte aber erst viel zu spät am 15. Oktober 2019 gesät. Die Folge war, dass sich der Bestand verstärkt durch das sehr trockene Frühjahr, eindeutig zu dünn präsentierte. Im Durchschnitt wurde auf dieser Fläche zuvor, im Dreijahreszeitraum, ein Braugerstenertrag von 65 bis 70 dt/ha erwirtschaftet. Die Landessortenversuchsflächen für die mit anderen Bundesländern abgestimmten Sommer- und Winterbraugersten-Sorten in Nomborn zeigten sich dagegen vielversprechend.

Kaum Pilzdruck durch Trockenheit

Im Anbau dort stehen in diesem Jahr die Sommerbraugerste-Sorten: Quench, Avalon, RGT Planet, Accordine, Leandra, Prospect, Amidala und KWS Jessie sowie die Winterbraugersten-Sorten: KWS Liga, KWS Somerset, Lyberac, Zophia, KWS Faro, KWS Donau, Desiree und Leandra. Alle Sorten werden dort, vollrandomisiert, in zwei Intensitätsstufen (behandelt/unbehandelt) geführt. Berichtet wurde, dass es in diesem Jahr dort und in sämtlichen Getreidebeständen, vorrangig Probleme eines erhöhten Befalls mit Getreidehähnchen gegeben habe. Demgegenüber gab es kaum Pilzdruck, was dem trockenen Frühjahr geschuldet ist. Erst zu Beginn des Monates Juni, als es zu Niederschlägen kam, trat leichter Rhynchosporiumbefall auf.

Am Folgetag trafen sich die Mitglieder des Technischen Ausschusses der Fördergemeinschaft zu ihrer alljährlichen TA-Rundfahrt. Gemeinsam mit Thomas Waken von der Raiffeisen Bezugs- und Absatzgenossenschaft Kirchberg, begrüßte der Vorsitzende der Fördergemeinschaft Braugerste Rheinland-Pfalz, Ökonomierat Heribert Metternich, die Teilnehmer der TA- Rundfahrt und führte in die Thematik des Tages ein. Ziel dieser Fahrt sei es, die aktuell in Berlin diskutierten neuen Sommerbraugersten-Sorten zu begutachten: In diesem Jahr die Sorten Amidala (Züchter Nordsaaten) und KWS Jessie (Züchter KWS Lochow) vergleichend mit der Sorte Avalon (Zuchthaus Breun; vertrieben von den Hauptsaaten).

Die beiden neuen, vom Bundessorten-Amt (BSA) im Dezember 2019 zugelassen BG-Sorten, wurden im Februar 2020 vom TA der Fördergemeinschaft BG RLP, in Anlehnung an die Empfehlungen anderer BG-Gemeinschaften, für den „großtechnischen Versuchsanbau“ in Rheinland-Pfalz ausgewählt. Neben dem großflächigen Praxisanbau – jeweils rund 20 ha, in zwei unterschiedlichen Naturräumen, in einer Höhenlage wie dem Hunsrück und in einer Wärmelage wie in Rheinhessen – ist vorrangiges Ziel dieses Anbaus, vor allem nachfolgend die großtechnische Vermälzung und Verarbeitung zu Bier in größeren Einheiten zu testen.

Zuerst wurden vom TA die von der Fördergemeinschaft Braugerste RLP geförderten Praxisbestände in der Region um Blankenrath im Hunsrück und später in Rheinhessen um Alzey besichtigt. Die Fahrt begann mit der Besichtigung der Amidala-Praxisfläche, angebaut von Ralf Reicherts in Grenderich. Die Sorte Amidala zeichnete sich auf der Fläche durch ihre langen Ähren mit 20 bis 22 Körnern je Ähre aus. Durch fehlenden Regen war der Start der Braugerste etwas holprig. Erster Regen kam Anfang Mai, seitdem entwickelte sich die Sorte sehr gut.

Neue Sorte KWS Jessie zeigte sich sehr dicht

Der Betrieb Jürgen Wilhelms, Liesenich, präsentierte nachfolgend die neue Sorte KWS Jessie. Jessie zeigte sich dort, trotz Trockenheit, gut entwickelt und stand im Feld wie ein „Teppich“, also sehr dicht, mit einer etwas kompakteren Ähre, und mit 18 Körnern pro Ähre. Insgesamt schien der Krankheitsbefall bei Jessie etwas höher als bei der Sorte Amidala zu sein, vereinzelt traten Laternenblüten auf.

Bei Josef Treins, Forst, wächst in diesem Jahr die im Vergleich stehende Sorte Avalon heran. Sicherlich auch bedingt durch die bessere Bodengüte und der damit verbundenen besseren Wasserversorgung des Standortes, zeigte sich der Avalon-Bestand aktuell gut entwickelt und ausgeglichen. Treins berichtete, dass zu Beginn der Entwicklung ein hoher Unkrautdruck auf dieser Fläche herrschte. Die daher notwendige Pflanzenschutzbehandlung schwächte die Saat zunächst merklich. Zeitgleich war zunächst auch ein leichter Mehltaubefall erkenntlich. In Folge der Trockenheit im Mai wanderte der Mehltau aber nicht in die oberen Blattebenen.

Im Süden des Landes wurde anschließend im Betrieb von Andreas Kissinger aus Mauchenheim, die insgesamt sich sehr gut präsentierende Sorte Amidala begutachtet. Der Bestand ließ zum aktuellen Zeitpunkt ein sehr hohes Ertragspotenzial erwarten, sollten nachfolgend nicht Wassermangel oder zu hohe Temperaturen diesem noch entgegen stehen.

Dr. Gerhard Schilling aus Monsheim, gab ergänzend einen kurzen Einblick zur aktuellen Gersten-Situation in der Region. In Rheinhessen seien aktuell insgesamt eher dünne Bestände zu verzeichnen, die Ernte von Wintergerste stehe unmittelbar bevor. Die Gersten-Bestände haben zum Teil starke Schäden durch die Nacht-Frostperiode Anfang Mai 2020 davongetragen. Insgesamt rechnet er in diesem Jahr mit Ertragsverlusten in Höhe von 15 bis 30 Prozent in der Region, verglichen zum mehrjährigen Durchschnitt.

Im Betrieb von Jürgen Schröder aus Ober-Flörsheim, wurde in diesem Jahr die Sorte KWS Jessie angebaut. Der Bestand wirkte etwas dünn stehend, aber gesund. Die insgesamt sehr ordentlich entwickelten Ährenanlagen lassen hoffen, dass es, bei zuträglichen Wetterumständen, dennoch zu überdurchschnittlichen Erträgen und guter Qualität kommen kann.

Die letzte Station der TA-Rundfahrt führte zur Avalon-Vergleichsfläche im Betrieb von Jens Göhring aus Flörsheim-Dalsheim. Auch hier wirkte der Bestand sehr dünn stehend, allerdings waren die Einzelpflanzen intakt und gesund, auch die Ährenanlagen konnten vollauf überzeugen. Coronabedingt fand die Abschlussbesprechung für die TA-Fahrt in diesem Jahr auf dem Feld statt. Festgehalten wurde, dass der Faktor Wasser und ergänzend auch die Situation um die Spätfröste im Mai in diesem Jahr wieder einmal entscheidend für die Entwicklung der Braugersten-Bestände gewesen seien.

Zudem zeigt sich, dass auch die Höhenlagen des Hunsrücks in den vergangenen Jahren merklich wärmer geworden sind. Die typischen Wetterlagen im Hunsrück, mit höheren Regenanteilen, gibt es in dem Maße nicht mehr. Bei der Braugerste muss vor allem eine gute Sortierung, mit hohen Vollkornanteilen, zunehmend in den Fokus aller züchterischen Bemühungen rücken.

Isabelle Sando  – LW 29/2020