Das Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union wird schon in der laufenden Finanzperiode Auswirkungen auf den EU-Agrarhaushalt haben. Diese Einschätzung vertrat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), auf der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen am Montag in Baunatal.
„Wenn die Briten ausscheiden, können wir nicht bis 2020 warten.“ Roth bezifferte den Beitrag, der dem EU-Haushalt jährlich durch den Austritt des zweitgrößten Nettozahlers fehlen werden, auf 13 Mrd. Euro.
Politische Prioritäten ändern sich
Da kein anderer Staat das fehlende Geld ausgleichen wolle, müssten bestehende Ausgaben und auch der Agrarhaushalt in Frage gestellt werden, sagte Roth. Für die Gemeinsame Agrarpolitik werden nach Aussage des Politikers jährlich 56 Mrd. Euro ausgegeben, das sind rund 40 Prozent der EU-Haushaltsmittel. Aber nicht nur wegen des künftig fehlenden Geldes, sondern auch wegen anderer Aufgaben der EU müssten die Schwerpunkte nach Ansicht von Roth geändert werden. Die politischen Prioritäten hätten sich auf die Bereiche Flucht und Migration, Wachstum und Beschäftigung sowie innere und äußere Sicherheit, Stichwort Terrorismus, verschoben. Handlungsbedarf sieht der SPD-Politiker, der im Kreis Hersfeld-Rotenburg in einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen ist, bei der Begründung der Agrarzahlungen. Wir müssen der breiten Bevölkerung viel deutlicher machen, worin der konkrete Mehrwert einer modernen, nachhaltigen Landwirtschaftspolitik liegt. Jede Politik brauche öffentliche Akzeptanz, um eine sichere Perspektive zu haben. Nach seiner Ansicht müsse man bei Nachhaltigkeit, Klima-, Umwelt- und Tierschutz noch viel konsequenter voranschreiten. Europa und Deutschland sollten dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. Das Prinzip Förderung nach Hektar ist nach seiner Ansicht nicht mehr zeitgemäß und durchsetzbar.
Greening-Anteil an Direktzahlungen erhöhen
Konkret plädierte Roth dafür, den Greening-Anteil an den Direktzahlungen von derzeit 30 Prozent deutlich zu erhöhen. Auch der globale Handel sollte sich nach europäischen Prinzipien und Werten orientieren. Ein freier Handel, zu dem er sich bekannte, müsse auch ein fairer Handel sein. Ähnlich wie vor einigen Tagen der Grünen-Politiker Hofreiter, stellte auch Roth einen Zusammenhang zwischen EU-Lebensmittelexporten beispielsweise nach Afrika und den Flüchtlingsbewegungen her. Durch europäische Produkte werde dort der Ausbau einer eigenständigen und wettbewerbsfähigen Landwirtschaft gefährdet.
In seiner Rede stellte er fest, dass sich die Europäische Union in einer Krise befinde. Es gebe allerdings keine Alternative zu Europa. Er rief die Landwirte, die ja in einem besonderen Maße auf eine stabile und handlungsfähige Europäische Union angewiesen seien, sich politisch einzubringen und dabei zu helfen, den „Karren aus dem Dreck“ zu ziehen.
CM – LW 2/2017