Am Montag fand vor den Toren Frankfurts am Betrieb von Dr. Mattias Mehl in Nieder-Erlenbach die traditionelle Ernteauftakt-Pressekonferenz des Deutschen Bauernverbandes (DBV) statt. Präsident Joachim Rukwied gab eine Ernteprognose für 2024 ab und äußerte sich zur Marktsituation vor dem Hintergrund des andauernden Krieges in der Ukraine, zu politischen Entscheidungen in Berlin und Brüssel sowie zur Ernährungssicherheit.
„Wir gehen beim Deutsche Bauernverband in unserer letzten Prognose von einer Getreideernte in Höhe von knapp 42 Millionen Tonnen aus. Damit liegen die Erwartungen leicht unter dem Vorjahresergebnis von 42,2 Millionen Tonnen“, begann Rukwied seine Ausführungen. „Wir erwarten insgesamt eine knapp durchschnittliche Ernte mit heterogenen Erträgen. Die Witterungsbedingungen stellen uns Landwirte in diesem Jahr vor große Herausforderungen.“
Witterung stellt Betriebe vor Probleme
Die vielen Niederschläge der vergangenen Monate hätten in vielen Regionen Deutschlands Überschwemmungen, Hochwasser und Staunässe zur Folge gehabt. In Kombination mit steigenden Temperaturen steige vor allem das Risiko für Pilzbefall in vielen Beständen stark an. „Die Witterung heute ist bezeichnend für die Situation seit dem letzten Herbst. Immer wieder aufkommende Regenperioden lassen kaum Zeitfenster für Bestellung und Behandlung der Bestände“, beklagte der Bauernpräsident.
„Die Landwirtschaft bekommt die Auswirkungen des Klimawandels auch in diesem Jahr wieder deutlich zu spüren. Extremwetterereignisse stellen eine große Herausforderung dar. Die Niederschlagsmengen im vergangenen Herbst haben bereits für eine verspätete Aussaat bei vielen Kulturen gesorgt. Die unbeständige Witterung mit Unwettercharakter macht uns Sorge“, so Rukwied.
Landwirtschaft braucht eine breite Palette an Wirkstoffen
Der DBV-Präsident verwies darauf, dass eine weitere deutliche Reduzierung in der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und Wirkstoffen den Anbau von Getreide in Deutschland bedrohen. „Es ist daher dringend notwendig, dass uns Landwirten eine breite Palette von Wirkstoffen zur Verfügung steht, um einen Wechsel in der Anwendung vollziehen und so ein gutes Resistenzmanagement durchführen zu können.“
Die Gesamtgetreideanbaufläche liegt laut DBV in diesem Jahr bei nur 5,98 Mio. Hektar und ist somit leicht gesunken. Auffällig sei der Zuwachs der Anbaufläche von Sommergetreide. „Die Anbaufläche von Sommerweizen hat sich gegenüber dem Vorjahr von 30 500 auf voraussichtlich 99 600 Hektar mehr als verdreifacht. Die Sommergerste hat um 13 Prozent auf 363 300 Hektar zugelegt“, konnte der DBV-Präsident vermelden. Diese Zunahme der Flächen für Sommergetreide sei vor allem auf die anhaltenden Niederschläge im Herbst, die eine Aussaat von Wintergetreide verhindert haben, zurückzuführen. In manchen Regionen seien sogar Nach- und Neusaaten erforderlich gewesen. Dies sei hauptsächlich zu Lasten der Winterweizenfläche erfolgt, bei der ein Rückgang um 8 Prozent zu verzeichnen sei. Daher liege die Anbaufläche der bedeutendsten Getreideart in Deutschland nur bei knapp 2,6 Mio. Hektar. Danach folge die Wintergerste mit etwas über 1,3 Mio. Hektar.
Sommerungen legen flächenmäßig zu
Beim Winterraps hat die Fläche ebenso wie beim Winterweizen Rukwieds Angaben zufolge leicht abgenommen. Sie liegt nun bei 1,1 Mio. Hektar und somit knapp 6 Prozent unter dem Vorjahr. „Einige Regionen hatten massive Probleme mit dem Befall durch den Rapserdfloh und wir befürchten daher Ertragseinbußen und einen weiteren Rückgang der Anbauflächen für das kommende Anbaujahr.“
Gerade für Kulturen wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben seien die Monate Juli und August entscheidend. „Neben sonnigen Perioden für die Ernte sind auch gelegentliche Niederschläge wünschenswert. Aufgrund der feuchtwarmen Witterung ist der Befallsdruck mit Kraut- und Knollenfäule bei den Kartoffeln extrem hoch. Wegen kaum vorhandener Pflanzenschutzmittel drohen hier Ernteausfälle“, machte Rukwied deutlich. Für viele Wintergetreideflächen sei der Ertrag mittlerweile festgelegt und eine sonnige Wetterperiode käme vor allem noch den Sommerungen zugute.
„Wir hoffen jetzt auf einen trockeneren und sonnigeren Witterungsverlauf, damit das Wintergetreide problemlos eingefahren werden kann und die Sommerkulturen noch gute Erträge bringen können.“ Auch für die kommende Herbstaussaat sei trockenes Wetter für die Bestellung der Flächen nötig.
Öko-Anbauer und Sonderkulturen unter Druck
Der ökologische Landbau habe vor allem damit zu kämpfen, dass die Preise enorm unter Druck stehen. „Im Lebensmittelbereich können zum Teil noch gute Erlöse erzielt werden, Futterqualitäten werden aber oft nur zu Preisen wie konventionelle Produkte abgesetzt“, so Rukwied. Zuwachs finde heute nur bei den Discountern statt, hier sei aktuell ein Turnaround bei der Nachfrage zu verzeichnen.
Bei Sonderkulturen treibe vor allem der Mindestlohn den Betriebsleitern die Sorgenfalten auf die Stirn. „Wenn die von Olaf Scholz geforderten 15 Euro umgesetzt werden, wird die Anbaufläche hierzulande noch weiter sinken, denn dieses Lohnniveau ist im Wettbewerb mit anderen Herkunftsländern nicht darstellbar.“ Hier sei ein vernünftiges Vorgehen gefordert und Rukwied verwies diesbezüglich darauf, dass Lohnabschlüsse unter den Tarifpartnern verhandelt werden sollten.
Die Weltmärkte sind nur knapp versorgt
In der EU werde insgesamt mit einer leicht verbesserten Erntemenge gegenüber dem Vorjahr gerechnet, allerdings unter dem Fünf-Jahres-Durchschnitt. Global fallen die Prognosen dem DBV-Präsidenten nach insgesamt heterogen aus. „Die weltweite Versorgungslage mit landwirtschaftlichen Produkten ist nach wie vor eher knapp. Man merkt dies daran, dass jede kleine Meldung über Probleme in irgendeinem Anbaugebiet auf dem Globus sofort eine Reaktion an den Agrar-Börsen auslöst. Eigentlich müssten hieraus ordentliche Erzeugerpreise resultieren. Dass dies nicht so ist, liegt vor allem daran, dass Russland Nahrungsmittel als Waffe benutzt und die Agrar-Märkte mit Mengen zu Dumping-Preisen beschickt.“
Der Ukraine sprach Rukwied die uneingeschränkte Solidarität aus. Eine Aufnahme in die EU müsse angesichts des enorm großen ukrainischen Agrarsektors, der durch landwirtschaftliche Konzerne geprägt sei, aber intelligent umgesetzt werden, damit die familiären Strukturen der hiesigen Landwirtschaft nicht zerschlagen werden.
Problematisch an der Preis-Situation für die heimischen Betriebe sei, dass die Kosten für Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Diesel weiterhin auf hohem Niveau liegen und die schwachen Erzeugerpreise nicht zur Kostendeckung ausreichten.
„Zusätzlich macht die hohe Volatilität der Weltmarktpreise den Betrieben das Leben schwer. Schwankungen von 100 Euro rauf oder runter und immer unsicherere Erträge auf den Feldern erschweren uns Bauern das Wirtschaften“, machte der DBV-Chef deutlich – und sprach sich erneut für die Schaffung einer Risikoausgleichsrücklage durch die Bundesregierung aus. Denn die Einkommensverluste durch die Steuererhöhung beim Agrardiesel würden auch durch die vorgesehene Gewinnglättung bei weitem nicht ausgeglichen.
Rukwied forderte von Berlin eine neue Ausrichtung der Agrarpolitik und ein Zukunftsprogramm Landwirtschaft. Leider setzte die Bundesregierung weiterhin nur auf das Ordnungsrecht und die Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten für die Betriebe und die Wissenschaft.
Ernte in Hessen hat gerade begonnen
Für den Hessischen Bauernverband (HBV) zog Präsident Karsten Schmal ein erstes Resümee des Anbaujahres 2023/2024. „Die Ernte hat bei uns in Hessen gerade erst begonnen und zu den Erträgen kann man daher noch nichts sagen. Fakt ist aber: Es hat einfach zu viel geregnet, was auch bei den Qualitäten durch ein erhöhtes Krankheitsaufkommen Spuren hinterlassen haben könnte. Das Getreide braucht nicht nur Wasser, sondern auch Sonne, um Energie ins Korn einzulagern“, verdeutlichte Schmal die Situation.
In Nordhessen habe es zuletzt einige Unwetter gegeben, die zu lagernden Getreidebeständen geführt hätten. In Südhessen seien etliche Flächen dem Hochwasser beziehungsweise der Staunässe zum Opfer gefallen. Bei den Sonderkulturen habe die anhaltende Nässe in vielen Erdbeer-Beständen zu Fäulnis geführt.
„Im Grünland sieht es deutliche besser aus. Allerdings haben Betriebe, die vor allem Heu ernten, zum Teil noch nicht einmal den ersten Schnitt einholen können, weil sich einfach kein Heuwetter einstellen will“, führte Schmal aus. In seinem Betrieb am Edersee habe er schon drei Silageschnitte mit guten Ergebnissen einbringen können, nur die Befahrbarkeit sei hin und wieder problematisch gewesen.
Sorge mache ihm derzeit der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Südhessen, der für die betroffenen Betriebe eine große Belastung darstelle. „Die Börden haben hier schnell reagiert, um die Situation im Griff zu behalten“, betonte Schmal.
In der Wetterau sind trockene Jahre die besseren
Gastgeber Dr. Matthias Mehl stellte zum Abschluss seinen Betrieb vor. Er bewirtschaftet mit seiner Familie in sechster Generation einen Ackerbaubetrieb mit Zuckerrübenanbau sowie Getreidesaatgutvermehrung in Nieder-Erlenbach nahe Frankfurt. Darüber hinaus betreibt er seit 2009 eine Photovoltaikanlage.
„Die Unwetter sind bei uns glimpflich verlaufen und wir konnten am Wochenende die erste Gerste dreschen. Für unsere guten Wetterauer Böden gilt, dass die trockenen Jahre meistens die besseren sind.“ Die Ergebnisse für 2024 blieben aber noch abzuwarten.
KB – LW 27/2024