„Nährstoffbedarf und Nährstoffversorgung von Pflanze und Tier“ lautete das Generalthema des 126. VDLUFA-Kongresses, der unter der Schirmherrschaft von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt vom 16. bis 19. September in Stuttgart-Hohenheim stattfand. Etwa 350 Teilnehmer aus Hochschulen, Forschungs- und Untersuchungseinrichtungen sowie privaten Firmen diskutierten dieses Thema auch vor dem Hintergrund der Novellierung der Düngeverordnung.
Die etwa 50 Vortrags- und Posterbeiträge aus dem Bereich Pflanzenernährung und Düngung beschäftigen sich vor allem mit den Fragen
Handwerkszeug zur Düngerbedarfs-Ermittlung
Für die Ermittlung des Stickstoffdüngerbedarfs hat sich in Deutschland seit Jahrzehnten die Nmin-Methode, in Zuckerrübenanbauregionen auch die EUF-Methode etabliert. Prof. Klaus Dittert von der Georg-August-Universität Göttingen erläuterte, dass die rasche Entwicklung der Informations- und Fernerkundungstechnologie zusammen mit inzwischen hoch-präzisen GPS-Systemen in Zukunft auch für kleinere Betriebe eine kostengünstige Option für die genauere Steuerung der Stickstoffversorgung schaffen wird, so dass diese Systeme zumindest in Ergänzung zur etablierten Bodenuntersuchung zunehmend Eingang in die landwirtschaftliche Praxis finden werden.
Prof. Urs Schmidthalter von der Technischen Universität München zeigte hierzu die verschiedenen Möglichkeiten von N-Sensoren (Lichtreflexionsmessungen) und digitalen Bodenkarten mit Informationen über das Ertrags- und N-Nachlieferungspotenzial auf. Er stellte insbesondere die Vorteile einer Kombination von Bodenkarten mit N-Sensormessungen heraus, wodurch vor allem eine Überdüngung auf ertragsschwachen Teilflächen vermieden und je nach Standort eine Verbesserung der N-Effizienz zwischen 10 und 30 Prozent erzielt werden kann.
Bei Phosphat fehlt eine EU-harmonisierte Erfassung
Im Gegensatz zur Nmin-Methode, die den mineralischen Stickstoff in Form von Nitrat im Boden vollständig erfasst, beschränkt sich die Bodenuntersuchung bei Phosphat auf eine pflanzenverfügbare Fraktion, die mit unterschiedlichen Extraktionsmitteln erfasst wird. Dr. Heide Spiegel von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit stellte in ihrem Vortrag die verschiedenen Ansätze der P-Düngerbedarfsermittlung in Europa vor. In vielen unserer Nachbarstaaten wird zwar übereinstimmend pflanzenverfügbare Phosphat aus dem Boden extrahiert, der Boden in Gehaltsklassen eingeteilt und der Düngerbedarf aus Feldversuchen abgeleitet, die verwendeten Extraktionsmittel, die Einbeziehung zusätzlicher physikalischer Bodenparameter und die Ableitung der Düngeempfehlung aus Düngeversuchen sind jedoch je nach Land sehr unterschiedlich.
Dies führt dazu, dass die Düngeempfehlungen unter vergleichbaren Produktionsbedingungen in den einzelnen Ländern sehr stark voneinander abweichen können. Dementsprechend ist es noch ein weiter Weg zu einer harmonisierten Düngeempfehlung in Europa.
Das derzeitige, auf einer CAL-Extraktion und einem 5-Gehaltsklassensystem beruhende Verfahren der P-Düngeempfehlung in Deutschland wurde von Prof. Müller von der Universität Hohenheim sehr kritisch hinterfragt. Dies machte er grundsätzlich an der nur schwachen Beziehung zwischen extrahierbaren P-Gehalten im Boden (also dem Ergebnis der Bodenuntersuchung) und dem durch P-Düngung erzielbaren Mehrertrag fest. Er forderte, dass Bodenuntersuchungen in Zukunft auch das organische Phosphat im Boden berücksichtigen und dass Düngeempfehlungen innovative Dünger und Düngungstechniken einbeziehen sollten. Insgesamt müsse jede Düngeempfehlung langfristig eine Düngung auf Abfuhr, also ausgeglichene P-Bilanzen zum Ziel haben.
Unausgeglichene Bilanzen bei der Nährstoffversorgung
Dass sich Deutschland, ganz im Gegensatz zu der Forderung von Prof. Müller, regional immer mehr auf unausgeglichene Nährstoffbilanzen zubewegt, zeigten verschiedene Referenten. So verdeutlichte Prof. Dittert in seinem Beitrag das regional extrem unterschiedliche Aufkommen an Wirtschaftsdüngern und Gärresten, was zu erheblichen P-Bilanzüberschüssen, pflanzenbaulich nicht erforderlich hohen P-Gehalten im Boden und entsprechenden Umweltgefährdungen in Regionen mit hoher Dichte an Nutztieren und Biogasanlagen führt.
Umgekehrt führte die Vernachlässigung der P-Düngung in verschiedenen Ackerbauregionen (Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern) zu einem Rückgang der P-Versorgung der Böden. Entsprechende Ergebnisse wurden in Sachsen auch für Mikronährstoffe ermittelt.
Ungeachtet dieser Einzelergebnisse wurde auch auf dem diesjährigen VDLUFA-Kongress wieder deutlich, dass es bedauerlicherweise keine bundesweite Auswertung der Bodenuntersuchungsergebnisse gibt, so dass eine Darstellung der Auswirkungen positiver oder negativer Nährstoffsalden auf die Nährstoffgehalte im Boden flächendeckend nicht möglich ist.
Ein hervorragendes Beispiel dafür, was diesbezüglich möglich wäre, präsentierte Dr. Übelhör für Baden-Württemberg. Hier sammelt das LTZ Augustenberg seit fast 20 Jahren im Rahmen der Labornotifizierung die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen von den zugelassenen Privatlaboren. Daraus werden in anonymisierter Form Karten der Nährstoffversorgung (P, K, Mg, pH) der Böden, differenziert nach Acker, Grünland, Obst und Reben herabgebrochen bis auf die Gemeindeebene erstellt und im Internet zugänglich gemacht.
Insgesamt besteht kein Zweifel, dass der regional sehr unterschiedliche Anfall an organischen Düngern eines der
größten Probleme für eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung der Pflanzen darstellt. Demensprechend besteht dringender Bedarf für Innovationen hinsichtlich Lagerung, Transportwürdigkeit und Aufbereitung. Prof. Dittert wies in seinem Vortrag aber eindringlich darauf hin, dass alle Maßnahmen zur besseren Nährstoffverteilung auch ökonomisch, zum Beispiel aufgrund zu langer Transportwege, an ihre Grenzen stoßen werden, wenn die Konzentrierung der Tierhaltung ungebremst fortgesetzt wird.
Humusbilanzen in Bio- und konventionellen Betrieben
Neben der Versorgung von Boden und Pflanze mit Nährstoffen beschäftigen sich einige Referenten mit dem Thema Humusversorgung des Bodens. Prof. Thomas Ebertseder von der Hochschule Weihenstephan stellt die neue Version des VDLUFA-Standpunktes „Humusbilanzierung“ aus dem Jahre 2014 vor, an dessen Erarbeitung sich 40 Wissenschaftler beteiligt haben.
Wesentliche Änderungen zur ersten Version des Standpunktes aus dem Jahre 2004 sind die Erweiterung des Wertebereiches für den Humusreproduktionsbedarf humuszehrender Kulturen sowie die Angabe einer klaren und eindeutigen Empfehlung, unter welchen Bedingungen untere, mittlere oder obere Bedarfswerte zu verwenden sind. Damit sowie durch die Aufnahme einer zusätzlichen Tabelle zur Bewertung der Humussalden in ökologisch wirtschaftenden Betrieben steht jetzt erstmals eine für beide Bewirtschaftungssysteme abgestimmte Methode zur Humusbilanzierung zur Verfügung.
Dünger für die Zukunft
Von wachsender Bedeutung ist auch die Frage, welche Düngemittel in Zukunft zur Deckung des Nährstoffbedarfs der Pflanzen eingesetzt werden sollen. Aufgrund des zunehmenden Anfalls von Nährstoffen aus der Tierhaltung (Futtermittelimporte) und des Bestrebens nach einem möglichst vollständigen Nährstoffrecycling wird der überbetriebliche Einsatz organischer Düngemittel weiter an Bedeutung gewinnen.
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht vor, die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken zu beenden; daher wird auch die Entwicklung von Technologien zur Nutzung der Nährstoffe im Klärschlamm noch mehr ins Blickfeld rücken. Anzustreben ist die Entwicklung von P-Recyclingprodukten mit hoher Düngerwirkung, die nach Untersuchungen der Justus-Liebig Universität Gießen am besten durch eine Ammon-Citrat-Extraktion erfasst werden kann.
Vielversprechende Gefäßversuchsergebnisse wurden von Dr. Martin Rex, Duisburg, vorgestellt, der zeigte, dass thermisch aufbereitete Klärschlamm-Aschen eine vergleichbare P-Wirksamkeit haben können wie Triplesuperphosphat. Nach einem Ansatz der Arbeitsgruppe um Prof. Appel, FH Bingen, wird dagegen Klärschlamm nicht verbrannt, sondern bei etwa 500 °C carbonisiert. Dadurch sollen organische Schadstoffe abgebaut werden; die P-Wirkung der karbonisierten Klärschlämme wird derzeit untersucht.
Nährstoffversorgung am Ernteprodukt ausrichten
In einem weiteren Themenkreis beschäftigten sich verschiedenen Referenten mit der Thematik des Einflusses der Nährstoffversorgung auf die Qualität pflanzlicher Produkte. Prof. Wiesler, LUFA Speyer, plädierte in seinem Vortrag dafür, dass nachhaltige pflanzliche Produktionssysteme neben der Ertragsbildung der Kulturpflanzen, deren äußere, ernährungsphysiologische und technische Qualität (Produktqualität) und auch die Auswirkungen der Produktion auf die Umwelt (Produktionsqualität) berücksichtigen sollten.
Er zeigte anhand einer Vielzahl von Beispielen auf, dass zur Erzielung der maximalen Qualität teilweise ein höherer, teilweise aber auch ein niedrigerer Nährstoffbedarf besteht als zur Erzielung des maximalen Ertrags. Ähnliche Beziehungen zwischen Nährstoffversorgung und Produktqualität bestehen im Hinblick auf unerwünschte Pflanzeninhaltsstoffe (z.B. Nitrat in Gemüse) oder technische Reaktionsprodukte in pflanzlichen Erzeugnissen (z.B. Acrylamid in Frittierprodukten).
Auf Basis dieser Wirkungen der Nährstoffversorgung auf die Produkt- und Produktionsqualität leitete der Referent Konsequenzen für die Düngungspraxis ab (Verzicht auf das Ertragsmaximum) und zeigte mögliche Alternativen zur Düngung (z.B. Qualitätszüchung, Diversifikation von Nahrungs- und Futtermitteln, Ergänzung mit Nährstoffen) auf.
Spezifischere Beiträge beschäftigten sich mit der Erzeugung qualitätsgerechter Winterbraugerste durch bessere Sorteneigenschaften und zielgerechtere N-Düngung (Dr. Meyer, Bernburg), Möglichkeiten der N-Düngereinsparung bei Winterweizen durch verbesserte Vorhersage der Backqualität mittels Nahinfrarot-Spektroskopie (Dr. Rühl, Braunschweig) und der Verminderung von N-Bilanzüberschüssen in Gemüsebaubetrieben bei Aufrechterhaltung hoher äußerer Qualitäten durch ein integriertes N-Management (Dr. Armbruster, LUFA Speyer).
Interdisziplinäre Ansätze erforderlich
Eine besondere Herausforderung stellte die Herausarbeitung möglicher Widersprüche einer optimalen Nährstoffversorgung von Pflanzen und Tieren dar. Prof. Karl-Heinz Südekum (Rheinische Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn) wies in seinem Plenarvortrag auf die sehr hohen Nährstoffansprüche von Hochleistungstieren hin, die häufig ohne zusätzliche Verabreichung von Mineralstoffen (Supplementierung) nicht gedeckt werden können.
Ein besonderes Risiko bestehe, wenn eine optimale Nährstoffversorgung von Pflanzen, beispielsweise mit Kalium, zu einer Überversorgung von Tieren und in Folge davon zum Kalium-/Magnesium-Antagonismus bei Wiederkäuern führt.
Letztlich wurde auf dem Kongress sehr deutlich, dass sowohl seitens der Pflanzen- als auch der der Tierproduktion Kriterien für die optimale Nährstoffversorgung von Pflanze und Tier präziser definiert und angemessen zwischen den Disziplinen kommuniziert werden müssen. Das heißt, die Disziplinen müssen – bei allem Zwang zur Spezialisierung – den Austausch und die Kooperation mit den Nachbardisziplinen nachhaltig intensivieren.
Nahrung produzieren und Ökosysteme erhalten
Dieser Austausch muss weitere Disziplinen beziehungsweise Aspekte mit einbeziehen, wie Prof. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität Kiel über die Nährstoffversorgung von Pflanzen und Tieren im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie aufzeigte. Er plädierte für das Modell einer multifunktionalen Landnutzung nach Effizienzkriterien, wobei Produktions-, Biodiversitäts-, Wasserschutz- und Klimaschutzfunktionen so erfüllt werden sollten, dass sich insgesamt eine hohe Ökoeffizienz ergibt.
Übergeordnetes Ziel der der Landnutzung sei die Steigerung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion bei gleichzeitiger Erhaltung wesentlicher Ökosystemfunktionen. Dieses Ziel könne durch eine „nachhaltige Intensivierung“ erreicht werden, wovon Deutschland aber vor allem im Umweltbereich noch weit entfernt sei. Dies zeige das Nichterreichen von Umweltzielen, wie sie in der Nitratrichtlinie, der NEC-Richtlinie, der Wasserrahmenrichtlinie und der Nationalen Biodiversitätskonvention formuliert sind.
Spezialisierte Höfe werden virtuelle Gemischtbetriebe
Die Akzeptanz intensiver Landnutzung sei auf das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen angewiesen. Prof. Taube zeigte Potenziale zur Steigerung der Ökoeffizienz durch Gemischtbetriebsansätze auf, die nicht die Spezialisierung des Einzelbetriebs aufheben müssen, sondern regional ein Miteinander von spezialisierten Betrieben organisieren. Dies könne beispielsweise durch Transport von organischen Düngern aus Tierhaltungsbetrieben in Marktfruchtbetriebe oder den temporären Flächentausch zur Erweiterung von Fruchtfolgen praktiziert werden.
Insgesamt trug der Kongress zu einem besseren Verständnis des Nährstoffbedarfs und der Nährstoffversorgung von Pflanze und Tier im Spannungsfeld Produktion, Qualität und Umwelt bei. Kongressbände mit den Beiträgen der vergangenen Jahre können von der Geschäftsstelle des VDLUFA in Speyer bezogen beziehungsweise von der Homepage des VDLUFA kostenfrei heruntergeladen werden. Der Kongressband 2014 erscheint Anfang kommenden Jahres.
Prof. Franz Wiesler, LUFA Speyer – LW 43/2014