In einem neu entworfenen Beratungsangebot des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) kann ab sofort die übliche Betriebsberatung im Rahmen der „Tierwohlberatung Schwein“ durch eine Videoaufzeichnung der Tiere ergänzt werden. Durch die detaillierte Tierbeobachtung sollen ungünstige Haltungsbedingungen sowie daraus resultierende Kannibalismusprobleme innerhalb des Betriebs frühzeitig erkannt und praxisnah verbessert werden. Mareike Albert, Beraterin für Schweinehaltung, stellt dazu ihre Erfahrungen mit der Kamera vor.
In den letzten Jahren konnten in der deutschen Schweinehaltung sehr gute Leistungssteigerungen erzielt werden. Dadurch sind jedoch die Ansprüche der Tiere in Bezug auf ihre Haltungsumwelt enorm angestiegen. Dabei wird ein Landwirt immer häufiger mit den Themen Wasserversorgung, Klimaführung, Futterzusammensetzung und Beschäftigungsmaterial konfrontiert. Befindet sich nur einer der Bereiche im Ungleichgewicht, kann es schnell zu Schwanz- und/oder Ohrenbeißen im Betrieb kommen. Der „Täter“, beziehungsweise die Ursache, ist im ersten Augenblick oft schwierig zu ermitteln und der Landwirt hat zunächst alle Hände voll zu tun, die Tiere abzulenken und die Situation in den Griff zu bekommen. Bei anhaltenden Problemen werden häufig externe Vertrauenspersonen wie zum Beispiel der zuständige Tierarzt oder ein Berater hinzugezogen.
Beobachtung ohne Ablenkung
Während des Stallrundgangs sind die Tiere meist durch die Personen im Abteil abgelenkt und nur selten kann ein akutes Beißgeschehen beobachtet werden, beziehungsweise dass der Täter sich zu erkennen gibt. Genau an diesem Punkt knüpft die Videoaufzeichnung im Abteil an. Sobald der Landwirt das Abteil verlässt, gehen die Tiere wieder ihrem üblichen Tagesgeschäft nach. Dieses Verhalten kann mithilfe der Videoaufzeichnung festgehalten werden, ohne dass die Tiere durch den Menschen als Beobachter abgelenkt werden. Bei einem akuten Beißgeschehen kann dann genau beobachtet werden, welches Tier wann und vor allen Dingen in welchem Funktionsbereich in der Bucht beißt beziehungsweise untypisches Verhalten zeigt. Diese Erkenntnis kann die Ursachen für die zugrundeliegende Problematik erheblich eingrenzen, da bei einem Kannibalismusproblem oft mehrere Faktoren gleichzeitig berücksichtigt werden müssen. Wichtig ist vorab ein intensiver, vertrauensvoller und neutraler Informationsaustausch zwischen der Beraterin und dem Landwirt und falls vorhanden auch den zusätzlichen Mitarbeitern im Schweinestall, da diese ihre eigenen Tiere am besten kennen und alle Auffälligkeiten der letzten Tage oder Wochen genauer schildern können.
Schnelle Aufnahme und Auswertung
Auf eine zügige Aufnahme und Auswertung des Videomaterials wird in dem Beratungsangebot großer Wert gelegt. Wenn der Landwirt sich mit einem akuten Problem an die Beraterin wendet, wird daher versucht, am darauffolgenden Tag die Kameratechnik im Betrieb zu installieren. Hierfür wird die Videokamera in einer luftdicht verschließbaren Kunststoffbox befestigt und über der entsprechenden Bucht angebracht. Bisher können 11 Stunden am Stück aufgezeichnet werden. Nach Ende der Aufzeichnung wird die Kamera wieder abgeholt und schnellstmöglich ausgewertet, sodass der Landwirt im optimalen Fall am darauffolgenden Tag erste Informationen durch die Beraterin erhält. Die Auswertung des Materials erfolgt mithilfe eines speziellen Programms, welches ebenfalls die Erstellung eines Kurzfilms (circa 10 bis 15 Minuten) aus wichtigen Schlüsselszenen ermöglicht. Dieser Kurzfilm wird mit dem Landwirt in einem Beratungsgespräch analysiert und mögliche Maßnahmen zur Lösung des Problems werden besprochen.
Reaktion der Tiere auf neue Maßnahmen beobachten
Doch nicht nur für Betriebe mit akuten Kannibalismusproblemen kann die intensive Tierbeobachtung von Nutzen sein. Auch für Betriebe, die wissen möchten, wie die Tiere sich innerhalb der Bucht verhalten und diese annehmen, kann die Videoanalyse hilfreich sein und das Management weiter optimieren. Ebenso kann bei Änderungen innerhalb der Bucht wie zum Beispiel Änderungen der Fütterungszeiten, Vorlage verschiedener Beschäftigungsmaterialien oder Installationen neuer Tränketechniken, die Reaktionen der Tiere auf diese Maßnahmen beobachtet und beurteilt werden.
Kameratechnik bereits erfolgreich im Einsatz
In zwei Pilotbetrieben konnte die Kameratechnik bereits erfolgreich eingesetzt werden und den Betriebsleitern wertvolle Informationen zu dem Tierverhalten liefern. In weiteren drei Betrieben werden innerhalb der kommenden Wochen ebenfalls Videos zur Analyse des Tierverhaltens aufgenommen.
Bei Interesse und Rückfragen zu diesem Beratungsangebot kann man sich direkt bei der Beraterin Mareike Albert, Fachgebiet Beratungsteam Tierhaltung, melden: 05622/9777113, 0172/9047673, mareike.albert@llh.hessen.de.