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Frankfurt plant auf 550 Hektar neuen Stadtteil

Landwirtschaftliche Betriebe in Existenz bedroht

Die Stadt Frankfurt wird einen neuen Stadtteil bauen. Darauf hat sich vergangene Woche die im Römer regierende Koalition aus CDU, Grünen und SPD geeinigt. Damit will die Stadt den hohen Bedarf an Wohnraum decken, der durch den permanent hohen Zuzug besteht. Das Gebiet ist 550 Hektar groß und erstreckt sich im Westen der Stadt von Praunheim bis nach Niederursel und reicht an die Grenzen von Eschborn, Steinbach und Oberursel. Es handelt sich fast ausschließlich um landwirtschaftliche Flächen. Einige Betriebe sind in ihrer Existenz bedroht.

Nach Frankfurt zieht es viele Menschen. Wertvolles Ackerland muss jetzt einem neuen Stadtteil im Westen weichen. Foto: imago images/Wiegand Wagner

Auf der Bruttobaulandfläche von rund 190 Hektar könnten laut Stadt zwischen 8 550 und 11 400 Wohnungen entstehen. Der neue Stadtteil könnte damit bis zu 30 000 Bürgern ein neues Zuhause bieten. Wie Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), Stadtkämmerer Uwe Becker(CDU) und die Stadträte Stefan Majer (Grüne) und Mike Josef (SPD) vergangene Woche auf einer Pressekonferenz erläuterten, soll der neue Stadtteil als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme vorangetrieben werden, um die Bodenpreise zu halten und Grundstücksspekulationen zu verhindern. Die Stadt kann in diesem Fall die Grundstücke zu dem Preis erwerben, den sie hatten, bevor das Areal zum Neubaugebiet wird. Dieses Verfahren wurde auch schon vor Jahren beim neuen Stadtteil am Riedberg angewendet.

Betriebe in ihrer Existenz gefährdet

Bei dem Gebiet handelt es sich um beste Lößstandorte. Etliche landwirtschaftliche Betriebe werden durch den Bau des neuen Stadtteils betroffen sein. Für einige wird es voraussichtlich die Existenz gefährden oder das Aus bedeuten. Martin Stark aus Niederursel wird 80 Hektar Ackerland durch den Bau des neuen Stadtteils verlieren. „Ich kann dann nicht mehr existieren“, sagt der 41-jährige Landwirt dem LW. Er ist aufgewühlt. Das gravierende: Stark hat mit seiner Familie erst vor rund einem Jahr seine Hennenhaltung auf jetzt 36 000 Tiere erweitert und vier neue Hallen (zwei Ställe, Sortierund Verpackungshalle sowie Kotlager) gebaut. Investitionskosten: rund 3,3 Mio. Euro. Ohne Fläche fehlt ihm die Futtergrundlage für seine Hennen. Er vermarktet über die Landmarktschiene von Rewe und ist deshalb auf Regionalität ausgerichtet und davon abhängig. Ein gewerblicher Betrieb ohne eigene Fläche wäre auch finanziell uninteressant.

Abgesehen von den 5 Hektar eigener Fläche hat Stark die Ackerflächen in Niederursel gepachtet. Sie befinden sich im Eigentum der Stadt und städtischer Stiftungen. Stark will sich jetzt juristisch beraten lassen. Von den Planungen hat Stark natürlich nichts ahnen können. Er setzt darauf, sich mit der Stadt an einen Tisch zu setzen, um über eine Lösung zu beraten. Schließlich geht es hier um eine Existenzgefährdung. Neben Stark arbeiten vier Personen, ein Lehrling und drei Angestellte, auf dem Betrieb. Seine zwei Berufskollegen in Niederursel sind genauso betroffen, sagt Stark.

Wie Dr. Matthias Mehl, Vorstand des Regionalbauernverbandes Wetterau/Frankfurt und ehrenamtlicher Stadtrat in Frankfurt, dem LW erläuterte, bestehe ein enormer Druck, neuen Wohnraum zu schaffen. Da-gegen könne sich keine Fraktion im Sinne des Schutzes landwirtschaftlicher Flächen stellen. Die Alternative, das Bauen auf dem Pfingstberg, eine Idee des Oberbürgermeisters, die nach dessen Aussage jetzt auf Eis liege, wäre für die Landwirtschaft auch nicht besser gewesen.

Für das Gebiet im Westen Frankfurts sprach aus Sicht der Stadt auch die Tatsache, dass ihr oder stadtnahen Stiftungen bereits rund 40 Prozent des Gesamtareals gehören. Wie die notwendigen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden, ist noch unklar. Stadtrat Majer sprach auf der Pressekonferenz von „Landschaftsbrücken“. Das könnten beispielsweise Brücken über die A5 sein. „Das hätte den Vorteil, dass möglichst viele Ökopunkte verbaut würden, aber wenig zusätzliche Fläche verbraucht würden“, sagt Mehl.

Die jetzige Variante hat nach den Aussagen der Planer den Vorteil, dass das neue Stadtgebiet organisch an das vorhandene Stadtgebiet und die Infrastruktur angebunden werden kann. Zunächst werde das Gebiet zwischen der Stadt und der A5 erschlossen. In etwa zehn Jahren könnten die ersten Wohnungen fertig sein.

CM – LW 24/2017