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Freiheit, Gerechtigkeit und Mitbestimmungsrecht

500 Jahre Bauernschlacht Pfeddersheim

Mit einem beeindruckenden Programm erinnerte Worms-Pfeddersheim von 18. bis 22. Juni an die Bauernschlacht vom 24. Juni 1525, die das Ende des Bauernkrieges einläutete. Nach zwei Jahren unermüdlichen ehrenamtlichen Engagements für die Vorbereitungen hatte man den Eindruck, dass der gesamte Ort involviert war. Die Kulturinitiative Pfeddersheim hielt die Fäden in der Hand. Vom Festakt am Eröffnungsabend, über eine Weinwanderung der Pfeddersheimer Winzer und Händlerständen mit historischen Attraktionen bis zum musikalischen Theaterstück „Pfeddersheimer Schicksalstage 1525“ spannte sich der Bogen.

Der Pfeddersheimer Projektchor zum Gedenken an die Bauernschlacht vor 500 Jahren mit 40 Sängerinnen und Sängern. Foto: Bettina Siée

Der Eröffnungsabend, moderiert von Oliver Knab, startete mit dem historischen Rückblick. Wie die Überlieferung sagt, gewährte am 23. Juni 1525 die Freie Reichsstadt Pfeddersheim 8 000 Bauern Einlass in die Stadt, die ebenfalls gegen die Obrigkeit aufbegehrte. Wenige Stunden später kam es zur Belagerung und am 24. Juni 1525 auf Geheiß des Pfalzgrafen Ludwig der V. zur Schlacht mit 6 500 Mann mit schwerem Geschütz. Dem begegneten die Bauern mit Mistgabeln und Dreschflegel.

Menschen wollten Freiheit und Mitspracherecht

Am Ende des Tages waren 4 000 Mann gefallen, weitere 800 Bauern wurden gefangen genommen und nach einem Fluchtversuch auf dem Hohlweg nach Mörstadt erstochen. Die Sache der Bauern war verloren. Im Volksmund wird der Weg seither „die Bluthohl“ genannt – das Blut soll die Straße heruntergelaufen sein. Der Pfalzgraf ließ die restlichen Gefangenen hinrichten. Pfalzgraf Ludwig der V. erhielt den Beinamen der Friedfertige – welcher Hohn.

In Erinnerung an die Menschen, die vor 500 Jahren gestorben sind, wurde eine Kerze entzündet. Sie forderten Freiheit, Gerechtigkeit und Mitbestimmung – über Jahrhunderte immer wieder aktuelle Themen und auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Erst mit der Französischen Revolution 1789 und der Mainzer Republik 1793 setzten sich die Ideale durch.

Ortsvorsteher Jens Till: „Was hier geschah war ein Wendepunkt. Ideale ließen sich nicht ersticken. Die Niederlage war furchtbar, aber ein Keim war gesät – für die Freiheit.“ 500 Jahre nach diesem historischen Ereignis haben die Vorbereitungen für das Schauspiel, den Festakt und den Markt die Einwohner zusammengebracht. Till sprach seine höchste Anerkennung für das geleistete ehrenamtliche Engagement aus. „Gemeinsinn und Solidarität sind das Fundament unseres Zusammenlebens“, so der Ortsvorsteher.

Die Kulturini­tiative Pfeddersheim hielt die Fäden in der Hand, federführend Detlef Kettner und Simon Knab. Jürgen Pfitzner hat hauptverantwortlich ein Theaterstück geschrieben. Er spielte selbst mit und trieb den Zehnt für den Pfalzgrafen ein. Die Handlung ist weitgehend chronisch belegt. Weil in den Quellen die Frauen zu kurz kamen, nahm sich Pfitzner die Freiheit zu ergänzen, denn Frauen hatten eine wichtige Rolle. Im Mittelpunkt des Stücks steht die Frage, warum sich Pfeddersheim auf die Seite der Bauern stellte.

Bei Pfeddersheim war eine der letzten Bauernschlachten

Gunter Mahlerwein, Lehrbeauftragter der Gutenberguniversität Mainz, hielt den Festvortrag und ordnete die Bauernschlacht historisch ein. Die Schlacht bei Pfeddersheim war eine der letzten während des deutschen Bauernkrieges. Mahlerwein stellte klar, dass es nur eine einseitige Beschreibung der Vorgänge von damals gibt und zwar die Sicht des Pfalzgrafen, aufgeschrieben von seinem Hofschreiber, der sicher übertrieb, um Nachahmer abzuschrecken. Johann Weißheimer, Bürgermeister von Osthofen, habe Mitte des 19. Jahrhunderts über die Bauernschlacht geschrieben. Er war während der 1848er Revolution Politiker in der ersten Ständekammer des hessischen Landtags. Als Pfeddersheim 1525 die Stadttore öffnete, hatten sich Bauern und Bürger zusammengeschlossen und waren solidarisch. Es ging damals um die Aufhebung der Stände, den Zehnt und darum, den Pfarrer selbst zu wählen.

Blick in die Zukunft – raus aus dem fossilen Zeitalter

Den zweiten Festvortrag mit Blick in die Zukunft hielt Günter Felßner, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. „Vor 500 Jahren sind die Bauern gescheitert, heute können wir gestalten. Ernährungssicherheit gehört in das Grundgesetz“, sagte Felßner. „Damals war der Aufstand aus blanker Not und Existenzangst geboren. Die damaligen Herren haben überschwänglich gelebt, während andere das Brot nicht über Nacht hatten. Auch heute noch haben Menschen das Gefühl, nicht gehört zu werden“, fuhr Felßner fort.

Die Bauernkriege forderten 70 000 Tote. Es hat 250 Jahre gedauert, bis wieder Menschen aufgestanden sind. „2023 gingen die Bauern wieder auf die Straße, aber sie leben Demokratie und sind Vorbild. Die Demonstrationsorte verließen sie sauberer als sie sie vorgefunden hatten“, erklärt Felßner. Es gehe um die Ernährungssicherung der Bevölkerung, denn aus Hunger entstehen Krisen. Deshalb sei die Agrarpolitik die Mutter der Politik. „Wir müssen uns wieder selbst versorgen können. Und raus aus dem fossilen Zeitalter“, forderte Felßner. Die Ernährung müsse im Einklang mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz sichergestellt werden, durch multifunktionale Nutzung. Felßner setzt auf regenerative Energie wie Wind, Holz, Sonne. Fossile Stoffe wie Erdöl müssten schnell ersetzt werden durch abbaubare Kunststoffe auf Pflanzenbasis. Dafür brauche es genetische Vielfalt, gesunde Böden und drei Ernten im Jahr. Dabei müssten Ressourcen geschützt werden. Tierhaltung müsse neu gesehen werden, hier werde Kohlenstoff gebunden.

Menschen wollten Freiheit und Mitspracherecht

Janosch Littig, Staatssekretär im Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz, überbrachte Grüße von Minis­ter­präsident Alexander Schweitzer und würdigte die Bedeutung der Bauernkriege für spätere Demokratiebewegungen. „Das herausragende Ereignis, dass mutige Menschen für Freiheit und mehr Mitspracherecht gekämpft haben, feiern wir. Was damals die Menschen bewegte, ist noch heute aktuell. Freiheit braucht jeden von uns, sie muss von jeder Generation neu gestaltet werden“, so Littig.

Volker Gallé, Experte für historische Lieder und die Geschichte Rheinhessens, lockerte mit politischen Liedern der damaligen Zeit die Veranstaltung auf. Mit stehendem Applaus dankte das Publikum dem Projektchor, der 40 Sänger und Sängerinnen motivieren konnte.

bs  – LW 27/2025