Zu einer Vortragsveranstaltung mit dem Thema „gesundes Stallklima in der Kälberaufzucht“ hatten vergangene Woche ZBH, HVL und LLH nach Breuna eingeladen. 50 Teilnehmer aus den Kreisen Waldeck-Frankenberg, Kassel und Schwalm-Eder waren dabei. Der Agrarjournalist Dr. Ernst-August Hildebrandt berichtet.
Tierarzt Thorsten Fröhlich von der tierärztlichen Gemeinschaftspraxis Hoffmeister- Gehring-Gleumes-Fröhlich, Marsberg, referierte über die Ultraschalldiagnostik von Atemwegserkrankungen (BRD = Bovine Respiratory Disease) bei Kälbern. Die sehr ernst zu nehmende Erkrankung kann sowohl bakteriell als auch viral verursacht sein und äußert sich bei den Kälbern meist durch Fieber, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Nasen- und Augenfluss, Husten und/oder hängenden Ohren. Folgen seien häufig ein schlechteres Wachstum und schlechte Leistungen bis hin zum Tod der betroffenen Kälber. Fröhlich stellt fest, dass bis zu 38 Prozent der Kälber in Deutschland an BRD erkranken und diese Krankheit in 5 bis 40 Prozent Verursacher der Kälbersterblichkeit ist.
Um 20 Prozent geringere Leistung nach BRD-Erkrankung
Nach Untersuchungen hatten Färsen, die durch BRD-Befall in der Aufzucht gehandicapt waren später eine um 20 Prozent verringerte Milchleistung. Die Kosten einer Atemwegserkrankung beziffert Fröhlich auf 90 (leicht) bis 234 Euro (schwer). Die hohe Anfälligkeit für BRD beim Rindvieh liegt nach Angaben des Tierarztes am relativ geringen Lungenvolumen (nur 30 Prozent von dem des Pferdes) und dem großen Sauerstoffbedarf (2½ mal so groß wie beim Pferd).
Um Atemwegserkrankungen vorzubeugen, sollten fünf C-Begriffe beachtet werden: „Calories“ für eine tiergerechte Energiezufuhr, „Comfort“ für einen optimalen Tierkomfort, „Cleanliness“ für penible Sauberkeit und Hygiene, „Consistence“ für konsequentes Handeln und „Colostrum“ für die Versorgung des Neugeborenen. Fröhlich bezeichnet das Kolostrum als Lebenselixier, von dem das Kalb in den ersten beiden Lebensstunden mindestens 2 Liter und nach 4 bis 6 Stunden weitere 2 Liter aufnehmen soll. Falls diese Mengen nicht erreicht werden, sollten 4 Liter gedrencht werden. Das wichtige erste Gemelk könne zudem bis zu 7 Tage im Kühlschrank gelagert werden, wobei zur Bildung einer Kolostrumbank auch 2-Liter-Portionen eingefroren werden können. Vor der Verabreichung an das Kalb müssen diese schonend im Wasserbad bei unter 50 0C aufgewärmt werden, um keine Inhaltstoffe zu schädigen. Denn das Kolostrum enthalte 60 mal so viele Immunglobuline, 18 mal so viel Prolaktin, 65 mal so viel Insulin, 155mal so viel IGF-1 und 7 mal so viel IGF-2 wie in Kuhmilch sowie 90 mal so viel Leptin wie beim Menschen. Fröhlich ergänzt, dass die optimale Kolostrumversorgung durch eine ausreichende Energiezufuhr, gute Haltungsbedingungen und eine Impfprophylaxe unterstützt werden soll.
Luftaustausch ohne Zugluft, viel Licht und saubere Einstreu
Gute Haltungsbedingungen zeigen sich durch ausreichenden Luftaustausch ohne Zugluft, Licht, saubere und trockene Einstreu, Reinigung und Desinfektion des Stalles bei Gruppenwechsel, keine Überbelegung und keine kontinuierliche Belegung. Eine Impfprophylaxe soll nur an gesunden Tieren durchgeführt werden und sei besser als häufige Behandlungen. Ohne die Optimierung von Haltung und Management sei ihr aber Erfolg ungewiss. Neu sei die Ultraschalldiagnostik, die nur wenig Zeit koste und einfach durchzuführen sei. Dabei müsse bei der Untersuchung beachtet werden, dass auch die vordersten und am häufigsten befallenen Lungenlappen unter der Schulter des Kalbes erfasst werden. In Testläufen seien alle erkrankten Tiere deutlich erkannt worden. Das Verfahren zeichne sich damit durch hohe Sensitivität und Spezifität aus und sei damit ein nützliches Werkzeug, um frühzeitig subklinisch erkrankte Tiere zu identifizieren und gegebenenfalls zu therapieren.
Dr. Peter Zieger vom Innovationsteam Milch Hessen referierte über das richtige „Stallklima in der Kälberaufzucht“. Kälberhütten seien nach wie vor populär, allerdings zeige sich in größeren Betrieben – vor allem in den USA – ein Trend zum Kälberstall. Die Gründe seien in den meisten Fällen witterungsbedingt.
Arbeitskomfort im Kälberstall besser
In Kälberställen seien auch die Arbeitsbedingungen der betreuenden Person besser: Sie sind bei der Versorgung des Kalbes vor Witterungsunbilden geschützt, können in aufrechter Haltung arbeiten und die Seitenwände sind im Vergleich zur Kälberhütte leichter zu reinigen. Die neuen Stallkonzepte gleichen Außenklimaställen für Kühe und zeichnen sich durch beine bessere Belüftung ohne Zugluft aus. Neu errichtete Ställe mit 10 m Breite und zwei Kälberboxenreihen werden mittels einem Lüftungsschlauch belüftet, breitere Anlagen erhalten einen weiteren Belüftungsschlauch. Auch bei Offenställen werden so zu jeder Jahreszeit Luftraten erreicht, die einen kompletten Gasaustausch in 15 Minuten vornehmen. Dabei wird die Luft von Außen zugeführt. Untersuchungen zeigen einen Rückgang der Atemwegserkrankungen um 50 Prozent. Danach bestand immer die höchste Erkrankungsgefahr, wenn im unbelüfteten Stall wegen Windstille kaum Luftaustausch stattfand.
Weniger Keime bei größeren Buchten
Ein weiteres wichtiges Kriterium für Infektionsgefahren bestand in der Größe der Buchten. So wurde die Keimbelastung auf ein Drittel reduziert, wenn dem Kalb statt 2,3 m² 4 m² zur Verfügung standen. Auch die Menge der Einstreu wirkte sich aus. „Gesunde Kälber versinken in gutem Stroh“, so das Credo des Referenten. Entscheidend sei hier die Nestbildung, die dem Kalb nur dann gelinge, wenn die Boxeneinstreu so tief sei, dass das Sprunggelenk vollständig in das Stroh einsinkt und von Stroh bedeckt ist. Hierbei entstehe ein günstiges Mikroklima, dass im Vergleich zu einer Minimaleinstreu die Atemwegserkrankungen auf 20 Prozent reduziere. Feste Seitenwände würden Querwinde vermeiden und ließen sich zum einen leicht reinigen, zum anderen bei Bedarf problemlos entfernen, womit eine Gruppenbildung von zwei und später mehr Kälbern gefördert wird.
Mittlerweile gebe es in den USA nah diesem Prinzip 5 000 neu erbaute Kälberställe. 9 von 10 verfügten über eine Schlauchbelüftung, die generell von Vorteil ist, da eine gute, zugfreie Belüftung die Keimbelastung im Stall signifikant reduzieren könne. Zieger führte Versuchsergebnisse an, wonach in einem Stall 60 000 kbE (kolonienbildende Einheiten) Keime pro m³ Luft festgestellt wurden, die sich durch Belüftung auf 8 400 kbE/m³ Luft reduzieren ließen. Schlauchbelüftungssysteme ließen sich auch in Altbauten unterbringen. Pro m Schlauchlänge fielen inklusive Ventilator und Montagematerial etwa 200 bis 300 Euro Investitionskosten an. Optimale Luftbedingungen für Kälber von 50 bis 100 kg genügen einem Bedarf von bis zu 14 m³ Luft/Std. Die Luftumwälzung muss im Winter mindestens viermal pro Stunde erfolgen. Die Luftgeschwindigkeit soll dabei unter 0,2 m/sec. liegen. Pro 1 000 m³ Ventilatorleistung brauche man 1 m² Abluftfläche. Unter diesen Bedingungen könne der Keimgehalt der Luft sicher unter 15 000 kbE/m³ gebracht werden. Seit 2014 habe sich die Druckbelüftung mit Belüftungsschläuchen auch in Deutschland etabliert. Nach Berichten der Tierhalter konnte der Antibiotikaeinsatz dabei um 80 bis 95 Prozent reduziert werden.
Schließlich werde sie zur Verbesserung des Stallklimas auch in Milchviehställen eingesetzt. Dabei wurde beobachtet, dass die Tiere an heißen Tagen vorzugsweise den Belüftungsstall aufsuchten. Um Leistungseinbußen durch Hitzestress zu reduzieren empfiehlt Zieger, die Belüftungsschlauchtechnik auch im Melkstand einzusetzen. Beim Milchvieh habe sich die Zahl der Mastitisbehandlungen in Belüftungsställen um 50 Prozent reduziert und die Tankzellenzahl sei um 10 Prozent zurückgegangen. Zur Zeit würden 148 Betriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Schlauchbelüftung mit Erfolg einsetzen. Über 90 Prozent würden über deutlich gesündere Kälber, weniger Atemwegsprobleme, bessere Wachstumsraten, deutliche Einsparungen bei Antibiotika und bessere Impferfolge berichten. Das Innovationsteam Milch Hessen hat einen Konzeptstall mit Schlauchbelüftung entworfen, der in verschiedenen Größen und Erweiterungsstufen umgesetzt werden kann (Infos unter ☎ 06172/7106-294).
Belüftungsschlauch in Altställen installiert Erfahrungen im Betrieb PohlmannHolsteinzüchter Christian Pohlmann aus Rhenegge (im Bild mit Ehefrau Bärbel) berichtete in Breuna über seine Erfahrungen bei der Kälber- und Jungviehaufzucht. Der Zuchtbetrieb Pohlmann verfügt über einen Tierbestand von 220 Milchkühen, 260 weibliches Jungvieh und 10 Zuchtbullen. Nach Erläuterung der betrieblichen Produktions- und Standortbedingungen, bei denen auch die Erzeugung und Vermarktung von Zuchttieren ein wichtiges Standbein darstellen, erläuterte der Praktiker den Aufwand für Gesundheitsmaßnahmen bei den Kälbern, Rindern und Kühen im Jahr 2014. Pro Tier liege der Betrieb mit etwa 21 Euro/Kalb (an erster Stelle Kryptosporidien-Prophylaxe = 38 Prozent des Behandlungsaufwands) mit 8,50 Euro/Jungrind (an erster Stelle Parasitenbekämfung = 49 Prozent) und 55 Euro/Kuh (an erster Stelle Mastitisbehandlungen = 26 Prozent) in einem günstigen Bereich. Die Medikamentenkosten würden so bei etwa 1 ct/kg Milch bei einer durchschnittlichen Jahresleistung von 10 701 kg liegen. Seit vergangenem Jahr habe man in Altställen, die zur Kälber- und Jungviehhaltung genutzt werden Belüftungsschläuche eingebaut. Gleichzeitig wurden Windschutznetze und in den Absetzerställen zur Entlüftung auf einer Stallseite die Fenster entfernt. Die Belüftungseinrichtungen funktionieren gut, sagte Pohlmann. Nach einer geplanten Aufstockung des Milchviehbestands auf 250 Milchkühe werde jedoch überlegt, ob in weiterer Zukunft ein neuer Kälberstall gebaut werden soll.
Hildebrandt