35/2021 Futterkrippe | Tipp der Woche | LW HEUTE

Futterkrippe nicht leer werden lassen

Ein leerer Futtertrog ist nicht für alle ein Alarmzeichen, die Kühe können ja wieder fressen, wenn frisch vorgelegt wird – aber: Die Zeit der reduzierten Futteraufnahme bringt Stress für das Verdauungssystem der Kuh und verursacht viel mehr Schaden, als vielen Erzeugern bewusst ist. Kühe brauchen einen gleichmäßigen Tagesablauf. Das Gleiche gilt für den Pansen und sein Mikrobiom. Im Idealfall gelangt ein ständiger Strom von Nährstoffen in den Pansen, der die Pansenbakterien und letztlich die Kuh selbst konstant mit Energie versorgt. Wenn der Futtertrog (fast) leer ist, kommt dieser Fluss zum Erliegen, wodurch wichtige metabolische und physiologische Prozesse beeinträchtigt werden und das Risiko für verdauungs- und immunologische Probleme steigt. Um die Störungen zu verstehen, die durch einen leeren Futtertisch verursacht werden, ist es wichtig, die vielfältigen Aufgaben des Magen-Darm-Trakts (MDT) der Kuh zu verstehen. Zur Verdauung von Futtermitteln gehört die Absorption von kurzkettigen Fettsäuren, Mineralien und anderen wichtigen Nährstoffen. Außerdem bildet der MDT die erste Verteidigungslinie des Immunsystems gegen Krankheitserreger und schädliche Substanzen. Weitere Funktionen sind der Austausch zwischen dem Wirt und dem Mikrobiom sowie die Erkennung von Nährstoffen. Eine reduzierte Futteraufnahme kann jede dieser Funktionen beeinträchtigen und zu systemischen Entzündungsreaktionen und einer veränderten Darmmorphologie führen. Außerdem ist bekannt, dass die Erholungsphase nach Zeiten der reduzierten Futteraufnahme sehr lang sein kann. Eine Studie zeigte zum Beispiel eine drastische pH-Wert-Absenkung, wenn die normale Futteraufnahme wiederhergestellt wurde. Eine weitere Studie zeigte eine 50-prozentige Verringerung der Absorptionsfläche des Pansens nach einer Periode geringer Futteraufnahme. Zeiten geringerer Futteraufnahmen haben also einen erheblichen Einfluss auf die langfristige Gesundheit von Milchkühen. Ein gutes Futtertischmanagement mit strikten Fütterungszeiten und Fütterungsprotokollen ist ein wichtiger erster Schritt. Die Vermeidung von Überbelegung, ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1:1, ist ebenfalls sehr zu empfehlen. Besondere Bedeutung hat auch das Transitmanagement. Ein rascher Rückgang der Futteraufnahme vor dem Kalben kann die Aufnahmefähigkeit des Pansens beeinträchtigen. In Verbindung mit einer hoch verdaulichen Ration können sich flüchtige Fettsäuren leicht im Pansen anreichern, was Frischabkalber besonders anfällig für eine subakute Pansenazidose macht. Einzelbetrieblich kann es sinnvoll sein, zwei oder drei Tage nach dem Abkalben eine grundfutterbetonte Ration anzubieten und erst dann auf eine Ration mit höherer Energiedichte umzustellen.

Sibylle Möcklinghoff-Wicke, I-Team Milch Hessen  – LW /2021