Der Imagewandel des deutschen Weines stand im Mittelpunkt des Weinzirkels am Dreikönigstag, zu dem sich die Weinbruderschaft Rheinhessen zu St. Katharinen im Undenheimer Weingut Junghof traf. Steffen Schindler, beim Deutschen Weininstitut (DWI) für Marketing national und international verantwortlich, erklärte, wie das Image des deutschen Weins in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut und mehrmals an neue Marktsituationen angepasst wurde.
Brudermeister Prof. Dr. Axel Poweleit prangerte die in den Medien erkennbare Reduzierung von Wein auf dessen Alkoholgehalt an. So intensiv wie nie werde der „Dry January“ propagiert. „Die gesellschaftliche Dimension der Weinkultur als Bestandteil unserer europäischen Kultur wird ausgeblendet“, so Poweleit. „Weinkultur ist ein beständiges, verlässliches Element in einer sich stetig verändernden Welt. Die Kernpunkte der Regularien der Weinbruderschaft haben seit der Gründung nichts von ihrer Aktualität eingebüßt.“
www.vitaevino.org – jetzt unterzeichnen
Der Brudermeister informierte über die Initiative „Vitaevino“ und appellierte an die Mitglieder, die Erklärung zu unterzeichnen. (www.vitaevino.org), um die Weinkultur zu unterstützen. Dafür machte sich auch Ehrenbrudermeister Otto Schätzel stark, der ergänzte, dass sich Weinschwester Daniela Schmitt als Weinbauministerin an die Spitze dieser Bewegung gestellt habe, die mit dem Konzept „Vitaevino“ (Leben und Wein) neue Botschaften formuliere.
Die Weinbruderschaft feiert ihr 55-jähriges Bestehen. Oppenheim, Gründungsstätte und Sitz der Weinbruderschaft, gedenkt ihrer 800 Jahre Stadtrechte. Dieses Jubiläum werde beim Frühlingsfest und Weinkulturseminar gewürdigt. Der Familienwandertag werde an die Bauernschlacht, die sich vor 500 Jahren bei Pfeddersheim ereignete, erinnern.
Steffen Schindler, seit 31 Jahren beim DWI, verdeutlichte die Bandbreite, um die sich das DWI zu kümmern habe: Deutschen Wein von Kellereien gebe es im Tetra Pak zu Preisen von 1,50 bis 1,80 Euro pro Liter, während Spitzenwinzer für einzelne Flaschen von besonderer Qualität durchaus 2 000 bis 3 000 Euro erzielen könnten. „Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war deutscher Wein der teuerste Wein der Welt und auf jeder guten Weinkarte der gehobenen Gastronomie zu finden “, erzählte Schindler. Oft habe der Begriff „Hock“ für deutschen Wein gestanden, weil Königin Victoria mit ihrem deutschen Ehemann Hochheim am Main besucht hatte, dessen Weine sie begeisterten. Statt „Hochheim“ sagte sie stets „Hockheim“, sodass sich „Hoc“ in England als Synonym für deutschen Wein etablierte.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war deutscher Wein international sehr erfolgreich, berichtete Schindler und zeigte Etiketten aus den 1960er Jahren. Mehr als 1 Mio. Hektoliter wurde zeitweise unter der Bezeichnung „Liebfrau(en)milch“ im Ausland vertrieben. Doch dann kamen trockene Weine und Rotweine zum Essen immer mehr in Mode. Zudem kamen Weinerzeuger aus Neuseeland, Südafrika, Australien, Argentinien und den USA ins Spiel und mit ihrem bisherigen Angebot trafen die deutschen Erzeuger nicht mehr die internationalen Vorlieben.
In den 1990er Jahren habe das DWI versucht, den deutschen Wein in seiner Vielfalt zu kommunizieren, erinnerte Schindler. 13 Anbaugebiete, verschiedene Qualitätsstufen, Geschmacksrichtungen und viele Bereiche, wie Großlagen, Einzellagen
sowie Erzeuger- und Gutsabfüllungen. Das Urteil „Deutscher Wein ist kompliziert“ war nachteilig für die Vermarktung.
Versuche, ausländischen Journalisten das deutsche Weinrecht zu erklären, waren wenig erfolgreich. Auch die Klischees, mit denen das Ausland Deutschland verbinde, waren bei der Weinvermarktung wenig hilfreich.
Beim DWI habe man lange diskutiert und schließlich entschieden, ab den 1970er Jahren im Ausland nur noch mit Riesling zu werben, dessen historisches Renommee noch nutzbar war. Im Jahr 2000 wurden „Classic“ und „Selection“ promoted. Die Marktforschung habe Ende der 1990er Jahre festgestellt, dass sich das Image des deutschen Weines gewandelt hatte. Das Interesse an deutschen Weinen hatte zugenommen, aber selten wurden sie als hochwertig oder gar begeisternd empfunden.
Renaissance des Rieslings durch Sommeliers
Um die Jahrtausendwende begann die Renaissance des Rieslings, unterstützt durch Fachautoren und Sommeliers in aller Welt. Das DWI habe damals bis zu 400 Journalisten, Weinhändler, Gastronomen und Sommeliers pro Jahr in die Anbaugebiete gebracht. Bei der Fußball-WM 2006 habe das DWI deutschen Wein weltweit beworben. „Wir haben das Thema ,German Riesling“ rauf und runter gespielt“, blickte Schindler anhand vieler beispielhafter Events zurück.
Spätburgunder ist dem Riesling zur Seite gestellt
2006/07 hat das DWI dem Riesling den Spätburgunder zur Seite gestellt. Damals habe man eine große Vergleichsprobe für Spätburgunder aus aller Welt durchgeführt und die deutschen schnitten extrem gut ab. Dies habe man mit Experten bei einer Blindverkostung von 40 dekantierten Spätburgundern in London wiederholt – sieben der zehn Besten waren aus Deutschland. Dies habe man weltweit gefeiert und in Asien mit ähnlichem Resultat wiederholt.
In den Jahren darauf wurden Grau- und Weißburgunder ins Programm aufgenommen, das mit einem „Pinot-Trio“ für deutschen Wein warb. Man habe begonnen in Norwegen bei Weinproben keinen Riesling mehr zu zeigen, sondern die anderen Rebsorten Deutschlands. Auch der deutsche Sekt wurde beworben: „Wir produzieren Weltklasse-Sekte“. Schließlich habe man auch Silvaner, Natural, Orange und Pet Nat in die Marketing-Strategie aufgenommen. „Wir konnten die Palette erweitern, weil das Image des deutschen Weins inzwischen gut ist und die Kunden im Ausland interessiert sind“, so Schindler. In den nächsten Jahren werde die deutsche Weißweinkompetenz verstärkt genutzt, weil die Nachfrage nach Rotweinen weltweit zurückgehe.
Der Rheinhessische Weinkönig Levin McKenzie führte mit Kellermeister Pascal Balzhäußer durch die Weinprobe der Rheinhessen-Klassiker. Zur Begrüßung gab es ein 2019er Groß-Winternheimer Bockstein Sankt Laurent vom Weingut Weitzel, das 2024 bei der Landesweinprämierung mit dem Ehrenpreis der Weinbruderschaft ausgezeichnet wurde.
Norbert Krupp – LW 5/2025