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Impulse für die Fortbildung von Junglandwirten in Rumänien

Erfahrungen aus Beratungsprojekten in Siebenbürgen

Rainer Windirsch, neuer Vorsitzender der Landseniorenvereinigung Darmstadt-Dieburg-Offenbach, war während seiner Berufstätigkeit als Entwicklungshelfer 19 Jahre lang für landwirtschaftliche Projekte in der Region Siebenbürgen in Rumänien beratend tätig. Im Herbst und Winter hat er bei Versammlungen in Südhessen über seine Arbeit einige Vorträge gehalten. Diese fasst er nun im Beitrag zusammen.

Landkarte von Rumänien mit den eingetragen Orten der Projekte in der zentral gelegenen Region Siebenbürgen. Foto: Rainer Windirsch
Gemeindeland in den Vorbergen bei Alba Lulia, das mit Schafen genutzt und zugleich vor dem Verbuschen bewahrt wird. Foto: Dr. Theo Göbbel

Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe in Rumänien liegt nach den Angaben des Statistik­in­s­ti­tu­ts in Bukarest bei 3,6 Mio. Betriebe (2013). Fast die Häl­fte sind Subsistenzwirtschaften, erzeugen also Lebensmittel fast ausschließlich für den eigenen Bedarf. Durch die Privatisierung der Landwirtschaft im Land zwischen Okzident und Orient hat diese einen wachsenden gesellschaftlichen Stellenwert. Die Entwicklung sollte gefördert werden. Seit den drei Berichten über die Projektarbeit gab es keinen Stillstand. Im Gegenteil. Die positive Tendenz des ersten Projektes brachte die erhoffte Motivation für die Kollegen im Landwirtschaftsamt Deva im Kreis Hunedoara in Siebenbürgen, obwohl sie sich anfangs überfordert fühlten.

Eigentumsverhältnisse für Familienbetriebe schaffen

Durch Tätigkeit des Autors dieses Beitrags seit 1998 als Gastlehrer in der Ackerbauschule Lugoj wuchs immer mehr der Gedanke, ein weiteres Projekt zu star­ten. Es bekam den Namen „Junglandwirtebildung und Förderung.“ Mit dieser Idee wurden neue Impulse in die Köpfe der Lehrer und Schüler gebracht. Zunächst nur in Logoj und Cluj, denn die Ansprechpartner mussten als erstes von der Not­wen­dig­keit überzeugt werden. Mehrmals musste zu verstehen geben werden, dass Junglandwirte Un­terstützung für die Hofnachfolge brauchen und weitere Bildungschancen benötigen. Ziel sollte sein, die Jugend zu fordern und zu fördern, damit sie nicht ins Fahrwasser der Gleichgültigkeit gerät. Das wäre schade, zumal sich die Eigentumsverhältnisse für die Familienbetriebe positiv entwickelt haben. Die ältere Generation ab einem Alter von etwa 60 Jahren leidet heute noch unter der damaligen Enteignung bis auf 5 ha.

Die Katasterämter helfen den Hofnachfolgern bei der Flurbereinigung mittels Flurkarten, die erstaunlich genau sind. Aber wie soll ein Schulabgänger einen Hof mit 30 bis 50 ha ohne Startkapital bewirtschaften können? So kam die Idee, ein Junglandwirte-Förderprogramm nach dem Muster in Hessen im Agrarministerium in Bukarest vorzuschlagen, so dass mittels EU-Gelder das Förderprogramm als Pilotprojekt gestartet werden solle. Beispielsweise sollte Schülern, welche die Ackerbauschule mit der Note 2,5 und besser verlassen, ein Darlehen als Starthilfe von 30 000 bis 50 000 Eu­ro ge­währt werden, je nach Betriebsgröße, zinsfrei für die ersten zehn Jahre. Die einzelnen Regionen Rumäniens haben keine politische Funktion, weil die Verwaltung zentral abläuft. Im Zuge des EU-Beitritts wurde das Land aber in Gebiete zur Zuteilung der Gelder aufgeteilt. Auch gibt es jeweils ein Zentrum für die Verteilung der nationalen Mittel, wie zum Beispiel im Kreis Alba Iulia. Für die Mitarbeiter im Landwirtschafsamt in Deva wurde ein Betriebs-Erhebungsplan entwickelt, mit dem Betriebsstrukturen ermittelt wurden. So war es leichter, betriebsspezifische Zukunftsperspektiven zu erarbeiten. Das galt zunächst nur für die Ackerbauschulabsolventen von Lugoj. Nach der Auswertung der Erhebungsdaten stellte man das Projekt in Bukarest vor.

Landwirtschaftseinrichtungen am Beispiel von Hessen

Zusätzlich wurde vorgeschlagen, eine Bildungsstätte nach Beispielen in Hessen von „Eichhof“ und „Rauischholzhausen“ zu errichten. Den Verantwortlichen wurde geschildert, wie die junge Generation unterstützt werden kann. Daraufhin machte der Leiter der Sapard Agenci (EU Zahlstelle) den Vorschlag, im Raum Deva eine neue Ackerbauschule mit Lehrbetrieb und eine Bildungsstätte für Lehrkräfte und Berater zu planen. Die Planung und Organisation dauerte aber fünf Jahre, weil die Finanzierung stets unsicher war. Dazu wurden die Projektinhalte vervollständigt, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Nach etwa vier Monaten standen weitere Diskussionsrunden mit den Entscheidungsgremien an. Seitens Bukarest und Brüssel kamen Nachfragen hinsichtlich der Notwendigkeit. Schließlich fragte der Autor in Bukarest nach, was mit den EU-Fördermitteln geschehe. Zufällig wurde bekannt, dass sich Minister Fördermittel auf ihre eigenen Konten geholt hatten. Diese wurden entlassen und verurteilt. Ein schwacher Trost für derartige Vorhaben.

Problem der Korruption in Politik und Verwaltung

Hier wird deutlich, dass sich das Land nach dem Kommunismus nur langsam von den Folgen jahrzehntelanger Diktatur und Misswirtschaft erholt. Korrruption und Veruntreuung von Fördermitteln sind keine Seltenheit. Die Planungen waren fristgerecht eingereicht. Zeitgleich gelang es, Kontakt zum Bürgermeis­ter in Ribita (40 kam nördlich von Deva) aufzunehmen. Er spricht sehr gut Deutsch. Bei einer Gemeinderatssitzung im Frühjahr 2006 stellte der Bürgermeister Joan Faur seine Planungen zur Verbesserung der Infrastruktur in den neun Ortsteilen von Ribita vor. Dazu wurden bei den Bürgermeistern im Modautal und Lautertal Einladungen eingeholt, um sie mit dem Bür­germeister von Ribita zu erörtern. Nach diesem Besuch im Juni 2006 nahm Joan Faur Kontakt auf mit der EU-Zahlstelle in Bukarest vor. Mit klaren Vorstellungen, was in Ribita geschehen soll, fuhr man Ende 2006 nach Bukarest, wo schon fünf Monate später die stolze Startsumme von 5,5 Mill. Euro in drei Staffeln verteilt auf drei Jahre bewilligt wurde, um die geplanten Infrastrukturmaßnahmen zu fördern. Mit den Eindrücken vom Besuch im Odenwald und der Starthilfe begann man mit den Zielvorgaben für die neuen Ortsteile in Ribita in den Vorkarpaten. Dele­ga­tionen aus Bukarest, Deva und sogar Brüssel informierten sich bereits nach einem Jahr über die Veränderungen. Seit Sommer 2010 gilt Ribita als „Vorzeigekommune“, nicht nur für den Regierungsbezirk Hunedoara, der landschaftlich mit dem Odenwald vergleichbar ist. Die Einsatzbereitschaft des Bürgermeisters wissen die Bürger zu schätzen. Besonders die junge Generation bekam neue Impulse für die Mitwirkung in der Kommunalverwaltung.

Landwirtschaftliche Entwicklung sehr instabil

Leider muss auch erwähnt werden, dass es schade ist, wie gleichgültig einige Minister mit den Finanzen aus Brüssel und Schicksalen der Bevölkerung umgehen. Deshalb lässt das Vertrauen zu den Politikern immer mehr nach. Immer wieder bekam man zu hören, dass besonders die ältere Generation „Siebenbürgen“ als eigenes Land Anerkennung finden sollte, weil die Mentalität der Siebenbürgener und Donauschwaben nicht zur Bevölkerung in der Osthälfte Rumäniens passt. Es ist eine Frage der Zeit, wie das Land einmal aussehen mag, wenn die junge Generation, also die derzeitigen Hofnachfolger, seitens der Regierung im Stich gelassen wird. Ohne finanzielle Hilfe aus Brüssel werden die benachteiligten Regionen in den Karpaten verbuschen. Anders dagegen die endlosen Felder entlang der ungarischen Grenze bis zur Ukraine sowie im Süden entlang der Donau bis zum Schwarzen Meer. Tausende ha Ackerland ohne Bäume und Büsche werden inzwischen von Holländern und Dänen gepachtet und intensiv mit der Fruchtfolge Mais-Getreide-Raps bewirtschaftet. Die gigantischen Stallungen aus den sozialistischen Zeiten stehen seit 1989 leer.

Mit Schafen und Ziegen Land vor Verbuschen schützen

Junge Schafthirte hüten für andere Schäfer von Mais bis Oktober fernab von zu Hause bis zu 1 000 Schafe und Ziegen. Sie melken und stellen Käse her. Mit Pferden wird der Frischkäse in die Reifelager gebracht. Mit genügend Hunden und mit Gewehren werden die Herden vor Bären und Wölfen geschützt. Je nach Witterung wird im Oktober die Heimkehr der Herden und Hirten mit Musik, Tanz und Festessen gefeiert. Jeder Hirte Bekommt pro Monat 250 Euro für seine Familien. Die Schaf- und Ziegenbesitzer erkennen ihre Tiere an den Ohrmarken. Schon lange gilt die Vorschrift, dass jeder Schafhalter 20 Prozent der Herde mit Ziegen ergänzen muss, damit die Verbuschung seitens Dornensträucher unterbunden wird. Umsetzung mit personellen Hindernissen verbunden Zu Beginn der Projektarbeit im September 1997 war noch nicht abzuschätzen, wie viel Zeit fürs Gelingen erforderlich sein wird. Mit viel Mut und Konsequenz gelang es, die richtige Mannschaft dafür aufzustellen. Die eigene Zielstrebigkeit gefiel mit der Zeit nicht jedem. Das veranlasste wieder dazu, auszuwählen, wer dauerhaft ins Team passte und wer nicht. Was motivierte, waren die Lehrstunden in der Ackerbauschule Lugoj. Die Planungen für die Projektinhalte und die Unterrichtsgestaltung für die Ackerbauschule wurden von den Lehrgängen auf dem Eichhof und in Rauischholzhausen abgeschaut. Auch die praktischen Erfahrungen aus der rund 40-jährigen Beratertätigkeit im Tierzuchtamt Darmstadt und Amt für Regionalentwicklung Darmstadt konnte man vortrefflich mit einbinden. Es war gelungen, den Unterricht anschaulicher zu gestalten. Denn in der Ackerbauschule war zuvor ein Verfall des Lehrbe­triebes festzustellen. Der Lehrplan sah beispielsweise vor, dass die Schüler von Montag bis Samstag im Internat wohnten. Vormittags war Schule und am Nachmittag Praxis. Ob es bei Deva oder Ribita gelingt, muss in Bukarest entschieden werden.

Gymnasium mit Fachabitur „Agrarwesen“

Die Basis der Ackerbauschule ist ein Gymnasium, in dem vom neunten bis zum zwölften Schuljahr das Fachabitur „Agrarwesen“ gelehrt wird. Es bleibt zu hoffen, dass bald die Bevölkerung aufatmen kann. Auch wenn es ab und zu Probleme in den drei Projekten seit 1997 gab, so kann man doch zufrieden sein, wie viel erreicht werden konnte. Die Anschubplanungen und Beratungsinhalte haben in den Köpfen genügend Impulse hinterlassen.

Rainer Windirsch – LW 1/2017