Den Bauern in Hessen und darüber hinaus fehlt das Geld auf den Höfen: „Wir haben alle das gleiche Problem: Bei diesen ruinösen Milchpreisen, wie den ebenso desolaten Erlösen der anderen Erzeugnisse vom Acker und aus dem Stall, zahlen wir drauf. Es klemmt überall in den Betrieben, in allen Regionen“, stellte Schneider heraus. Diese Durststrecke sei für viele Betriebe zu lang. Trotz guter natürlicher Bedingungen könnten die Betriebe hierzulande nicht mehr erfolgreich wirtschaften; ihnen gehe die Luft aus. Schnell müsse auf politischer Ebene gehandelt werden, um die Bauern vor einer Liquiditätsfalle zu bewahren, so der Verbandspräsident. Die Erhaltung von Liquidität in den Betrieben sei der vordringlichste Schritt zur Rettung der Betriebe. Langfristig müsse man aber weiter daran arbeiten, Druck von den Agrarmärkten zu nehmen. Auch müsse man über Möglichkeiten des Ausgleichs von Risiken im Betrieb reden. Dies müsse künftig Bestandteil der Besteuerung in der Landwirtschaft sein. Die Risikoausgleichsrücklage sollte weiterhin von der Berufsstandsvertretung gefordert werden.
Betriebsprämienvorfinanzierung
Zum Thema: „Finanzkrise – Auswirkungen auf die Landwirtschaft“ sprach Dr. Marcus Dahmen, Vorstandssprecher der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt am Main. Er erläuterte das im März aufgelegte Programm seiner Förderbank der Liquiditätshilfedarlehen für Landwirte und sprach ferner über Möglichkeiten der Umschuldung von Altdarlehen für Landwirte. Außerdem informierte er über die geplante Maßnahme zur zinsfreien Vorfinanzierung der Betriebsprämie zum 1. Juli 2009. So solle die Auszahlung von 70 Prozent der Direktzahlungen laut der EU-Kommission von Ende des Jahres auf Mitte Oktober 2009 vorgezogen werden. Für den Zeitraum vom 1. Juli dieses Jahres bis zum 16. Oktober 2009 könnten entsprechend eines geplanten Paketes Landwirte diese Summe von der Rentenbank als zinsfreien Kredit erhalten. Hier stehe die Rentenbank, welche entsprechend den Planungen diese vorgezogene Abschlagszahlung auf die Direktzahlungen ab dem 1. Juli 2009 umsetze, noch in abschließenden Gesprächen mit Bund und Ländern. Das Förderinstitut für die Landwirtschaft und für das Agribusiness – auch in dem der Landwirtschaft nachgelagerten Sektor seien Maßnahmen nötig aufgrund weggebrochener Exportmärkte – ziele auf eine rasche Umsetzung der Betriebsprämienvorfinanzierung und wolle eine möglichst reibungslose Abwicklung gewährleisten. Wie bei den Finanzierungsprogrammen der Landwirtschaftlichen Rentenbank üblich, erfolgt die praktische Vergabe der Liquiditätshilfen für Landwirte über die Hausbanken.
Zinsen steigen
Weiterhin machte Dahmen einen Ausblick auf die Agrar- und die Finanzmärkte. Er geht davon aus, dass als Folge eines „Machbarkeitswahnsinns der Politik“, um die Wirtschaft in dieser Finanzkrise zu stützen, derzeit noch „eine Politik des billigen Geldes“ betrieben werde, der sich eine starke Verschuldung des Staatshaushaltes und – bereits in Kürze – steigende Zinsen der Zentralbanken und somit an den Geldmärkten anschließen. Mit Blick auf eine konjunkturelle Erholung der Wirtschaft geht Dr. Dahmen von einer Besserung der allgemeinen Lage für Industriebetriebe und die Wirtschaft nicht vor dem Sommer nächsten Jahres aus. Wenngleich bereits jetzt erste Indikatoren auf eine leichte Erholung der wirtschaftlichen Krise im Land hinwiesen.
Landwirtschaft indirekt betroffen
Nach Ansicht des Finanzfachmannes ist die Landwirtschaft von der Krise in der übrigen Wirtschaft aber nicht direkt betroffen. Indirekt seien allerdings als Folge der Geldmengenpolitik der Europäischen Zentralbank und den sich abzeichnenden steigenden Zinsen auch fremdkapitalabhängige Landwirtschaftsbetriebe von dieser Entwicklung betoffen.
Landwirtschaft aus Bankensicht
Der Chef der Rentenbank skizzierte zuvor die konjunkturelle Entwicklung der Landwirtschaft aus Bankensicht. In der Landwirtschaft verzeichne man seit Herbst vorigen Jahres eine deutlich rückläufige Investitionsneigung. Von den Programmkrediten der Landwirtschaftlichen Rentenbank sei besonders das Junglandwirteprogramm betroffen, wo man in diesem Jahr einen Einbruch in der Förderkreditnachfrage verzeichnen müsse. Und doch schätzt der Vorstandssprecher der Rentenbank, welche die zinsvergünstigten Kreditprogramme für Landwirte überwiegend durch Geldgeschäfte mit rund 1 300 Banken in Europa finanziere, die Perspektiven der Bauern langfristig gut ein. Vier große Trends zählte er dazu auf. Als erstes nannte er die wachsende Weltbevölkerung. „In zwölf Jahren müssen eine Milliarden Menschen mehr ernährt werden“, so Dahmen. Die Nachfrage nach Erzeugnissen der Landwirtschaft steige also stark an. Zweitens veränderten sich mit wachsendem Wohlstand, etwa in Indien und China, auch die Konsumgewohnheiten: Aufstrebende Mittelschichten fragten statt bisher Getreide dann mehr Fleisch- und Milchprodukte in den Lebensmittelmärkten nach. Außerdem sorge Trend Nummer drei, die Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen, für steigende und stabilere Preise bei landwirtschaftlichen Produkten. Nicht zuletzt führe auch der Klimawandel zu einer Versteppung bislang noch landwirtschaftlich genutzer Regionen in der Welt. Das habe zur Folge, dass Betriebe an Gunststandorten, wie hierzulande, aus Bankensicht langfristig gute Chancen zum Investieren in ihre Höfe hätten. Damit gewinne auch das Kreditgeschäft mit Landwirten an Bedeutung und sei attraktiv für die Finanzbranche, konstatiert Dahmen. Allerdings: „Wir glauben, dass wir diese wachsende Relevanz der Landwirtschaft in der Gesellschaft künftig stärker kommunizieren müssen.“ Moe