Der EU-Agrarministerrat hat Ende 2008 beschlossen, jährlich 90 Mio. Euro für ein Schulobstprogramm zur Verfügung zu stellen. So soll der zu niedrige Obst- und Gemüseverzehr bei Kindern und Jugendlichen erhöht werden. Deutschland kann für das Schuljahr 2009/2010 bis zu 20 Mio. Euro aus dem EU-Topf abrufen, wenn die gleiche Summe kofinanziert wird. Nun droht das Schulobstprojekt zu scheitern, weil sich Bund und Länder nicht über die Finanzierung einigen können.
Die Länder wehren sich, die EU-Förderung in Millionenhöhe aufzustocken. Sie meinen, der Bund müsse die Kosten übernehmen und verweisen darauf, dass mit dem Programm der Absatz landwirtschaftlicher Produkte gefördert werde, was in den Zuständigkeitsbereich des Bundes falle. Der Bund argumentiert, dass es um Bildung gehe, was Ländersache sei. Der Bundesrat hat diesen strittigen Punkt nun an den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Länderkammer verwiesen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner warnte die Länder davor, dass die EU-Gelder verfallen könnten.
Mariann Fischer Boel, die amtierende EU-Kommissarin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, macht sich schon seit längerem für die Einführung von Schulobstprogrammen stark. Aus gutem Grund: Die Kinder in Europa sind immer häufiger übergewichtig und verzehren weniger Obst und Gemüse als die WHO empfiehlt. In Deutschland sind laut Gesundheitsministerium 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 17 Jahren zu dick. Das Schulobstprogramm soll dazu beitragen, dass sich Kinder und Jugendliche in einem frühen Alter gesunde Essgewohnheiten aneignen.
Die Vorbereitungen für die Umsetzung des Schulobstprogrammes begannen umgehend. Seit Mitte März wird an 9 000 Schüler in 18 Schulen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg kostenlos Obst und Gemüse verteilt. Das Pilotprojekt wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert und vom Verein „5 am Tag“ durchgeführt. Untersucht wird, ob und unter welchen Bedingungen die kostenlose Verteilung von Obst und Gemüse an Schulen möglich ist und wie sie die Ernährungsgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen verändert.
Pilotprojekt zeigt die Machbarkeit
Bundesernährungsministerin Ilse Aigner stellte nun den Zwischenbericht vor und resümierte: „Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass es kostengünstig möglich ist, Obst und Gemüse an Schulen zu verteilen. Die verteilte Ware wurde gerne gegessen und nicht weggeworfen, wie Skeptiker anfangs befürchteten. Das Obst wird Wert geschätzt, weil die Kinder das Geschenk als Wertschätzung ihrer Person wahrnehmen. Die Verteilung ist einfach, hygienisch und machte keine Probleme. Die Kinder essen besonders gerne Erdbeeren, Äpfel und Kirschen, gefolgt von Trauben und Bananen. Die Spitzenplätze beim Gemüse nehmen Gurken, Karotten und Tomaten ein.“ Diese Bilanz gelte für alle Schultypen (Grundschulen, Haupt- und Förderschulen, Gymnasien). Wichtig sei, laut Aigner, dass die Länder die Erkenntnisse des Projekts nutzen und das EU-Angebot einer Mitfinanzierung annehmen.
Vorbereitungen an der Basis laufen bereits
Die Umsetzung des Schulfruchtprogrammes wird zügig vorbereitet, die Initiative Fruchthandel hatte Länderreferenten aus Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland und Vertreter der Wirtschaft auf den Großmarkt Mannheim eingeladen, um organisatorische Fragen um das Schulfruchtprogramm 2009/2010 zu klären. Die Länder werden Ausschreibungen machen, Fruchthandelsunternehmen – die sich am Schulprogramm beteiligen wollen – müssen sich bewerben. Dazu müssen die Länder entscheiden, wie eine Ausschreibung aussehen soll und die Handelsfirmen müssen wissen, wo sie sich bewerben können. Das Treffen in Mannheim gab beiden Seiten wertvolle Hinweise für die Weiterarbeit.
Auch die Serviceagentur „5 am Tag“ ist zufrieden mit den Erfahrungen aus dem Pilotprojekt. Erstaunlich sei die Bereitschaft des Lehrpersonals gewesen, sich für die tägliche Verteilung von Obst und Gemüse an die Schüler einzusetzen. Gelegentliche Skepsis wich schnell der Begeisterung, wenn man sah, wie positiv die Kinder auf das geschenkte Obst reagierten. Gleichzeitig habe das Projekt gezeigt, welches Obst und Gemüse sich mehr für die Verteilung eigneten und welches weniger.
Geschäftsführer Matrisciano von der Fruchthandelsfirma van der Hamm berichtete, dass er als Lieferant mit den Anforderungen der Schulen zurechtgekommen sei und seine Kalkulation halten konnte. Das Obst und Gemüse wurde ins Foyer der Schule geliefert zur Selbstabholung durch die Schüler oder in gepackten Kisten für die einzelnen Klassen bereitgestellt. Dies müsse aus der Ausschreibung hervorgehen.
Die Ministerien in den Bundesländern arbeiten eifrig an der Umsetzung des Schulobstprogrammes. Helmuth Huss, Vorsitzender des Vereins „5 am Tag“, kennt sich aus mit Brüsseler Fördergeldern und sicherte den Vertretern der Länder zu, dass sein Verein sie begleiten und entlasten werde.
Professor Dr. Wiegand, Direktor eines Gymnasiums in Mannheim, das am Pilotprojekt teilnimmt, gibt zu, dass er zu Beginn sehr skeptisch war. Die Begeisterung der Schüler an der täglichen Obst- und Gemüseration, habe ihn sehr schnell angesteckt. Schüler, die nach eigenen Angaben, vorher kein Obst angerührt hatten, wurden durch den Gruppendruck mitgezogen und gewöhnten sich an die Bereicherung des Speisezettels. Auch das Gemeinschaftserlebnis sei nicht zu unterschätzen. Der Schuldirektor bot an, zweifelnde Kollegen in anderen Bundesländern durch seine Erfahrungen von der Machbarkeit zu überzeugen. bs