Deutschlands Ackerbauern können mit der diesjährigen Getreideernte, nicht aber mit dem aktuellen Preisniveau zufrieden sein. Laut dem Erntebericht des Deutschen Bauernverbandes (DBV), den DBV-Präsident Gerd Sonnleitner am vergangenen Freitag in Berlin vorstellte, brachten die Landwirte schätzungsweise 49,95 Mio. t Getreide einschließlich Körnermais ein; das sind 0,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Der langjährige Durchschnitt wird damit um 8,0 Prozent übertroffen.
Die Erntemenge an Winterweizen bewegt sich laut Schätzung mit 25,73 Mio. t minimal unter dem guten Vorjahresniveau, was auf leichte Ertragseinbußen zurückzuführen ist. An Roggen holten die Landwirte voraussichtlich 3,92 Mio. t vom Halm; das sind 4,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Produktion von Wintergersten erhöhte sich laut DBV-Schätzung um 6,8 Prozent auf 10,00 Mio t. Andererseits verminderte sich die Erzeugung an Sommergerste um 14,6 Prozent auf 2,22 Mio. t, was bei leichten Ertragsverbesserungen ausschließlich auf eine starke Flächeneinschränkung zurückzuführen sei. Sonnleitner wertete dies als Reaktion der Landwirte auf die schlechten Preise. Zufrieden können die Ackerbauern nicht nur mit dem Anbau von Halmgetreide, sondern auch mit dem Ergebnis bei Raps sein. Nach schwierigen Witterungsbedingungen im Frühjahr bezeichnete der DBV-Präsident die überdurchschnittlichen Ölgehalte und das erwartete Aufkommen von 5,93 Mio. t Raps als überraschend. Zuversichtlich ist der DBV vor dem Hintergrund des Witterungsverlaufs für die Kartoffel-, Zuckerrüben- und Maisernte.
Preise decken nicht die Produktionskosten
Sorge bereitet hingegen das Erzeugerpreisniveau. „Die Getreidepreise aus der Ernte decken nicht mehr die Produktionskosten“, beklagte Sonnleitner und sprach von historischen Tiefständen bei den Erlösen. Zudem hätten hohe Preise für Energie- und Saatgut zu Belastungen auf den Betrieben geführt. Wegen der stark fluktuierenden Preise verlangte er eine Krisenrücklage in der Steuerbilanz der Landwirte, eine sogenannte Risikoausgleichsrücklage. „Über ein „Parken' von Gewinnen aus guten Jahren soll ein Anreiz zur betrieblichen Rücklagenbildung gegeben werden, die dann in Krisenjahren genutzt werden kann“, erläuterte der DBV-Präsident das Konzept. Vergleichbares sei bereits in der Forst- und auch in der Versicherungswirtschaft möglich.
Spitzenernte bei Weizen, Wintergerste und Raps
Ansatzpunkt für eine verbesserte Risikovorsorge sind neben der schwierigen Lage am Milchmarkt unter anderem die in die Knie gegangenen Notierungen für Marktfrüchte. Gegenüber dem entsprechenden Vorjahresniveau sind die Erzeugerpreise für Brotweizen und Brotroggen Sonnleitner zufolge um mehr als ein Drittel gefallen; bei Braugerste und Raps wurden sogar Abschläge von rund 45 Prozent registriert. „Mit diesen Preisen wird die deutsche Braugerste verschwinden“, warnte Sonnleitner. Der Anbau von Sommergerste war zur diesjährigen Ernte um fast 18 Prozent auf 448 100 ha eingeschränkt worden und war damit das einzige wichtige Getreide, dessen Areal nicht ausgedehnt wurde. Hingegen hatten sich die Bauern auf 3,20 Mio. ha für Winterweizen entschieden; das waren 1,2 Prozent mehr als zur Ernte 2008. Aufgrund von leichten Ertragsrückgängen um 1,1 Prozent auf 80,4 dt/ha erhöhte sich die Erntemenge laut DBV-Schätzung aber nur leicht. Die Rekordproduktion an Wintergerste war hingegen sowohl von einer Flächenausweitung um 3,2 Prozent auf 1,46 Mio. ha wie auch von einer Ertragssteigerung um 3,3 Prozent auf 68,3 dt/ha getragen. Das galt auch für den Raps, wo eine Verbesserung des Flächenergebnisses um 8,3 Prozent auf 40,8 dt/ha ebenso zu der Spitzenernte beitrug wie eine Vergrößerung des Anbauareals um 6,5 Prozent auf 1,45 Mio ha.
Risikovorsorge staatlich unterstützen
Zu der schwierigen Lage auf vielen Betrieben haben neben den schlechten Preisen auch die hohen Betriebsmittelkosten geführt. Hier sieht Sonnleitner den Hebel für eine steuerlich geförderte bessere Risikovorsorge. „Die Bauern müssen sich auf Preisschocks bei Produkt- und Betriebsmittelpreisen, aber auch auf Wechselkursänderungen einstellen“, stellte der DBV-Präsident fest. Angesichts der Wetterkapriolen in vielen Regionen wies er auf die Bestrebungen von Versicherern hin, einen erweiterten Versicherungsschutz auch für Frost, Auswinterung, Sturm und Starkregen anzubieten. Probleme mache jetzt der Bundesfinanzminister, der für diese neuen Versicherungselemente eine Versicherungsteuer von 19 Prozent verlangen wolle. Diese Steuerlast wäre je nach Einzelfall zwischen fünf und 20 mal so hoch wie bei der Hagelversicherung. „Das können wir nicht akzeptieren“, unterstrich Sonnleitner. Keine Priorität haben für ihn etwaige stärkere staatliche Zuschüsse zu Ertragsschadenversicherungen, „vor allem dann nicht, wenn im Gegenzug wieder einmal die EU-Direktzahlungen gekürzt werden.“
Entwicklung auf den Märkten beobachten
Angesichts des Abrutschens der Erzeugerpreise in der Ernte empfiehlt der DBV den Landwirten, die Märkte zu beobachten und - wenn möglich - einen späteren Verkauf des eingelagerten Getreides in Betracht zu ziehen. Es bestehe die Hoffnung, dass sich der Getreidemarkt im Herbst und Winter wieder stabilisiere, zeigte sich Sonnleitner zuversichtlich. Faktoren für einen möglichen Preisauftrieb sind für ihn kräftige Ertragseinbußen auf dem Balkan und in Spanien, die dazu führen sollen, dass die Getreideernte in Europa in diesem Jahr kleiner ausfällt als vor einem Jahr. Auch weltweit werde eine kleinere Ernte als 2008 erwartet, was weiter auf gute Chancen im Getreideexport hoffen lasse. Der DBV-Präsident unterstützt die Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Tank, Kesseln und Vergärern. „Wir Bauern können froh sein, dass wir die Bioenergie haben, sonst wäre die Situation noch schlimmer. Wir brauchen diesen Verwertungszweig“, sagte Sonnleitner. age