Anlässlich der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen fand in der vergangenen Woche in Reichelsheim der Odenwälder Milchtag als eine Kooperationsveranstaltung von der Landesvereinigung Milch Hessen und dem Regionalbauernverband (RBV) Starkenburg gemeinsam mit dem ALR Reichelsheim, HVL, VLF Reichelsheim und dem LLH statt.
Trotz Kälte, Eis und Schnee kamen am „Milchtag“ rund fünfzig Landwirte zu den Fachvorträgen nach Reichelsheim. Bei seiner Begrüßung ging der Vorsitzende des RBV Starkenburg, Walter Schütz, auf die schwierige Situation der Odenwälder Milchbauern ein und wünschte der vor kurzem initiierten Aktion „Faire Milch“ viel Erfolg. „Dies wird eine Probe aufs Exempel darstellen und das tatsächliche Kaufverhalten des Verbrauchers offenbaren“, meinte er. Begrüßt wurden die Teilnehmer auch vom Reichelsheimer Bürgermeister Stefan Lopinsky, der darauf hinwies, dass in dieser Region die meisten Milchbauern des Odenwaldkreises zu Hause seien und von Elsbeth Kniß, Leiterin des Amts für den Ländlichen Raum. Die Moderation übernahm Rainer Jöst vom Hessischen Verband für Leistungsprüfung (HVL).
Stallbau ist derzeit bei niedrigen Zinsen möglich
Übereinstimmend waren die Referenten der beiden Vormittagsveranstaltungen der Ansicht, dass das generelle „Investitions-Klima“ für Landwirte derzeit so gut sei wie selten zuvor. Zwei Fünftel aller zukunftsorientierten Betriebsleiter zeigten sich wegen der niedrigen Zinsen und der attraktiven Fördermaßnahmen daher geneigt, Geld in die Hand zu nehmen und in ihre Betriebe zu investieren. Was dabei zu beachten ist, zeigten die beiden Vorträge auf: Diplom-Ingenieur und Architekt Gerhard Rasche von der Hessischen Landgesellschaft (HLG) in Kassel erläuterte die Dienstleistungen der HLG, und Klaus Dieter Sens vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) in Alsfeld sprach über die aktuelle Förderung für Milchviehbetriebe. Rasche arbeitet seit über zwanzig Jahren als Bauberater bei der Hessischen Landgesellschaft (HLG) in Kassel. Diese gemeinnützige Gesellschaft verwaltet für Städte und Gemeinden Wohnbaugrundstücke, Gewerbe- und landwirtschaftliche Flächen. Sogar eine Ökoagentur und eine Hessische Hofbörse gehören zu den Angeboten. Die HLG ist bei etwa 50 Prozent aller betreuten Maßnahmen in Hessen beteiligt. Bei der Bauplanung könne man gar nicht umsichtig genug vorgehen und es sei mehr als empfehlenswert, hierfür einen Fachberater zuzuziehen, meinte Rasche, der als gelernter Landwirt weiß, wovon er spricht. Die Kosten für eine kompetente Bauberatung trage weitgehend das Land Hessen; von dem Bau-Interessenten werde lediglich eine Beteiligung erwartet. Für eine örtliche Bauberatung ohne Nacharbeitung müsste der Landwirt 150 Euro bezahlen. Eine vollständige Bauberatung mit Erarbeitung von Konzeptionen und Skizzen für landwirtschaftliche Bauvorhaben kostet 400 Euro. Rasche selbst hat allein im vergangenen Jahr rund 120 Bauberatungen durchgeführt, vor allem für Milchvieh-, Schweinemast- und Schweinezuchtbetriebe, aber auch für „Exoten“ wie Biogasanlagen oder Reithallen. Entschließt sich ein Landwirt zu baulichen Investitionen, so kümmert sich die Landgesellschaft um die erforderlichen Genehmigungen, bereitet die Bauausführung vor und übernimmt die Bauleitung. Genehmigungen in Ortsnähe seien allerdings nur noch schwer zu bekommen, hat Rasche festgestellt, vor allem, wenn größere Viehbestände im Gespräch sind. Die richtige Wahl des Standorts sei daher von grundlegender Bedeutung, zumal ein Betrieb nie den Aspekt aus den Augen verlieren dürfe, dass auch Platz für eventuelle, spätere Erweiterungen vorhanden sein muss. Neue Ställe sollten mit einer gewissen Großzügigkeit geplant werden. Rasche empfiehlt eine Traufhöhe von vier bis viereinhalb Metern, und viel Licht. Die Liegeboxen sollten warm, trocken und sauber sein, die Lauffläche breit, trittsicher und rutschfest. Doch auch die Menschen sollten sich in den Gebäuden wohl fühlen. Das Melkhaus sollte zentral gelegen, freundlich und heizbar sein: „Man muss da gerne reingehen wollen!“ Darüber hinaus begeistert sich der Fachmann für den Einsatz von automatischen Melksystemen (AMS). In Hessen seien rund 110 Betriebe mit Melkrobotern ausgestattet, meinte er, und es würden ständig mehr.
Mindestinvestitionssumme auf 20 000 Euro herabgesetzt
Auch Klaus Dieter Sens empfahl den Augenblick als äußert günstig für Investitionen. Wer daran denke, neue Ställe für sein Vieh oder Lager für Getreide oder Kartoffeln zu bauen, solle bedenken, dass die Suche nach einem geeigneten Standort, die Verhandlungen mit den bewilligenden Behörden und die Regelung der Finanzierung leicht ein Jahr andauern können. Unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller über die notwendige berufliche Qualifikation verfügt, mindestens 25 Prozent des Umsatzes durch Bodenbewirtschaftung und Tierhaltung erzielt und den Nachweis einer positiven Kapitalbildung führen kann, kann ein Neu- oder Umbau seiner landwirtschaftlichen Gebäude gefördert werden. Dabei kann er mit Zuschüssen von 25 Prozent auf das förderungsfähige Investitionsvolumen und mit 35 Prozent bei besonders artgerechter Tierhaltung rechnen. Letzteres dürfte, so Sens, in Südhessen wohl in 95 Prozent aller Fälle zutreffen. Neu sei, dass die Mindest-Investitionssumme von 30 000 auf 20 000 Euro herab-, und das maximal förderungsfähige Investitionsvolumen von 1,5 auf 2 Millionen Euro heraufgesetzt wurden. Bei Investitionen mit einem Volumen von mehr als 100 000 Euro besteht Betreuungspflicht. Für Umbauten gelten 50 Prozent der Obergrenzen. Gefördert wird jedoch lediglich der Bau von Gebäuden, also nicht der Ankauf von Maschinen und Geräten oder der Erwerb von Tieren. Eine „isolierte Förderung“ sei jedoch möglich für den Bau von Güllebehältern, Erschließungsmaßnahmen wie Abwasser, Anschluss an Energie- und Wasserversorgung, oder für die Anschaffung eines automatischen Melksystems. Junglandwirte können von günstigen Sonderregelungen profitieren. Die Einrichtung eines Kuhplatzes beispielsweise werde mit 6 000 Euro bezuschusst.
In der Nachmittagsveranstaltung informierte außerdem Anne Mawick vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen aus Bad Hersfeld über das derzeit für viele Landwirtschaftsbetriebe besonders wichtige Thema der „Liquiditätsplanung im Milchviehbetrieb.“ Sundermann