Immer mehr Erdbeeranbauer setzen Wandertunnel ein, um den Erntestart bei Erdbeeren zu verfrühen. Gerade in Betrieben mit gleichzeitigem Spargelanbau und einer Ab-Hof-Vermarktung findet das Verfahren zunehmend Anklang, so dass beides vermarktet werden kann. Das und viele weitere nützliche Tipps für die Erzeuger gab es vorige Woche beim Spargel- und Erdbeertag zu erfahren, der in der Forschungsanstalt in Geisenheim durchgeführt wurde und den über 100 Landwirte und Sonderkulturanbauer aus Hessen, Rheinland-Pfalz und angrenzenden Bundesländern besuchten.
In jeweils vier Fachvorträgen wurden Themen zum Spargel- und am Nachmittag zum Erdbeeranbau mit den neuesten Trends in der Technik, Bestandsführung sowie bei der Ernte und Vermarktung aufgegriffen. In Hessen wird auf circa 2 000 ha Spargel- und auf rund 800 ha Erdbeeranbau betrieben. Der überregionale Spargel- und Erdbeertag ist eine Veranstaltung verschiedener Organisationen im Zuge der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen und wird unter anderem vom Hessischen Bauernverband und vom Hessischen Landesverband für Erwerbsobstbau gefördert. Ulrich Groos, Fachberater für Gemüseanbau im Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, führte durch die Tagung.
Bessere Ergebnisse bei späten Abdeckterminen
Ludger Linnemannstöns von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen sprach über das Thema „Erdbeeranbau im Wandertunnel: Sorten, Düngung und Ausbringungstechnik.“ Bei dieser Sonderkultur hat sich das Verfrühen mit einer Vliesabdeckung durchgesetzt. Der richtige Zeitpunkt zum Abdecken sei aber wichtig, so Linnemannstöns. Im Falle eines zu frühen Zudeckens des Bestandes schon im Winter werde je nach weiterem Verlauf der Witterung die Summe benötigter Kältestunden nicht erreicht; mit der Folge, dass die Erdbeerpflanze in der Erntesaison keinen Höchstertrag bringe, weil ihr Kältebedürfnis, das sie zur Ausbildung von generativen Trieben anrege, nicht befriedigt werde. „In Versuchen haben wir höhere Ernteergebnisse bei späteren Abdeckterminen erzielt.“ Andererseits führe ein zu spätes Abdecken zum späteren Erntestart im Frühjahr und damit zu einem Marktangebot, wenn die Preise für die Ware bereits deutlich gesunken seien.
Produzenten von Erdbeeren überlegten daher, wie sinnvoll es für ihren Betrieb sei, die Erdbeerernte durch Folientunnel zu verfrühen. Mit der Kulturverfrühung im Wandertunnel könne der Angebotszeitraum bei Erdbeeren deutlich verlängert werden, das heißt etwa zwei Wochen früher im Mai sowie eine Ausdehnung der Erntezeit bis in den Herbst hinein. Außerdem seien die Qualität der Erdbeeren besser, die Erträge höher und auch gleichmäßiger. Nicht zuletzt seien auch die Arbeitsbedingungen der Ernte im Tunnel besser: „Bei drei Grad früh morgens im Feld Erdbeeren zu pflücken, ist nicht so angenehm wie bei 10 Grad im Folienhaus“, so der Kammerberater. Es werde weiterhin beobachtet, ob neue Sorten (wie Donna, Diana oder Elianny) in der Anbaupraxis des Wandertunnels geeigneter seien und damit wirtschaftlicher und ob Möglichkeiten bestehen, unter Praxisbedingungen, beispielsweise qualitative Kriterien, wie weiche Früchte oder Anfälligkeiten für Krankheiten zu beeinflussen.
Anbau im Tunnel für den Ab-Hof-Verkauf interessant
Die Ernteverfrühung durch das Anlegen der Tunnel sei insbesondere für direktvermarktende Betriebe eine interessante Produktionsvariante, die Absatzmenge zu erhöhen. Am besten sind seiner Meinung nach für den Tunnelanbau derzeit die Frühsorte Clery sowie als Durchkultur Elsanta oder Honeoye geeignet. Bei der Ernteverfrühung im Freiland beginne man etwa im März, den Bestand abzudecken. Aber wenn es im April/Mai bereits Tagestemperaturen von über 26 Grad Celsius gebe, reagiere die Erdbeerpflanze mit Stress. Daher müsse an heißen Frühjahrstagen unbedingt das Feld tagsüber freigedeckt werden. Auch sei es wichtig, den Bestand in Bezug auf Schädlinge, wie Läuse und Spinnenmilben in engen Zeitabständen zu überprüfen. Unabhängig von Anbautechnik und Sortenwahl hätten bei Erdbeeren für den Kulturerfolg Kriterien wie Bodenstruktur, Humusversorgung, Wasserführung und Düngung großen Einfluss. Bei einer Dammkultur solle der Nährstoffbedarf durch wöchentliches Düngen abgedeckt werden. Als Faustzahl gelte für Stickstoff, dass im Verlauf der Vegetation ein N-Gehalt im Boden von rund 80 kg N gehalten werde und dieser möglichst nicht unter 60 kg N/ha falle. Bei der Erdbeere sei die Kaliumdüngung wichtig, auch um Ertrags- und Qualitätsverluste zu vermeiden. Weiche Früchte ließen sich weiterhin durch Lüften und durch trockene Bestände oder einem „Salzschock“, beispielsweise durch eine einmalige Bittersalzgabe, verringern.
Welchen Einfluss die Frühjahrswitterung auf die Rentabilität des Erdbeeranbaues im Wandertunnel hat, machte Linnemannstöns außerdem deutlich. So habe eine Kosten-Leistungs-Kalkulation für die Saison des vergangenen Jahres beim Erdbeeranbau im Tunnel (Sorte: Elsanta) einen Deckungsbeitrag von etwa 6 000 Euro je ha erbracht. Im Jahr zuvor sei aber ein dreimal höherer Deckungsbeitrag mit über 18 000 Euro je ha erzielt worden, was Linnemannstöns im Wesentlichen auf die jeweils sehr unterschiedliche Frühjahrswitterung zurückführte. Durch das Wetter werde das Kaufverhalten der Erdbeerkunden stark beeinflusst, was direkt auf die Erlöse des Erdbeerbauern durchschlage.
Weitere Redner zum Thema Erdbeeren folgten. Dr. Erika Krüger-Steden von der Forschungsanstalt Geisenheim informierte über die Auswirkungen früh oder spät angelegter Neupflanzungen und moderierte lebhafte Diskussionen zu den Erdbeerfachvorträgen am Nachmittag.
Über Pflanzenschutz im Sonderkulturanbau sprach Katrin Hetebrügge vom Arbeitskreis Erdbeeranbau beim LLH in Griesheim. Hetebrügge berichtete über Probleme im Erdbeeranbau aus dem vorigen Sommer, wie Fruchtfäule zu Beginn der Blüte und das in einigen Regionen Hessens starke Auftreten von Blütenstecher, Thrips und Weichhautmilben. Sie teilte mit, dass Pflanzenschutzmaßnahmen in Erdbeerkulturen möglichst bis zum Beginn der Blüte abgeschlossen sein sollten, um nicht im rückstandsrelevanten Bereich zu gelangen. Auch seien Wirkstoffkombinationen insbesondere beim Fungizideinsatz ratsam, um Resistenzbildungen zu vermeiden. Auch Strobilurine sollten möglichst nur einmal innerhalb der Spritzfolge ausgebracht werden. Beim Schneckenkorn-Produkt „Mesurol“ sei künftig der Einsatz im Freilandanbau verboten. Die Aufbrauchfrist für Mesurol endet im Dezember 2011. Über den Einfluss von Sorte und Bodenpflege auf den ernährungsphysiologischen Wert von Erdbeeren sprach Melanie Josuttis, Doktorandin an der Hochschule RheinMain/Forschungsanstalt Geisenheim.
Deutscher Spargel muss sich von Auslandsware unterscheiden
Am Vormittag ging es in den Vorträgen rund um den Spargel über Anbautechniken und Verbesserungen in der Vermarktung. „Qualität und Geschmack: vom Feld bis zum Kunden“ lautete ein Beitrag von Prof. Dr. Peter-Jürgen Paschold von der Forschungsanstalt Geisenheim. Das mengenmäßige Angebot an Spargel übertreffe oftmals die Nachfrage. Deshalb spiele für den Absatz die Erhaltung der Qualität bis hin zum Kunden eine wichtige Rolle, so der Fachgebietsleiter Gemüsebau an der Forschungsanstalt Geisenheim, der im März in den Ruhestand tritt. Ziel müsse bleiben, dass sich heimischer Spargel von der ausländischen Konkurrenz abhebe, um einen höheren Preis am Markt erzielen zu können. Beispielsweise sei Spargel aus Peru, der durch den Schiffsweg erst etwa nach drei Wochen in den Handel komme, dennoch äußerlich kaum vom frischen Spargel aus deutscher Erzeugung zu unterscheiden. Der Geschmack sei allerdings längst nicht mehr so gut und an Qualitätsmaßstäben wie Frische müsse deshalb der heimische Anbauer beim Verkauf seines Spargels ansetzen. Aufbauend auf diesen Fragen erläuterte Ralf Henning von der Universität in Hannover seine im Auftrag der Forschungsanstalt Geisenheim gemeinsam mit den Ländern Hessen, Bayern und Niedersachsen sowie von Erzeugern und aus dem Handel finanzierten Studie zur Untersuchung morphologischer Stangenmängel. Henning berichtete, dass die Temperatur beim Auslagern von Spargel bis zum Verkauf den größten Einfluss auf Braunverfärben und Rissigkeit der Spargel-Stangen nehme. Nächstes Jahr sollen seine Ergebnisse zur Veröffentlichung kommen.
Geht es weiter mit der Mechanisierung der Ernte?
Geht es weiter mit der Mechanisierung beim Spargel? Darüber sprach Dr. Martin Geyer vom Leibnitz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB). Durch Spargel-Vollernter sieht Geyer eine Möglichkeit, den Kostendruck bei sinkenden Erlösen abzufangen. Insbesondere die Erntekosten schlagen zu Buche und diese würden spätestens beim nächsten wirtschaftlichen Aufschwung, wenn Saisonarbeitskräfte wieder rar und teuer würden, weiter steigen. Also müsse man sich mit der weiteren Technisierung der Ernte befassen. Bei der vollmechanischen Ernte, welche eine Totalernte sei, stelle sich die zentrale Frage: wann der geeignete Erntezeitpunkt sei. Geyer stellte dazu den Spargel-Vollernter „Kirpy“ vor. Die Maschine arbeitet sich mit zwei Sechblättern durch den Spargeldamm und schneidet alle Stangen ab. Der Erdwall wird samt der Stangen über ein Sieb gefördert. Dieses trennt den Boden vom Spargel. Im Anschluss wird der Damm wieder mit dem Gerät aufgebaut. Im Fokus seines Vortrages stand die Frage, wie sich mit diesem Verfahren eine vergleichsweise hohe Qualität erzielen lässt. Denn was passiert mit der Pflanze und mit dem Boden bei der maschinellen Ernte? Die Spargelpflanze wird auf einer Höhe komplett abgeschnitten, im Gegensatz zur selektiven Ernte per Hand. Auswertungen zeigten, dass bei dem Vollernteverfahren etwa ein Viertel der Stangen länger als 22 cm waren. Hingegen 40 Prozent eine Stangenlänge von weniger als 17 cm hatten. Geyer konstatierte, dass das Vollernteverfahren vereinzelt eingesetzt werden könne, bislang aber noch nicht zur breiten Praxisreife gelangt sei. Dazu seien weitere technische Fragen zu lösen. Da beim Spargel-Vollerntefahren mehr Produktionsfläche benötigt werde, um die hohen Anschaffungskosten des Vollernters zu amortisieren, welche umgerechnet auf den kg Spargel nach Kirpy-Firmenangaben bei circa 15 bis 35 Cent liegen, ist seiner Ansicht nach der Einsatz eher in den neuen Bundesländern interessant als im Westen wie im Ried, weil hier aufgrund der besonders knappen Ressource „Fläche“ zur betrieblichen Fortentwicklung auf eine deutlich höhere Intensität je Hektar geschaut werden müsse.
Zum Abschluss des informationsreichen Spargel- und Erdbeertags wurden die Teilnehmer zu einer Erdbeerwein-Probe mit Simone Renth-Queins, Weinmoderatorin im SWR-Fernsehen und frühere Deutsche Weinkönigin, eingeladen. Dazu konnten sie zwischen sechs hervorragenden Erzeugnissen aus Südhessen wählen und die Veranstaltung im Austausch mit den Berufskollegen ausklingen lassen. Moe