„Die Zukunft der Landwirte Europas und Deutschlands liegt in der nachhaltigen Intensivierung der Agrarproduktion bei Verwendung modernster Betriebsmittel und Technologien“, so das Fazit von Prof. Dr. Michael Schmitz seines Vortrages in der vorvergangenen Woche bei der Ackerbau-Fachtagung der Raiffeisen Waren GmbH & Co. Betriebs KG Alsfeld-Kirchhain vor rund 90 Landwirten in Alsfeld. Schmitz sprach zum Thema „Die Zukunft von Landwirtschaft und Agrarpolitik in unsicheren Zeiten.“
Armin Pfeil, Geschäftsführer des Veranstalters, wies auf das schwierige landwirtschaftliche Geschäft im Vorjahr hin. Niedrige Erzeugerpreise bei Milch, Getreide und Raps hätten auf die Stimmung der Landwirte gedrückt. Volatile Märkte – insbesondere auch beim Dünger – erschwerten die Situation sowohl für Landwirte als auch für die Raiffeisen Waren GmbH als Agrarhändler. Professor Schmitz, Direktor am Institut für Agrarpolitik und Marktforschung der Justus-Liebig-Universität in Gießen und anerkannter Experte der internationalen Agrarpolitik, sprach über die Themen: die Finanz- und Wirtschaftskrise und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die längerfristige Perspektive der Weltmarktentwicklung und über die Rolle der Politik und hier insbesondere über die Agrarpolitik. Mit Blick auf das, was sich in Brüssel in den agrarnahen Politikfeldern abspiele, schickte Schmitz voraus: „Ich denke, da ist wirkliches Bedrohungspotenzial enthalten.“
Rohstoffpreiseinbruch weltweit
Schon vor 2007 habe man eine abflauende Weltkonjunktur gehabt. Diese habe die Nachfrage weltweit etwas „erlahmen“ lassen und die Erzeugerpreise gedrückt. Nachgefolgt sei dann die Finanzkrise mit ihren Folgen – quasi obendrauf – und schließlich haben sich Reaktionen der Agrarmärkte mit weltweiten Rohstoffpreiseinbrüchen ergeben. All dies sei zusammen gekommen und habe schließlich nach dem „Riesenhoch im Jahr 2007/2008“ den Markt heruntergedrückt. Diese Synchronität habe es in den zehn, zwanzig Jahren zuvor nicht gegeben, daher sei dieses Phänomen besonders ausgeprägt gewesen.
Es habe sich aber auch die Frage gestellt, ob man es mit einer Systemkrise generell zu tun habe, habe die Marktwirtschaft versagt – hier erwähnte Schmitz die Bankenwelt, in die „Milliarden hineingesteckt“ worden seien und welche „verpulvert, verbrannt“ seien. Der Vortragende machte aber schon hier eventuellen Zweifeln unmissverständlich klar und sagte: „Ich glaube, dass wir gut beraten sind, unser marktwirtschaftliches System nicht über Bord zu werfen.“ Das Thema sei interessant, weil man sich im „Wechselbad der Gefühle“ bewegt habe.
Man frage sich heute, wo der langfristige Preistrend hin gehe. Schmitz sprach hier vor allem die Preisausschläge an, die Auswirkungen der Finanzkrise auf den Sektor Landwirtschaft. Erfreulicherweise sei aber die Landwirtschaft „etwas abgepuffert“ gegenüber den Finanzkrisen. Der Referent beleuchtete kritisch die Rolle der Politik vor dem Hintergrund, ob mehr oder weniger staatliches Regulieren erforderlich sei. Wie er anhand zahlreicher Statistiken und Diagramme erläuterte, ziehe sich der Staat aus den Märkten zurück, in anderen Fällen gehe er aber durchaus in die Märkte hinein – mit mehr Vorgaben und Vorschriften, „als wir das bisher erlebt haben.“
Was das Risikomanagement anbelange, müsse man konstatieren: „Die Märkte sind volatiler.“ Dies sei für Landwirte eigentlich nichts Neues. Landwirte im Umgang mit der Natur hätten es stets mit zahleichen betriebsinternen und -externen Risiken zu tun. Für das Risikomanagement stünden dem Unternehmer dazu zahlreiche Instrumente zur Verfügung, wie zum Beispiel betriebsintern Pflanzenschutz, Fruchtfolgen und Hofladen sowie betriebsextern Nebenerwerb, vertikale Kooperation, Vertragslandwirtschaft oder auch Kreditaufnahme. Er legte Wert auf die Feststellung, die Wahl der Instrumente sei Unternehmenssache: „Politik sollte sich hier heraushalten.“
Entspannung auf den Märkten
Positive Akzente setzte Schmitz mit der Aussage, die Stimmung der Landwirtschaft helle sich auf. Die Preisentwicklungen bei Milch und das Vorziehen der Betriebsprämie sorgten für Entspannung. Optimismus sei für die wirtschaftliche Situation der Landwirte in den nächsten zwei, drei Jahren zu prognostizieren, sowohl für Ackerbauern, als auch für Milchvieh- und Rinderhalter und Schweine- und Geflügelhalter, unterstrich Schmitz mit anschaulichen Statistiken – dies im Verlauf der letzten Jahre. Schmitz befasste sich auch mit den Einflüssen des Weltmarktes bei den Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln. Für die EU-Agrarpolitik gebe es neue Herausforderungen: den Klimawandel, die Bioenergie, die Biodiversität, das Wassermanagement und auch das Risikomanagement. Schmitz stellte allerdings klar, die gegenwärtige Agrarpolitik sei für diese Situation noch nicht optimal aufgestellt. Strikte Quotensysteme begrenzten die Produktion, Extensivierungsprogramme und Ausgleichsflächen für den Naturschutz minderten das Potenzial, EU-weite Bioenergieförderung gehe zu Lasten der Nahrungs- und Futtermittelproduktion, das für offene Märkte notwendige Instrumentarium zur Exportförderung und Risikoabsicherung sei noch unterentwickelt: „Pflanzenschutz und Gentechnikpolitik schaden der Wettbewerbsfähigkeit.“
Deutsche Betriebe diskriminiert
Zur EU-Agrarpolitik nach 2013 prognostizierte Schmitz ein sinkendes EU-Budget für die Agrarpolitik mit einer Kürzung der Direktzahlungen, den Wegfall der Exporterstattungen, den Abbau des Artenschutzes, größere Preisvolatilität und anhaltende Dynamik auf den Weltagrarmärktenbei wachsender Konkurrenz. Kritik äußerte Schmitz an der „Diskriminierung der deutschen Landwirte“ und nannte zahlreiche Stichworte wie Agrardieselbesteuerung, Tierschutz-TÜV für Geflügelhaltung, Verbot der Käfighaltung von Legehennen, BSE-Testalter für Rinder, Anbauverbot von GVO-Maissaatgut und auch die Erntehelferregelung. Zusammenfassend sendete Schmitz aber positiv gehaltene Signale in das Auditorium der anwesenden Landwirte. Eine Erholung der Weltmärkte habe bereits eingesetzt und damit ebenso die Belebung der Agrarmärkte. Langfristig werde infolge des Bevölkerungs- und Einkommenswachstum sowie der Urbanisierung und Globalisierung sowie nicht zuletzt infolge der Zusatznachfrage nach Bioenergie und endlicher Ressourcen wie Land und Wasser mit steigenden Agrarpreisen gerechnet. Kurzfristig sei allerdings immer mit Volatilitäten zu rechnen. Mit bester Natur-, Human- und Sachkapitalausstattung verfüge die Agrarbranche über prinzipiell gute Erfolgsaussichten, allerdings seien strukturelle Defizite, gesellschaftliche Befindlichkeiten und „wettbewerbsschädliche Politikeingriffe“ im Wege. Zahlreiche Politikelemente wirkten nach wie vor in Richtung Extensivierung, wie Schmitz kritisierte. Die Zukunft der Landwirte Deutschlands liege in der „nachhaltigen Intensivierung“ der Agrarproduktion bei Verwendung modernster Betriebsmittel und Technologien. Eine Intensivierung senke zugleich den Ressourcenverbrauch bezogen auf Land, Wasser und Energie je produzierter Nahrungsmitteleinheit.
Warenterminbörse zum Leitmarkt
Über „Getreide- und Ölsaatenmärkte“ sprach Thomas Quinders, Geschäftsführer der Bernd Quinders Getreide und Futtermittel Agentur GmbH mit Sitz in Neuss. Ausgehend von der Fragestellung: „Wo kann der Markt hingehen?“ – „die Glaskugel habe ich natürlich auch nicht“ – präzisierte der Referent seine marktanalytischen Überlegungen. Auch in der EU hätten sich jetzt die Warenterminbörsen – „Gott sei dank“ – zum Leitmarkt entwickelt. Die regionalen Preise würden heutzutage von den an den Börsen in Chicago, Paris oder in London gebildeten Preisen abgeleitet. Allerdings seien an den Börsen auch viele Spekulanten „am Werk.“ Spekulanten führten dann auch dazu, dass fundamental begründete Preistrends „nur noch verstärkt werden.“ Die Landwirte als Produzenten der Agrarrohstoffe hätten einen „relativ geringen“ Einfluss auf einen Großteil der eigenen Kosten, der „Inputkosten.“ Der Markt müsse kritisch analysiert werden mit Blick auf Erntemengenerwartung,. So werde das für Weizen zu erwartende Preisniveau sich halten können. Es liege immer noch 51 Prozent über dem 30-jährigen Durchschnittspreis. Anders sehe dies beim Mais aus. Mais sei als stützendes Element in den Weltagrarmärkten aufgrund des hohen Verbrauchs in der Ethanolindustrie einzuschätzen.
Bei Gerste sei der Drittlandexport aus der EU drastisch abgesunken. Eine große Gerstenernte könne man sich nicht leisten, weil die Märkte weggebrochen seien und geschuldet den Produktionssteigerungen in der Ukraine, in Russland und auch in Australien. Aufgrund der verringerten Anbaufläche und der voraussichtlich niedrigeren Ernte stellte Quinders heraus, die Preisdifferenz zum Weizen müsse geringer sein. Bei den Ölsaaten sei das Verhältnis zum Rohöl entscheidend. Durch den Rapssaat- und Rohöl-Chart veranschaulicht wies Quinders auf die parallele Preisentwicklung in den Märkten hin. In diesem Jahr könne man die Kapazitäten problemlos ausnutzen. Wegen der Kopplung mit dem Ölpreis sei allerdings der Rapssaatpreis nur schwer prognostizierbar. Stahl