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Gedichte und Balladen

Goethe kam 1749 in Frankfurt am Main auf die Welt. Dort steht dieses Denkmal. Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt/pixelio.de

Gedichte und Balladen

Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe lebte von 1749 bis 1832 und gilt als einer der berühmtesten Dichter und Schriftsteller Deutschlands. Er schrieb Romane, Dramen, Gedichte und Balladen, die noch heute zum Unterrichtsstoff der Schulen gehören und euch daher ganz bestimmt in eurer Schullaufbahn einmal begegnen werden.

Sehr berühmt ist der Roman "Die Leiden des jungen Werther" und das Drama "Faust".

Gedichte von dem sogenannten "Dichterfürsten" Goethe gibt es eine große Zahl. Du kannst zum Beispiel mit diesem kleinen Gedicht Eindruck machen, wenn du es auswendig aufsagen kannst.

Erinnerung

Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, Denn das Glück ist immer da.

Johann Wolfgang von Goethe

Dann gibt es noch die Balladen, die Goethe schrieb. Balladen sind eine besondere Form von Gedichten. Sie erzählen nämlich eine kleine, meist sehr spannende Geschichte, wie zum Beispiel "Der Zauberlehrling" oder "Erlkönig".

Der Zauberlehrling

Hat der alte Hexenmeister Sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister Auch nach meinem Willen leben.

Seine Wort und Werke Merkt ich und den Brauch, Und mit Geistesstärke Tu ich Wunder auch.

Walle! walle Manche Strecke, Dass, zum Zwecke, Wasser fließe Und mit reichem, vollem Schwalle Zu dem Bade sich ergieße.

Und nun komm, du alter Besen, Nimm die schlechten Lumpenhüllen! Bist schon lange Knecht gewesen: Nun erfülle meinen Willen!

Auf zwei Beinen stehe,  Oben sei ein Kopf, Eile nun und gehe Mit dem Wassertopf!

Walle! walle Manche Strecke, Dass, zum Zwecke, Wasser fließe Und mit reichem, vollem Schwalle Zu dem Bade sich ergieße.

Seht, er läuft zum Ufer nieder! Wahrlich! ist schon an dem Flusse, Und mit Blitzesschnelle wieder Ist er hier mit raschem Gusse. Schon zum zweiten Male! Wie das Becken schwillt! Wie sich jede Schale Voll mit Wasser füllt!

Stehe! stehe! Denn wir haben Deiner Gaben Vollgemessen! - Ach, ich merk es! Wehe! wehe! Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende Er das wird, was er gewesen! Ach, er läuft und bringt behende! Wärst du doch der alte Besen! Immer neue Güsse Bringt er schnell herein, Ach, und hundert Flüsse Stürzen auf mich ein!

Nein, nicht länger Kann ich's lassen: Will ihn fassen! Das ist Tücke! Ach, nun wird mir immer bänger! Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle! Soll das ganze Haus ersaufen? Seh ich über jede Schwelle Doch schon Wasserströme laufen. Ein verruchter Besen, Der nicht hören will! Stock, der du gewesen, Steh doch wieder still!

Willst's am Ende Gar nicht lassen? Will dich fassen, Will dich halten Und das alte Holz behende Mit dem scharfen Beile spalten!

Seht, da kommt er schleppend wieder! Wie ich mich nur auf dich werfe, Gleich, o Kobold, liegst du nieder; Krachend trifft die glatte Schärfe. Wahrlich! brav getroffen! Seht, er ist entzwei! Und nun kann ich hoffen, Und ich atme frei!

Wehe! wehe! Beide Teile Stehn in Eile Schon als Knechte Völlig fertig in die Höhe! Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Nass und nässer Wird's im Saal und auf den Stufen: Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister, hör mich rufen! - Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, Werd ich nun nicht los.

In die Ecke, Besen! Besen! Seid's gewesen! Denn als Geister Ruft euch nur, zu seinem Zwecke, Erst hervor der alte Meister."

Johann Wolfgang von Goethe

Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? – Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? – Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –

"Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; Manch bunte Blumen sind an dem Strand, Meine Mutter hat manch gülden Gewand."

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, Was Erlenkönig mir leise verspricht? – Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; In dürren Blättern säuselt der Wind. –

"Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter sollen dich warten schön; Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort? – Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau. –

"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan! –

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind, Er hält in den Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Mühe und Not; In seinen Armen das Kind war tot.

Johann Wolfgang von Goethe

 – LW /2017