Gelassen sieht der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, einen möglichen Eintritt der Grünen in die nächste Bundesregierung. „Mich persönlich schreckt eine solche Perspektive in keiner Weise“, sagte Rukwied vergangene Woche in der Fragestunde des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) im Rahmen der digitalen Grünen Woche (IGW).
Der DBV-Präsident begründete seine Position mit den Erfahrungen in Baden-Württemberg und der dortigen grün geführten Landesregierung. Insbesondere die Diskussionen um das Biodiversitätsstärkungsgesetz habe ihm gezeigt, dass mit den Grünen pragmatische Lösungen möglich seien. Dem Landesbauernverband in Badem-Württemberg sei es dabei gelungen, wesentliche Anliegen wie eine Vermeidung überzogener Anforderungen, eine Evaluierung der Maßnahmen sowie deren Erprobung auf Demonstrationsbetrieben zur Geltung zu bringen. Er habe daher die Hoffnung, dass auch bei einer möglichen grünen Regierungsbeteiligung im Bund eine Politik im Sinne der Bauern möglich bleibe, sagte Rukwied.
Hohe Erwartungen hat der DBV-Präsident noch an die Arbeit der Großen Koalition im Rest der Legislaturperiode. Er nannte insbesondere den Einstieg in die Umsetzung des Borchert-Konzepts für einen Umbau der Tierhaltung und mahnte eine Einigung auf eine Novelle des Baugesetzbuchs an, um Investitionen in mehr Tierwohl zu ermöglichen.
CRISPR/Cas statt gentechnische Veränderung
Offen zeigte sich der Bauernpräsident für neue Züchtungstechniken. Deren Einsatz in der Pflanzenzüchtung wäre nach seiner Überzeugung eine Chance für die Landwirtschaft. Angesichts des Klimawandels komme widerstandsfähigeren Pflanzen eine wachsende Bedeutung zu. Zudem erforderten die steigenden Umweltanforderungen Pflanzen mit höherer Nährstoffeffizienz. Für beide Bereiche könne die Genschere wichtige Beiträge liefern. Ausdrücklich unterschied Rukwied zwischen den neuen Züchtungstechniken und der klassischen Grünen Gentechnik: „Wir setzen auf CRISPR/Cas, nicht auf gentechnisch veränderte Organismen.“
Saisonarbeitskräfte unverzichtbar
Für unverzichtbar hält Rukwied den Einsatz von ausländischen Saisonarbeitskräften. Trotz Pandemie sei es im vergangenen Jahr gelungen, die Arbeitsfähigkeit insbesondere im Obst- und Gemüseanbau sowie dem Weinbau mit einer ausreichenden Zahl von Erntehelfern aufrechtzuerhalten. Bewährt hätten sich die Arbeitsschutzbestimmungen, die in enger Abstimmung zwischen der Bundesregierung, dem Robert-Koch-Institut (RKI) und dem Berufsstand erarbeitet worden seien. Diese Regelungen hätten weiterhin Gültigkeit. Offen sei derzeit, wie die Einreise gehandhabt werde. Dabei bleibe abzuwarten, ob es je nach Pandemieverlauf Einreisebeschränkungen und erneute Auflagen geben werde. Man setze nach den guten Erfahrungen des Vorjahres darauf, dass man gegebenenfalls auch in diesem Jahr praktikable Lösungen finden werde.
Zurückhaltend äußerte sich Rukwied zum Stand der Verhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) über den vom DBV vorgeschlagenen „Deutschland-Bonus“. Zuvor hatte er bei der Eröffnungspressekonferenz der IGW Digital weitere Gespräche mit dem LEH angekündigt. Ziel sei es, Einvernehmen über ein solches Konzept zu erzielen und Kriterien für einen „Deutschland-Bonus“ zu entwickeln. „Wir müssen den Widerspruch auflösen zwischen dem gesellschaftlichen Verlangen nach mehr Ökologie und Tierwohl auf der einen, und der häufig fehlenden Bereitschaft der Verbraucher, im Laden dafür mehr zu bezahlen, auf der anderen Seite.“ Deutliche Kritik übte Rukwied an den ungleichen Kräfteverhältnissen entlang der Wertschöpfungskette. Um weitergehende Angebotszusammenschlüsse auf der Erzeugerstufe zu ermöglichen, müssten kartellrechtliche Regelungen angepasst werden.
age – LW 4/2021