Neuer Blauzungenvirus in den Niederlanden

Handelsbeschränkungen reichen bis nach Deutschland

In den Niederlanden ist ein neuer Typ der Blauzungenkrankheit aufgetreten. Es handelt sich um den Serotyp BTV 6 (Blue Tongue Virus 6), der bislang nur im südlichen Afrika und Mittelamerika festgestellt wurde. Vermutlich wurde das Virus durch eine illegale Impfung mit einem nicht zugelassenen Lebendimpfstoff an die Tiere übertragen. Michael Schlag hat die aktuellen Informationen für das LW zusammengefasst.

Ein neuer Typ der Blauzungenkrankheit ist in den Niederlanden aufgetreten. Die Sperrzone reicht bis nach Deutschland hinein. Übertragen wurde der Virus nach Angaben der EU-Kommission durch die illegale Impfung mit einem Lebend­impfstoff.

Foto: Schlag

Betroffen sind vier Rinderbetriebe in den nordöstlichen Provinzen Overijssel und Gelderland in der Region der Städte Enschede und Deventer. In zwei niederländischen Betrieben war die Blauzungenkrankheit Mitte September ausgebrochen.

Typ bislang noch nicht in Europa aufgetreten

Die genetische Untersuchung der Viren (PCR-Analyse) durch die Universität Wageningen hatte zunächst nur ergeben, dass es sich um keinen der in Mitteleuropa bislang aufgetretenen Blauzungentypen handelte. Er ließ sich weder dem in Deutschland und Holland vorkommenden BTV-Typ 8, noch dem in Frankreich aufgetretenen Typ 1 zuordnen. Im Detail: Die PCR-Analyse hatte gezeigt, dass von insgesamt 250 untersuchten Positionen im Viren-Erbgut 11 Positionen vom Serotyp 8 abwichen. Die niederländischen Veteri­närbehörden reagierten alarmiert auf die Funde.

Illegale Anwendung eines Lebendimpfstoffes

Das Landwirtschaftsministerium in Den Haag erließ am Dienstag-Abend der vergangenen Woche vorsorglich ein Exportverbot für Rinder, Schafe und Ziegen. Die Untersuchung der Blutproben der erkrankten Rinder im EU-Referenzlabor Pirbright in England brachte dann am Wochenende Gewissheit: Es handelte sich um den Blauzungentyp 6, der bislang weder in Europa, noch in den Ländern Nordafrikas aufgetreten war. Nach Informationen der EU-Kommission handelt es sich um einen „modifizierten Lebend­virus“ (MLV), der durch die illegale An­wendung eines Lebend­impfstoffes übertragen wurde. In Europa gibt es gegen den Typ 6 keinen zuge­lassenen Impfstoff. Der Vorsitzende des niederländischen Bauernverbandes LTO, Siem-Jan Schenk, sagte im Agrarisch Dagblad, nach der gerade erfolgreich verlaufenen Impfung gegen BTV 8 „wirft der Ausbruch des neuen Typs uns wieder weit zurück.“

Sperrzone in Teilen von Nordrhein-Westfalen

Für die betroffenen Regionen gelten nun die schon aus dem Jahr 2007 bekannten Tierseuchen-Regeln mit Sperr- und Kontrollzonen für den Han­del mit Wiederkäuern. Das niederländische Ministerium hat einen Handelsstopp für empfängliche Zucht- und Nutztiere aus der Zone im Radius von 20 Kilometer rund um die betroffenen Höfe erlassen. Von dieser 20 Kilometer gro­ßen Sperrzone sind auch landwirtschaftliche Betriebe im Raum Gronau und Nordhorn in Nordrhein-Westfalen betroffen. Die mit einem Radius von 150 Kilometer weiter gefasste Beobachtungs-Zone umfasst auch drei Viertel von Nord­rhein-Westfalen, außerdem das westliche Niedersachsen. Transporte aus der 150-Kilometer-Zo­ne he­raus sind nur möglich, wenn die Tiere in Quarantäne „klinisch unauffällig“ blieben. Für Schlachttiere, die unmittelbar zum nächsten Schlachthof transportiert werden, gelten Ausnahmen.

Für BTV 6 gibt es noch keinen Schnellnachweis

Die Einhaltung der Veterinärbestimmungen für den neu aufgetretenen Typ BTV 6 ist zurzeit allerdings schwierig. Denn anders als für den bekannten BTV 8 gibt es noch keinen schnellen Nachweistest für BTV 6. Hierzu muss das Virus aus einer infizierten Kuh isoliert werden, was derzeit im niederländischen Lelystad durchgeführt wird. Die 150-Kilometer-Zone reicht an keiner Stelle bis nach Hessen. Hessen und auch Rheinland-Pfalz sind also nicht betroffen von den neuen Fällen, jedenfalls nicht direkt. „Indirekt ja“, sagt Rudi Paul, Ge­schäfts­führer der Zucht- und Besamungsunion Hessen (ZBH) in Alsfeld. Denn die Sperr- und Kon­trollzonen der Europäischen Union reichen nun einmal nach Deutschland hinein, und ausländische Käufer für Zuchtvieh „reagieren sehr sensibel“. Jedenfalls dürfe man das Auftreten des neuen Blauzungentyps nicht unterschätzen, so Paul: „Das hat das vergangene Jahr gezeigt“.