Neuer Blauzungenvirus in den Niederlanden
Handelsbeschränkungen reichen bis nach Deutschland
In den Niederlanden ist ein neuer Typ der Blauzungenkrankheit aufgetreten. Es handelt sich um den Serotyp BTV 6 (Blue Tongue Virus 6), der bislang nur im südlichen Afrika und Mittelamerika festgestellt wurde. Vermutlich wurde das Virus durch eine illegale Impfung mit einem nicht zugelassenen Lebendimpfstoff an die Tiere übertragen. Michael Schlag hat die aktuellen Informationen für das LW zusammengefasst.
Foto: Schlag
Typ bislang noch nicht in Europa aufgetreten
Die genetische Untersuchung der Viren (PCR-Analyse) durch die Universität Wageningen hatte zunächst nur ergeben, dass es sich um keinen der in Mitteleuropa bislang aufgetretenen Blauzungentypen handelte. Er ließ sich weder dem in Deutschland und Holland vorkommenden BTV-Typ 8, noch dem in Frankreich aufgetretenen Typ 1 zuordnen. Im Detail: Die PCR-Analyse hatte gezeigt, dass von insgesamt 250 untersuchten Positionen im Viren-Erbgut 11 Positionen vom Serotyp 8 abwichen. Die niederländischen VeteriÂnärbehörden reagierten alarmiert auf die Funde.
Illegale Anwendung eines Lebendimpfstoffes
Das Landwirtschaftsministerium in Den Haag erließ am Dienstag-Abend der vergangenen Woche vorsorglich ein Exportverbot für Rinder, Schafe und Ziegen. Die Untersuchung der Blutproben der erkrankten Rinder im EU-Referenzlabor Pirbright in England brachte dann am Wochenende Gewissheit: Es handelte sich um den Blauzungentyp 6, der bislang weder in Europa, noch in den Ländern Nordafrikas aufgetreten war. Nach Informationen der EU-Kommission handelt es sich um einen „modifizierten LebendÂvirus“ (MLV), der durch die illegale AnÂwendung eines LebendÂimpfstoffes übertragen wurde. In Europa gibt es gegen den Typ 6 keinen zugeÂlassenen Impfstoff. Der Vorsitzende des niederländischen Bauernverbandes LTO, Siem-Jan Schenk, sagte im Agrarisch Dagblad, nach der gerade erfolgreich verlaufenen Impfung gegen BTV 8 „wirft der Ausbruch des neuen Typs uns wieder weit zurück.“
Sperrzone in Teilen von Nordrhein-Westfalen
Für die betroffenen Regionen gelten nun die schon aus dem Jahr 2007 bekannten Tierseuchen-Regeln mit Sperr- und Kontrollzonen für den HanÂdel mit Wiederkäuern. Das niederländische Ministerium hat einen Handelsstopp für empfängliche Zucht- und Nutztiere aus der Zone im Radius von 20 Kilometer rund um die betroffenen Höfe erlassen. Von dieser 20 Kilometer groÂßen Sperrzone sind auch landwirtschaftliche Betriebe im Raum Gronau und Nordhorn in Nordrhein-Westfalen betroffen. Die mit einem Radius von 150 Kilometer weiter gefasste Beobachtungs-Zone umfasst auch drei Viertel von NordÂrhein-Westfalen, außerdem das westliche Niedersachsen. Transporte aus der 150-Kilometer-ZoÂne heÂraus sind nur möglich, wenn die Tiere in Quarantäne „klinisch unauffällig“ blieben. Für Schlachttiere, die unmittelbar zum nächsten Schlachthof transportiert werden, gelten Ausnahmen.
Für BTV 6 gibt es noch keinen Schnellnachweis
Die Einhaltung der Veterinärbestimmungen für den neu aufgetretenen Typ BTV 6 ist zurzeit allerdings schwierig. Denn anders als für den bekannten BTV 8 gibt es noch keinen schnellen Nachweistest für BTV 6. Hierzu muss das Virus aus einer infizierten Kuh isoliert werden, was derzeit im niederländischen Lelystad durchgeführt wird. Die 150-Kilometer-Zone reicht an keiner Stelle bis nach Hessen. Hessen und auch Rheinland-Pfalz sind also nicht betroffen von den neuen Fällen, jedenfalls nicht direkt. „Indirekt ja“, sagt Rudi Paul, GeÂschäftsÂführer der Zucht- und Besamungsunion Hessen (ZBH) in Alsfeld. Denn die Sperr- und KonÂtrollzonen der Europäischen Union reichen nun einmal nach Deutschland hinein, und ausländische Käufer für Zuchtvieh „reagieren sehr sensibel“. Jedenfalls dürfe man das Auftreten des neuen Blauzungentyps nicht unterschätzen, so Paul: „Das hat das vergangene Jahr gezeigt“.