Wie aktuelle Verkaufsergebnisse der Landmaschinen-Fachbetriebe zeigten, hätten die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise jetzt auch den heimischen Markt für Landmaschinen erreicht. Nach dem herausragenden Wachstumsergebnis der Landtechnikindustrie von plus 20 Prozent im Jahr 2008 gegenüber dem vorangegangen Jahr berichteten nun erste Hersteller von Kurzarbeit. Und doch hätten Landmaschinen-Fachbetriebe Grund zum verhaltenen Optimismus für das laufende Geschäftsjahr.
Mit diesen Aussagen eröffnete Werner Krummel, Ehrenvorsitzender des Landesverbandes Hessen der Landmaschinen-Fachbetriebe in der vorigen Woche die Jahresmitgliederversammlung des Verbands, welche in diesem Jahr bei der Firma Justus Becker Landtechnik im oberhessischen Weimar-Niederwalgern stattfand. Die meistens familienbetrieblich geführten Firmen seien gewohnt, mit den Hochs und Tiefs im Landtechnikgeschäft umzugehen, und insbesondere wüssten sie um den Stellenwert ihres Kunden, dem Landwirt, betonte Krummel. Das abgelaufene Jahr sei daher ein Jahr mit guten Umsätzen gewesen. Die gute Nachfrage nach Landtechnik habe sich fortgesetzt, die Landwirtschaftsbetriebe hätten einen gewissen Nachholbedarf gehabt und investiert. Vorläufige Statistiken zu den Traktorzulassungen von 2008 lägen bei circa 10 Prozent über dem Vorjahr.
Agrarmärkte haben sich gedreht
Inzwischen hätten sich aber die Agrarmärkte gedreht und die Landwirtschaft reagiere mit einer Zurückhaltung von Investitionen. Im Moment arbeite man noch Aufträge aus dem guten Jahr 2008 ab und liefere noch Schlepper und Maschinen aus, die im letzten Jahr nachbestellt wurden. Im Landtechnikmarkt für die Außenwirtschaft sei in diesem Jahr mit einer Abschwächung zu rechnen. Der Auftragseingang bei den Mitgliedsbetrieben habe sich seit circa zwei Monaten stark verringert, berichtete Werner Krummel. Langfristig werde die Nachfrage von Agrarprodukten wieder zunehmen und somit die Investitionsfreude steigen, ist sich der Ehrenvorsitzende sicher. Allerdings habe man es künftig mit sich deutlich schneller verändernden Märkten in der Landwirtschaft zu tun, auf die man sich als Zulieferer einzustellen habe. Krummel erwartet interne Verschiebungen, zum Beispiel bei der Milchwirtschaft. Aufgrund des Einbruches der Erzeugerpreise verliere man einerseits Landwirte als Kunden, weil sie ihre Betriebe aufgeben müssten, andererseits würden die bleibenden Betriebe aufstocken, stärker in die Innenwirtschaft investieren und damit deutlich größer. Daher werde für die Landmaschinen-Fachbetriebe der Markt für Hoftechnik wie Teleskoplader, Futtermischwagen und Melktechnik als Wachstumsmarkt gesehen.
Unternehmerisches und kundenorientiertes Denken sei stets das Fundamten für die erfolgreiche Entwicklung der Landmaschinen-Fachbetriebe gewesen, konstatierte Krummel. Mit diesen Grundsätzen sei man gut gerüstet für die sicherlich weiter wachsenden Herausforderungen, die dieser Markt künftig an die Firmenchefs stelle. Der Verband unterstütze seine Mitglieder auf dem Zukunftsweg zur Ausrichtung und Fortenwicklung ihrer Fachbetriebe durch gezielte Informationstagungen, Fachschulungen sowie Interessensvertretung. Deutschland zählt rund 5 000 Landmaschinen-Fachbetriebe, Hessen circa 200.
Betriebsbesichtigung
Vor der Jahresmitgliederversammlung wurde von den rund 20 Fachteilnehmern der Betrieb der Firma Justus Becker besichtigt. Der Geschäftsführer des in Hessen größten Vertriebs- und Servicepartners des Traktoren- und Landmaschinenfabrikanten Claas, Reiner Becker, erläuterte die Entwicklung seiner Firma. Firmengründer, Justus Becker, habe sich zunächst noch mit Milchfahren den Lebensunterhalt verdient, bevor er im Jahr 1957 im Zuge der zunehmenden Technisierung der Landwirtschaft mit Schmiedearbeiten begonnen habe. Später habe sich dessen Sohn, der Vater des heutigen Firmenchefs, als Landmaschinenmechaniker selbstständig gemacht und fortan für den Ausbau von Werkstatt und Landmaschinenhandel gesorgt. Den jüngsten großen Wachstumssprung habe man vor fünf Jahren vollzogen und den Betrieb komplett entsprechend den modernsten Anforderungen für Landtechnikhandel, Service und Wartung umgebaut. Die Firma verfügt jetzt, neben einer moderen Werkstatt, über einen speziellen Aufarbeitungsraum für Gebrauchtmaschinen, ein umfangreiches Ersatzteillager sowohl für Claas-Traktoren und Claas-Erntemaschinen als auch für das komplette Angebot im Lemken-Bodenbearbeitungsmaschinensortiment. Ferner gibt es einen großen Farmer-Shop, welcher mit seinem Angebot für Hof und Haushalt sowie Garten und Wald den Kundenkreis des insgesamt 32 Mitarbeiter großen Betriebes erweitert.
Landtechnik ist Hightech
Im landwirtschaftlichen Neumaschinengeschäft arbeitet Reiner Becker bei Traktoren und Erntemaschinen komplett mit dem Hersteller Claas. Im Bodenbearbeitungssegment ausschließlich mit Lemken. Beide Hersteller machten circa 80 Prozent am Umsatz der Firma Justus Becker aus. Vertriebs- und Servicegebiet erstreckten sich über die Landkreise Marburg-Biedenkopf, Lahn-Dill, Wetterau bis in den Vogelsberg hinein. Den Jahresumsatz seiner Firma beziffert der Geschäftsführer mit etwa 10 Mio. Euro, einschließlich von Agenturgeschäften (vermittelte Geschäfte im fremden Namen).
Zwei Dinge sind dem Firmenleiter besonders wichtig: Zum einen ist dies ein gutes Controlling, das heißt eine exakte Zeit- und Kostenerfassung für alle Kosten- und Leistungspositionen im Betrieb, wie Maschinen, Wartung und Service sowie Mitarbeiter und Garantieleistung. Zum anderen ist dies die Weiterbildung der Mitarbeiter im Betrieb, um den steigenden Ansprüchen des Kunden Landwirt beziehungsweise landtechnischen Lohnunternehmers gerecht werden zu können. Der Kauf einer Landmaschine sei heute eine gewaltige Investition, der Anspruch des Kunden entsprechend hoch, so Becker.
Anforderungen des Herstellers
Über die künftigen Anforderungen von Landtechnik-Hersteller am Landmaschinen-Fachbetrieb sprach Franz Hensen, Kundendienstleister für Deutschland der Firma Claas aus Harsewinkel. „Der Händler ist wichtiger als die Marke“, begann er seine Ausführungen. Hensen unterstrich den Stellenwert eines funktionierenden soliden und treuen Händlernetzes für die Hersteller von Landmaschinen, nicht weniger sei dies aber auch für die Landwirte wichtig. Hersteller und Landwirte seien auf eine kompetente Vertriebs- und insbesondere Serviceleistung von Landmaschinen-Fachbetrieben angewiesen. „Die Werkstatt ist für viele Landwirte der wichtigste Kaufgrund für den Schlepper“, zitierte Hensen Ergebnisse einer firmeneigenen Erhebung. Denn bereits mit der Maschinenübergabe fange die Nachbetreuung des Kunden an.
Weitere Fachvorträge folgten: Über den Zweck eines EDV-gestützten Betriebsorganisations und Zeiterfassungssystems sprach der Geschäftsführer der Firma COS Software aus Sittensen, Dieter Brandt. Die Fachbetriebe seien mehr denn je auf ein computergestütztes Management angewiesen. Wiederkehrende Betriebsabläufe, wie Wartungsarbeiten, würden automatisch im System generiert. Personal- und Teilekosten einer Operation seien mit vergleichsweise geringem Datenaufwand exakt auszuwerten, so Brandt. Lothar Hessler vom Pflanzenschutzdienst in Wetzlar berichtete zur Pflanzenschutz-Geräteprüfung in Hessen. Rund Dreiviertel aller Pflanzenschutz-Gerätekontrollen führten die Landmaschinen-Fachbetriebe durch.
Vom Landesverband der Landmaschinen-Fachbetriebe informierten Geschäftsführer Erich Reich und Achim Bazlen über Aktivitäten des Verbandes, unter anderem über die aktuellen Fortbildungsangebote des Dachverbandes der Landmaschinen-Fachbetriebe, des VdAW, Verband der Agrargewerblichen Wirtschaft. Moe