Betriebe brauchen Liquidität und Rücklagen für Risiken
HBV tagt in Langenselbold über Maßnahmen zur Finanzkrise
Jetzt geraten auch die Landwirte in LiquiÂditätsfallen als Folge der FinanzÂmarktkrise. Das machte Friedhelm Schneider, Präsident des Hessischen Bauernverbandes, in der vergangenen Woche in Langenselbold bei der erweiterten Verbandsratsitzung des HBV vor circa 70 Landwirten deutlich. Der HBV beriet Maßnahmen, die der Berufsstand zur Liquiditätssicherung in den Betrieben von der Politik fordert.
Den Bauern in Hessen und darüber hinaus fehlt das Geld auf den Höfen: „Wir haben alle das gleiÂche ProÂblem: Bei diesen ruinösen MilchÂpreisen, wie den ebenso desoÂlaÂten Erlösen der anderen ErzeugÂnisÂse vom Acker und aus dem Stall, zahlen wir drauf. Es klemmt überall in den Betrieben, in allen RegioÂnen“, stellte Schneider heraus. Diese DurstÂÂÂÂÂstrecke sei für viele BetrieÂbe zu lang. Trotz guter natürliÂcher Bedingungen könnten die Betriebe hierzulande nicht mehr erfolgreich wirtschaften; ihnen gehe die Luft aus. Schnell müsse auf politischer Ebene gehandelt werden, um die Bauern vor einer LiquiÂditätsÂÂfalle zu bewahren, so der Verbandspräsident. Die Erhaltung von Liquidität in den Betrieben sei der vordringlichste Schritt zur Rettung der Betriebe. Langfristig müsse man aber weiter daran arbeiten, Druck von den Agrarmärkten zu nehmen. Auch müsse man über Möglichkeiten des Ausgleichs von Risiken im Betrieb reden. Dies müsse künftig BeÂstandÂteil der Besteuerung in der Landwirtschaft sein. Die RisiÂkoÂÂausgleichsrücklage sollte weiterÂhin von der Berufsstandsvertretung gefordert werden.
Betriebsprämienvorfinanzierung
Zum Thema: „Finanzkrise – Auswirkungen auf die LandwirtÂschaft“ sprach Dr. Marcus Dahmen, Vorstandssprecher der LandÂÂÂÂwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt am Main. Er erläuterte das im März aufgelegte Programm seiner FörÂderÂbank der Liquiditätshilfedarlehen für Landwirte und sprach ferner über MöglichkeiÂten der UmschulÂdung von Altdarlehen für Landwirte. Außerdem informierte er über die geÂplante MaßÂnahme zur zinsfreien Vorfinanzierung der Betriebsprämie zum 1. Juli 2009. So solle die Auszahlung von 70 Prozent der Direktzahlungen laut der EU-KommisÂsion von Ende des Jahres auf MitÂte Oktober 2009 vorgezogen werden. Für den ZeitÂraum vom 1. Juli dieses Jahres bis zum 16. Oktober 2009 könnten entsprechend eines geplanten PakeÂtes Landwirte diese Summe von der Rentenbank als zinsfreien Kredit erhalten. Hier stehe die RenÂtenbank, welche entsprechend den Planungen diese vorgeÂzogene Abschlagszahlung auf die DirektÂzahlungen ab dem 1. Juli 2009 umsetze, noch in abschließenden GespräÂchen mit Bund und Ländern. Das FörderÂinÂstitut für die Landwirtschaft und für das AgriÂbusiness – auch in dem der LandÂwirtschaft nachÂgelagerten Sektor seien MaßnahÂmen nötig aufgrund weggebrochener Exportmärkte – ziele auf eine rasche Umsetzung der Betriebsprämienvorfinanzierung und wolle eine möglichst reiÂbungsÂlose Abwicklung gewährleisten. Wie bei den Finanzierungsprogrammen der Landwirtschaftlichen Rentenbank üblich, erfolgt die praktische Vergabe der Liquiditätshilfen für Landwirte über die HausÂbanken.
Zinsen steigen
Weiterhin machte Dahmen einen Ausblick auf die Agrar- und die Finanzmärkte. Er geht davon aus, dass als Folge eines „Machbarkeitswahnsinns der Politik“, um die Wirtschaft in dieser Finanzkrise zu stützen, derzeit noch „eine Politik des bilÂligen Geldes“ betrieben werde, der sich eine starke VerschulÂdung des Staatshaushaltes und – bereits in Kürze – steigende ZinÂsen der Zentralbanken und somit an den Geldmärkten anschließen. Mit Blick auf eine konjunkturelle Erholung der Wirtschaft geht Dr. Dahmen von einer Besserung der allgemeinen Lage für Industriebetriebe und die Wirtschaft nicht vor dem Sommer nächsten Jahres aus. Wenngleich bereits jetzt erste Indikatoren auf eine leichte Erholung der wirtschaftlichen Krise im Land hinwiesen.
Landwirtschaft indirekt betroffen
Nach Ansicht des Finanzfachmannes ist die Landwirtschaft von der Krise in der übrigen WirtÂschaft aber nicht direkt betroffen. Indirekt seien allerdings als Folge der GeldÂmengenÂpoÂliÂtik der Europäischen Zentralbank und den sich abzeichnenÂden steigenden Zinsen auch fremdÂkapitalabhängige Landwirtschaftsbetriebe von dieser EntÂwickÂlung betoffen.
Landwirtschaft aus Bankensicht
Der Chef der Rentenbank skizÂÂzierte zuvor die konjunkturelle Entwicklung der LandwirtÂschaft aus Bankensicht. In der Landwirtschaft verÂzeichÂÂne man seit Herbst vorigen Jahres eine deutlich rückläufige InÂÂvesÂÂtiÂtionsÂneigung. Von den ProÂÂÂÂgrammÂÂkrediten der LandÂwirtÂÂschaftÂÂlichen Rentenbank sei besonders das JunglandwirÂteÂprogramm betroffen, wo man in diesem Jahr einen Einbruch in der FörÂderÂkreditnachfrage verzeichnen müsse. Und doch schätzt der Vorstandssprecher der Rentenbank, welche die zinsÂvergünsÂtigten KreÂditÂproÂgramÂme für LandwirÂte überwiegend durch Geldgeschäfte mit rund 1 300 Banken in Europa finanzieÂre, die Perspektiven der Bauern langfristig gut ein. Vier große Trends zählte er daÂzu auf. Als ersÂtes nannte er die wachsende WeltÂbevölkerung. „In zwölf JahÂren müssen eine Milliarden MenÂschen mehr ernährt werden“, so Dahmen. Die Nachfrage nach Erzeugnissen der Landwirtschaft steige also stark an. Zweitens verÂänderten sich mit wachsendem Wohlstand, etwa in Indien und China, auch die KonsumgewohnÂheiten: Aufstrebende Mittelschichten fragten statt bisher Getreide dann mehr Fleisch- und Milchprodukte in den LeÂbensÂmittelmärkten nach. AußerÂdem sorge Trend Nummer drei, die Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen, für steiÂgende und stabilere Preise bei landÂwirtÂschaftlichen Produkten. Nicht zuletzt führe auch der KliÂmaÂwandel zu einer Versteppung bislang noch landwirtschaftlich genutzer Regionen in der Welt. Das habe zur Folge, dass BetrieÂbe an Gunststandorten, wie hierÂzulande, aus Bankensicht langÂfrisÂÂtig gute Chancen zum InvesÂtieren in ihre Höfe hätten. Damit gewinne auch das Kreditgeschäft mit LandÂwirten an Bedeutung und sei attrakÂtiv für die FinanzÂbranÂche, konstatiert Dahmen. Allerdings: „Wir glauben, dass wir diese wachÂsenÂÂde Relevanz der LandÂwirtschaft in der Gesellschaft künftig stärker kommunizieren müssen.“ Moe