Ist die große Anzahl der einzelnen Weine auf der Weinpreisliste notwendig oder tut sich der Kunde bei einem kleinen, übersichtlichen Angebot nicht leichter bei seiner Weinauswahl und Bestellung? Wie ist es mit der Lagerhaltung der vielen Sorten und den Geschmacksrichtungen? Rudolf Litty hörte sich für das LW bei den Weingütern um.
Grundsätzlich wäre es für einen selbstvermarktenden Winzerbetrieb wünschenswert, ein schlankes Weinsortiment zu haben. Der logistische Aufwand wäre wesentlich geringer, was einen positiven betriebswirtschaftlichen Effekt brächte. Das Problem in den deutschen Anbaugebieten ist, dass wir so viele zugelassene Rebsorten haben, wie in keinem anderen Land. Dies bedingt, dass der Kunde auch eine größere Sortenvielfalt nachfragt. „Der Kunde von heute ist durch sein Einkaufsverhalten an ein Fachhandels- und Lebensmitteleinzelhandelssortiment gewöhnt, in dem er für jeden Anlass und Geschmack zahlreiche Weinsorten in verschiedenen Geschmacksrichtungen findet. Ähnliches erwartet er auch bei seinem Winzer,“ meint Kuno Volz vom Weingut Eugen Volz in Essingen. Je kleiner die Weinkarte, umso mehr befürchte der Kunde, etwas zu verpassen, selbst wenn er letztendlich doch nur eine kleine und womöglich immer die gleiche Auswahl trifft. Ein Minimalsortiment, meist bestehend aus autochthonen Sorten, können sich nur wenige Winzer erlauben, die ihre Weine meist im hoch- bis höchstpreisigen Segment anbieten.
Umfangreich, aber klar strukturiertes Weinangebot
„Unser Weinsortiment ist recht umfangreich, aber klar strukturiert und übersichtlich in die Qualitätspyramide eingeteilt“, beschreibt das Weingut Reinhard und Esther Schmitt aus Ilbesheim seine Karte. Das warme Klima der Pfalz, die vielfältige Bodenstruktur und die reiche Sortenvielfalt sei eine besondere Stärke der Pfalz. Dadurch sieht Schmitt die einzigartige Möglichkeit, dem Weingenießer eine breite, abwechslungsreiche Palette unterschiedlichster Weine zu bieten. „Diese besondere Stärke der Pfalz sollten wir nutzen und deshalb ist es für unseren Betrieb eine Herausforderung, die große Sortenvielfalt zu verwirklichen. Wir stehen hinter jedem Wein und jedem Produkt in unserem Sortiment und seit Jahren sind unsere Kunden begeistert von der Vielfältigkeit und der Qualität“, sagt Schmitt. „Unser Kunde ist bei der Weinauswahl nicht überfordert, viel mehr genießt er die fachliche Beratung und Empfehlungen der Weine zu den unterschiedlichen Gelegenheiten des Lebens“, davon sind die Schmitts überzeugt.
Überbordendes Weinsortiment verwirrt die Kunden
Das Weingut Thomas Gernert aus Sankt Martin beschreibt sein Angebot: „Süffige Weißweine für die seit Jahrzehnten treuen Kunden. Trockene Weißweine sind ein Muss für Jung- als auch Altkunden. Der Rotweinweinboom, traditionelle Sorten und zunehmend jetzt auch die internationalen Roten, ausgebaut in allen Spielarten; neue Typenweine in Classic und Selection; dazu Sekte, Secco, Piccolo, Traubensäfte, verschiedene Brände, auch im Barrique ausgebaute Erzeugnisse runden das Programm ab.“ Das sind weit über 60 Positionen und wenn möglich, soll der neue Jahrgang - Weißweine - schon ab März im Verkauf sein. Das Ganze ist nur mit riesigem Aufwand an Stunden und viel persönlichem Engagement verbunden. „Was haben wir uns da nur angetan“, klagt Gernert, doch das Zurück ist fast nicht zu realisieren, denn kein Kunde darf verloren gehen. „Jeder Wein hat seine Liebhaber. Wir sind uns bewusst, dass viele unserer Kunden durch das umfangreiche Angebot überfordert sind. Streichen – ja, das machen wir alljährlich, doch dem Trend folgend kommt ständig etwas Neues hinzu. Ich wünsche uns allen, dass wir mehr Mut zum Streichen haben“, so Gernert.
„Ja, unser Weinsortiment ist umfangreich“, bestätigt auch Regina Wagner vom Weingut Ludwig Wagner und Sohn in Maikammer. „Das bedeutet kellertechnisch für den Kellermeister ein Mehr an Aufwand. Unsere Weinpreisliste ist nach dem Schema – trocken, halbtrocken, lieblich – strukturiert, sodass für unsere Kunden eine klare Übersicht gegeben ist.“ Der Trend des Kunden, wie Gesundheit und Alterstruktur, bedinge auch eine ständiges Anpassen an den Weintyp. „Das mediterrane Klima unserer Region begünstigt automatisch die Variationsbreite an Rebsorten und die verschiedenen Geschmacksstile unserer Kunden. Der Verbraucher ist flexibel, sucht die Vielfalt und benötigt Auswahl“, betont Regina Wagner. Sich heutzutage auf ein minimiertes Angebot und auf eine Richtung im Ausbau zu konzentrieren, das benötige eine 100%ige Kundenbindung, gibt Wagner zu Bedenken. Der Weinfreund suche und schätze die Offerte. Insofern könne eine stimmige Weinauswahl eine stärkere Kundenbindung bedeuten. „Jede Rationalisierungsmaßnahme kann zum Verlust eines Kundenkreises führen und muss mit Preiserhöhung abgefangen werden. Das ist nicht unsere Betriebsstruktur“, erklärt Wagner.