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Der Abschied von der Windel

So können Sie Ihrem Kind den Töpfchen-Start erleichtern

Endlich Ruhe: Sich auf dem stillen Örtchen beziehungsweise Töpfchen ein Bilderbuch anzusehen, das gefällt der Kleinen. Die Windel wird dabei überflüssig. Foto: imago images
Geschafft! Und das Ergebnis wird schnell zu den Eltern gebracht. Foto: imago images

Irgendwann zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag ist es so weit: Das Töpfchen-Training kann beginnen. Aber allzu großer Ehrgeiz von Eltern, denen der Abschied von der Windel nicht schnell genug geht, ist hier fehl am Platze: Die Kinder signalisieren selbst, wann sie dafür bereit sind und jedes Kind hat sein eigenes Tempo bei diesem wichtigen Lernprozess. So können Sie Ihr Kind auf dem Weg zum Sauberwerden unterstützen:

Bis Blase und Stuhlgang von einem Kind wirklich kontrolliert werden können, ist es ein weiter Weg – und jedes Kind geht ihn ganz unterschiedlich. Säuglinge entleeren ihre Blase unwillkürlich etwa 20 mal am Tag. Ab dem 6. Lebensmonat werden die Intervalle zwischen diesen Entleerungen größer, mit etwa zweieinhalb Jahren zeigt ein Gefühl an, dass die Blase gefüllt ist. Das Harnlassen kann aber durch Anspannen der äußeren Schließmuskel und der Beckenbodenmuskulatur verhindert werden. Diese willkürliche Kontrolle des Blasenmuskels kann etwa ab dem vierten Lebensjahr vom Kind bewusst beherrscht werden.

Interesse zeigen

Die Kontrolle des Darms funktioniert ähnlich – allerdings von Kind zu Kind unterschiedlich: Mal klappt das große Geschäft schon ganz gut auf dem Klo oder Töpfchen und das Pipimachen ist noch ein Problem. Mal hat man das Gefühl, die Kinder wissen längst ganz genau, wann sie müssen, verlangen dann aber zum Toi­lettengang noch partout eine Windel – nur, um dann wieder hineinzumachen. Viele Kinder senden irgendwann Signale aus: Interessieren sich brennend dafür, wenn ihre Eltern oder Geschwister auf der Toilette verschwinden, wollen unbedingt die Spülung betätigen oder zugucken, was da im Bad vor sich geht. Auch das Beispiel der älteren Spielkameraden sorgt meist innerhalb kürzester Zeit dafür, dass die Zeit der Windel vorbei sein wird.

Mein Sohn verzog sich kurz vor seinem dritten Geburtstag immer mit einem hochroten Kopf hinter die Gardine oder eine angelehnte Tür – um dann anschließend erleichtert und mit unverkennbarer Duftmarke wieder dahinter hervorzulugen und vehement darauf zu bestehen, dass Mama die Windel wechselt.

Bei vielen Kinder gelingt er irgendwann innerhalb weniger Tage, der Abschied von der Windel: Durch das Beispiel der Spielkameraden im Kindergarten angespornt, wollen die meisten spätestens dann den Großen in punkto Klo nacheifern. Dass frühes Engagement der Eltern übrigens in Bezug aufs Sauberwerden wenig hilfreich ist, haben amerikanische Kinderärzte in einer Studie nachgewiesen: Sie kamen zu dem Schluss, dass Kinder umso länger dafür brauchen, tagsüber trocken zu werden, je früher sie mit dem Training angefangen hatten. Kinder unter 27 Monaten benötigten für den Lernprozess bis zu dreimal mehr Zeit als ältere. Die Wissenschaftler sahen daher wenig Sinn da­rin, die Kleinen vor dem 27. Lebensmonat an die Toilette gewöhnen zu wollen. Durchschnittlich waren die Kinder in dieser Studie gut 36 Monate – also drei Jahre alt – bis sie das Ziel „tagsüber trocken“ erreicht hatten. Die individuell erreichten Werte verteilten sich über einen Zeitraum von 22 bis 54 Monaten – also von knapp zwei bis viereinhalb Jahre. Im Schnitt waren die Mädchen etwas schneller in dieser Entwicklung als die Jungen. Mit fünf sollte ein Kind nur noch selten in die Hose oder ins Bett machen. Ist das nicht der Fall, sollte der Kinderarzt zu einem Bera­tungstermin aufgesucht werden.

Körperliche Voraussetzungen müssen stimmen

Damit Kinder sauber werden, müssen die körperlichen Voraussetzungen vorliegen: Das Erlangen der Kontrolle über Blase und Schließmuskel unterliegt nämlich Reifungsprozessen. Das Kind muss am Druck in Blase und Darm erkennen, dass es „muss“ und es muss seine Blasen- und Darmmuskulatur benutzen können – ganz kontrollieren kann es sie frühestens mit drei Jahren. Es sollte außerdem dem Zusammenhang zwischen Pipi-machen-müssen und dem Entleeren seiner Blase erkannt haben. Diese Reifungsprozesse sind immer auch vernetzt mit anderen Entwicklungsschritten, wie zum Beispiel der Entwicklung eines eigenen Willens und der Handlungskontrolle: Schließlich sollte es gelernt haben, Handlungen wie das Pipimachen auf später verschieben zu können. Dafür spielt auch die Entwicklung des Zeitverständnisses eine Rolle: Obwohl hierzu noch wenig Befunde vorliegen, geht man davon aus, dass Kinder bis ins dritte Lebensjahr hinein hauptsächlich in der Gegenwart leben. Erst dreieinhalb bis vierjährige Kinder beginnen zeitbezogene Worte richtig zu benutzen – und haben mit Dingen, die in der Zukunft liegen noch größere Schwierigkeiten als mit der Vergangenheit.

Reifungsbedingte Fähigkeiten wie die Blasenkontrolle können deshalb nicht zu Zeitpunkten antrainiert werden, wenn die Grundlagen für diese Funktionen sich noch gar nicht entwickelt haben.

Tipps, auf dem Weg zum Trockenwerden

Aber dennoch können Eltern einiges tun, um ihren Kleinen den Weg weg von der Windel zu erleichtern:

„Pannen“ gehören dazu

Das Kind nicht bloßstellen

Wann kommt der endgültige Durchbruch?

Erwarten Sie nicht, dass Ihr Kind von einem Tag auf den nächsten trocken und sauber wird. Das kann passieren – ist aber eher die Ausnahme. Jedes Kind erlebt auf diesem Weg einen Entwicklungsprozess, der rund zwei Jahre dauert und währenddessen es viele „Unfälle“ und Rückfälle gibt. Solange Kinder noch keine vollständige Kontrolle über ihre Körperfunktionen haben, ist es besonders wichtig, ihnen kein Versagensgefühl zu vermitteln.

Und lassen Sie sich bloß nicht auf einen Elternwettstreit ein, welches Kind am schnellsten sauber ist. Auch indirekter Druck behindert die natürliche Entwicklung. Schließlich kommt da auch noch die Trotzphase, die einem erfolgreichen, dauerhaften Verzicht auf die Windel auch noch im Wege stehen kann. Mögliche frühere Teilerfolge können mit Einsetzen der Trotzphase – gegen Ende des zweiten Lebensjahres, wenn das Kind seinen eigenen Willen entdeckt – auch wieder Rückschritte erfahren. Sabine Hense-Ferch

Wenn Kinder wieder einnässen – mögliche Ursachen

Das Einnässen gehört zu den häufigsten Störungen im Kindesalter. Untersuchungen zeigen: Nachts nässen noch etwa 25 Prozent der Vierjährigen, zehn Prozent der Siebenjährigen und sogar ein bis zwei Prozent der Jugendlichen ein. Je nachdem, ob die Kinder auch tagsüber oder nur nachts das Wasser nicht halten können, können verschiedene Ursachen dahinterstecken.

 

Windeldermatitis

Während der gesamten Wickelzeit ist der Po im wahrsten Sinne des Wortes Babys wunder Punkt. Kein Wunder – die zarte Haut ist den ganzen Tag unter Verschluss und bekommt keine Luft. So bildet sich in der weichen und dünnen Babyhaut schnell ein warmes, feuchtes Klima – selbst bei hochwer­tigen modernen Windeln. Keime und Krankheitserreger – Bakterien und Pilze, vor allem der Hefepilz Can­dida albicans – haben ein leich­tes Spiel. Hinzu kommt, dass der Windelbereich unweigerlich mit ätzenden Substanzen, nämlich mit Stuhl, Urin und Seifenresten, in Be­rührung kommt. Häufige Fol­ge: Rötungen, Hautreizungen und Ent­zündungen, kurz Windeldermatitis.

Leichtere Formen, bei denen der kleine Po nur ein wenig gerötet ist, können Eltern mit wundhei­lungsfördernden und entzündungs­hemmenden Salben oder Cremes aus der Apotheke gut selbst behandeln. Sie sorgen – in Kombination mit viel Frischluft und häufigem Windelwechsel etwa alle zwei bis drei Stunden und natürlich nach jedem größeren Geschäft – dafür, dass die Reizung innerhalb weniger Tage wieder verschwindet. Als Grundlage haben sich Wundschutz­pasten mit Dexpanthenol, Zink- oder Lebertranzusatz bewährt. Häufig eingesetzte Wirkstoffe sind zum Beispiel Nystatin und Clotrimazol. Creme nie zu dick auftragen, da sonst die Hautporen verstopfen. Beim Windelwechsel gilt: Den Po mit warmem Wasser waschen, keine Seife oder andere Badezusätze verwenden, denn sie entfetten die Haut, und am besten ohne Windeln „lufttrocknen“, bevor das Kind neu gewickelt wird. Stoffwindeln haben sich als eine nicht sehr zielführende Alternative herausgestellt, im Gegenteil: Die Reibung des Stoffes trägt zur Entstehung oder Verschlimmerung von Windeldermatitis bei. Bei schlechter Heilung, starker Ent­­zündung, wenn die Haut schuppt, Pickelchen oder Ausschlag sogar offen sind und bluten, sollte der Kinderarzt aufgesucht werden. Dies ist auch wichtig, um schmerzhafte Folgeerkrankungen, wie beispielsweise Pilzinfektionen, Ekzeme oder bakterielle Entzündungen, zu vermeiden oder eventuelle Allergien zu erkennen. pgk

  – LW /2010