Mitte Februar fand die Mitgliederversammlung der Fachgruppe Jagdgenossenschaften im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd statt. Vorsitzender Uwe Bißbort konnte in der Gemeinschaftshalle Dreisen zahlreiche Jagdgenossen und Jäger begrüßen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die steigenden Wildschäden, insbesondere durch die zu hohe Schwarzwildpopulation, sowie die Umsatzsteuerpflicht und die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung als Herausforderung in der täglichen Arbeit der Jagdgenossenschaften.
Vor dem Hintergrund der immer höheren Anforderungen an die ehrenamtlich Tätigen, wurde auch die Absicherung der Vorstandsmitglieder der Jagdgenossenschaften thematisiert. Musikalisch umrahmt wurde die Versammlung von den Rosenbacher Jagdhornbläsern.
Bei der Präsentation des Tätigkeitsberichts der Fachgruppe durch Rechtsanwältin Frauke Mundanjohl wurde deutlich, dass die Schwarzwildpopulation bisher nicht reduziert werden konnte. Nachdem die Jagdstrecke im Jagdjahr 2017 / 2018 ein Rekordhoch mit rund 88 650 Stück erreicht hatte, brach diese im Jagdjahr 2018 / 2019 wieder um ein Drittel auf etwa 57 000 Stück ein. Angesichts dieser Entwicklung müssen Jagdgenossenschaften immer öfter selbst Wildschäden ersetzen, da kaum noch ein Jagdpächter bereit ist, sich vollumfänglich zum Wildschadensersatz zu verpflichten. Wer Jagdpächter werden soll, beschließt die Genossenschaftsversammlung. Letztlich ist der Jagdvorstand verpflichtet die Jagdpachtverträge abzuschließen. Ist dabei das Jagdrevier nicht präzise genug beschrieben, kann es passieren, dass der Vertrag gerichtlich für nichtig erklärt wird. Dies kann zur Folge haben, dass immense Haftungsansprüche auf die Vorstandsmitglieder der Jagdgenossenschaften zukommen könnten.
Vorstandsmitglieder rechtlich abgesichert vor Haftung
Mit Blick auf die seit 2018 gültige Datenschutzgrundverordnung ist ebenfalls Vorsicht geboten, da Jagdgenossenschaften personenbezogene Daten speichern. Auch im Rahmen der Umsatzsteuerpflicht, die ab dem Jahr 2021 greift, sind im Arbeitsablauf verschiedene Vorgaben zu beachten. In beiden Bereichen kann es schnell zu Fehlern kommen, für die Vorstandsmitglieder mit ihrem privaten Vermögen haften. Da verwundert es nicht, dass sich kaum noch Jagdgenossen zur Übernahme des verantwortungsvollen Ehrenamtes finden. In der Mitgliederversammlung wurde daher einstimmig beschlossen, dass die Fachgruppe Jagdgenossenschaften für ihre Mitglieder eine Vermögenshaftpflichtversicherung abschließt. Dadurch bekommen die Mitglieder für einen Jahresbeitrag von 90 Euro ab sofort nicht nur alle wichtigen Neuigkeiten zum politischen Geschehen rund um die Jagd, rechtliche Informationen zum Jagdrecht, einen Musterjagdpachtvertrag sowie kostenlose Rechtsberatung, sondern auch die Absicherung ihrer Vorstandsmitglieder vor berechtigten Haftungsansprüche.
Zum Thema „Schwarzwild – Erfahrungen und Perspektiven zum Management einer konfliktträchtigen Wildart“ referierte Wildbiologe und Schwarzwildexperte Niels Hahn von der WILCON-Wildlife Consulting. Durch seinen Vortrag konnten selbst erfahrene Jäger neue Erkenntnisse gewinnen. Wildschweine verursachen aufgrund ihrer hohen Population nicht nur erhebliche Schäden im Wald und Flur, sondern beeinträchtigen auch Naturschutzziele, breiten sich im Siedlungsraum immer weiter aus und sind manchmal ursächlich für tödliche Verkehrsunfälle.
Auch für die Wiederaufforstung des von Borkenkäferkalamitäten gebeutelten Waldes stellen die Schwarzkittel ein Problem dar. Gemäß dem Jagdgesetz soll die Jagd dem Schutz des Wildes und seinem Lebensraum dienen sowie die Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen der Land- und Forstwirtschaft, unter Berücksichtigung der öffentlichen Belange, vermeiden. Diese Ziele seien mit der aktuellen Bestandsdichte nicht zu erreichen. Dies werde insbesondere mit dem Blick auf die Afrikanische Schweinepest deutlich.
Obwohl die Seuche und deren katastrophalen Folgen bei einem Ausbruch in Deutschland schon seit mehr als zehn Jahren bekannt sind, sei bei der Reduzierung der Schwarzwildbestände kein Fortschritt zu sehen – im Gegenteil. Zwar werden in Rheinland-Pfalz seit mehreren Jahren Empfehlungen zur Schwarzwildbejagung im „Handlungsprogramm zur Reduzierung der Schwarzwildbestände und zur Vermeidung des Ausbruchs einer Tierseuche“ herausgegeben, aber nach Ansicht des Wildbiologen würden die darin genannten Maßnahmen nicht ausreichen, um eine nachhaltige Minderung der Wildschweinzahlen zu erreichen. Die Explosion der Schwarzwildpopulation ist durch einen Ursachenkomplex verursacht worden. Zunächst haben Wildschweine kaum Fressfeinde, so dass sie nicht als Beute gegriffen werden. Darüber hinaus führt der Klimawandel zu verbesserten Überwinterungsbedingungen und gleichzeitig zu großen Kalamitätsflächen, die den Tieren viele Rückzugsmöglichkeiten bieten.
Mastjahre haben weniger Bedeutung als Kirrung
Die Mastjahre im Wald haben für die Wildschweine eine sinkende Bedeutung, da ihnen die Kulturflächen und die vielerorts vorgenommenen Kirrungen eine ausgewogene Nahrungsgrundlage bieten. Durch die erhebliche Energieaufnahme ist auch die Zuwachsrate angestiegen. Hinzu komme laut Hahn, dass die Jagenden die Bachen lange Zeit fälschlicherweise verschont hätten. Dass die Jagd meistens nur noch als Hobby in der Freizeit ausgeübt wird, sei ebenfalls keine optimale Bedingung. Schlussendlich spiele auch der schlechte Ruf der Jagd in der Gesellschaft eine Rolle, wodurch Wildbret schwer zu vermarkten sei. Eine effektive Schwarzwildbejagung müsse aber stattfinden, da es einerseits ein Gesetzesauftrag ist und die Jagenden eine Allgemeinwohlverpflichtung haben. Eine energische Schwarzwildbejagung sei letztendlich auch ein Ausdruck des Eigentumsrechts. Insofern sei die Reduktion des Schwarzwildbestandes Aufgabe der Jagdausübungsberechtigten, aber nicht ohne klar formulierte Ziele der Jagdrechtsinhaber.
Jagdstrecke und Bestand steigen stetig
Ein Indikator der Populationsregulation ist stets die Jagdstrecke. In Rheinland-Pfalz gibt es rund 20 000 Jagdscheininhaber, etwa 3 500 Jagdbezirke und 1,95 Mio. Hektar Jagdfläche. In den letzten 15 Jahren sind 316 500 Wildschweine erlegt worden. Die Tendenz der Jagdstrecken in dieser Zeit ist steigend. Dies ist ein Indiz, dass auch die Population steigt. Die Probleme liegen auf der Hand, die Ursachen sind bekannt und Lösungsempfehlungen liegen vor, dennoch gelingt es nicht, die Schwarzwildpopulation auf ein akzeptables Niveau zu senken. Dies sei darauf zurückzuführen, dass durch mangelhafte Kommunikation keine gemeinsamen Ziele formuliert werden, die Beteiligten oftmals eigene Interessen verfolgten und Schuldzuweisung bei eintretenden hohen Wildschäden im Vordergrund stehen, so Hahn.
Hinzu komme, dass sich viele Jäger nicht ausreichend mit der Verhaltensweise des zu bejagenden Schwarzwildes auseinandersetzen würden. Die Jagdausübungsberechtigten hätten oft auch die unbegründete Angst, sie würden ihr Jagdrevier leer schießen. Nur 35 Prozent der Jagenden könne sich ein Revier ohne Schwarzwild vorstellen. Dies sei schon ein großer Fehler der Jagenden und hier müsse endlich ein Umdenken stattfinden, führte Hahn aus. Nach seiner Ansicht gehört zu einem guten Jagdmanagement, dass die aktuelle Strategie stets hinterfragt, angepasst und gemeinsam von allen Beteiligten vor Ort umgesetzt wird. Dabei sollten auch altbekannte Wege beschritten und neue Ideen ausprobiert werden. Kirrungen sollten ganz unterlassen werden, denn anhand von Magenuntersuchungen wurde festgestellt, dass sich das Wild ganzjährig hauptsächlich von Getreide ernährt, obwohl Getreide aus der Feldflur nur von Mai bis Oktober zur Verfügung stehen würden. Allein 37 Prozent der Nahrung stamme aus Fütterungen. Dadurch bekämen die Tiere zusätzliche Energie zur Verfügung gestellt, sodass sie widerstandsfähiger werden und mehr Nachwuchs haben. Auf dieser Grundlage nehme die Schwarzwildpopulation zu anstatt ab.
Zur Reduzierung des Schwarzwildbestandes müsse eine intensive Bejagung stattfinden. Die Nachtjagd sei dabei ein effizientes Mittel, daher sei es nicht nachvollziehbar, dass die Nachtzieltechnik bei der Schwarzwildbejagung nicht erlaubt wird, insbesondere da die ASP in Deutschland jederzeit ausbrechen oder entdeckt werden könne. Auch Bewegungsjagden sind nach Auffassung des Schwarzwildexperten bei der Wildschweinbejagung unverzichtbar. Der beste Zeitpunkt für die Bewegungsjagden sei in den Monaten Oktober bis Februar. Hierbei sei es auch wichtig, dass die benachbarten Jagdrechtsausübungsberechtigten gegenseitig die überjagenden Hunde akzeptieren. Eine Klausel diesbezüglich sollte in alle Jagdpachtverträge aufgenommen werden, damit die Jagdpächter sich dazu auch verpflichten.
Eine uralte Bejagungsmethode ist der Saufang. In Belgien habe sich diese bei der Bekämpfung der ASP als eine der effektivsten Methoden bewährt. Mit dem Saufang könne störungsarm und tierschutzgerecht gejagt werden. Viele Jäger würden diese aber als nicht tierschutzgerecht und unwaidmännisch ablehnen, da sie lieber mit der Waffe jagen.
Brunstunterdrückung wäre eine Möglichkeit
Eine weitere Überlegung zur Schwarzwildreduzierung sei auch die Brunstunterdrückung. Hahn berichtete von einer Bewegungsjagd bei der fünf Frischlingsbachen mit 13, fünf Überläuferbachen mit 32 und eine Bache mit sieben lebensfähigen Föten erlegt wurden. Unterstellt man einen natürlichen Frischlingsverlust in den ersten drei Lebensmonaten, so müssten mindestens 36 Frischlinge erlegt werden, damit zumindest der Zuwachs gestoppt wird. Es sollte eine GNRH-Impfung eingeführt werden. Die Immunokastration (auch Immunkastration) mit diesem Wirkstoff ist ein immunologisches Verfahren zur Verhinderung der Bildung von Geschlechtshormonen, wodurch für eine begrenzte Zeitdauer die gleiche Wirkung wie bei einer chirurgischen Entfernung der Geschlechtsdrüsen (Kastration) erzielt wird. Das Verfahren wird in der Veterinärmedizin vor allem bei Pferden und Schweinen sowie zur Kontrolle der Populationsdichte bei Wildtieren eingesetzt. Diese Methode wäre eine hervorragende Möglichkeit zur Kontrolle des Schwarzwildbestandes, insbesondere bei einem drohenden ASP-Ausbruch. Dagegen sträuben sich jedoch viele Jäger. Angesichts von ASP sei es aber geboten, jede Chance zu nutzen, um den Schwarzwildbestand zu reduzieren.
Frauke Mundanjohl – LW 15/2020