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Kammer braucht langfristige finanzielle Sicherheit

Haushaltslage der Landwirtschaftskammer nicht erfreulich

Die Mitglieder des Parlaments der Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz mussten sich lange gedulden, bis Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken in ihrer Rede im Rahmen der Vollversammlung in Bad Kreuznach verkündete, dass Zuwendungen des Landes für 2016 in Höhe von 750 000 Euro geplant sind. Dennoch brach keiner in Dankes- oder Jubeltöne aus.

Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, zählte die hohen Belastungen für die landwirtschaftlichen Betriebe auf: Preisdruck, Bodenknappheit und Bürokratie. Foto: Setzepfand
Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken sprach sich für die Beihaltung von Beratung, Forschung und Ausbildung in den ländlichen Räumen aus. Foto: Setzepfand
Eckhard Heuser, Geschäftsführer des Milchindustrieverbands hält am Export von Milch fest. Seine Devise lautet: Durchhalten, bis Moskau und China wieder am Markt sind. Foto: Setzepfand
Hans-Josef Hilgers von der RWZ Köln sagte: „Die Landwirtschaft muss sich künftig auf volatilen und nationalen Märkten behaupten, umgeben von einer kritischen Bevölkerung.“ Foto: Setzepfand

Denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass damit gerade einmal die neuen Aufgaben der Kammer im Rahmen der Pflanzrechteregelung inklusive neuer EDV für diese Aufgabe sowie zwei Mitarbeiter, die bereits seit mehreren Jahren von der Kammer aus dem Ministerium übernommen wurden für ein Jahr bezahlt werden können. Bleiben 100 000 Euro, die der Kammer tatsächlich zusätzlich zu den jährlichen Zuweisungen des Landes für die zahlreichen Aufgaben überlassen wurden.

Qualifizierte Beratung notwendig

„Danke, und doch, die Situation ist nicht erfreulich“, sagte Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Kompetente und individuelle Beratung gehe nur mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern. 17,4 Mio. Euro und damit 73,5 Prozent ihres Etats wendet die Kammer daher jährlich für ihr Personal auf, rechnete Schindler vor. Die Gesamtausgaben für 2016 werden mit 23,67 Mio. Euro beziffert, die durch Beiträge, Gebühren und die Landeszuschüsse zu decken sind. Allein für die Aus- und Fortbildung des beruflichen Nachwuchses in Land- und Forstwirtschaft, Hauswirtschaft, Garten- und Weinbau wendet die Kammer jährlich 2,5 Mio. Euro auf. „Das Land hat uns Aufgaben übertragen und minderte gleichzeitig die Kostenerstattung dafür. So geht das nicht mehr weiter“, betonte Schindler. Das neue Genehmigungssystem für Rebpflanzungen sei selbstverständlich der Landwirtschaftskammer übertragen worden, was die Ausweisung von sechs neuen Arbeitsplätzen notwendig gemacht habe. Die dadurch entstehenden Kosten müsse das Land vollständig übernehmen, hatte Schindler zuvor gefordert. Dem von Höfken angekündigten Betrag, muss der Landtag kommende Woche zustimmen. Schindler betont, dass mittel- und langfristig die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz auf ein tragfähiges finanzielles Fundament gestellt werden müsse. Mit der Deckung laufender Kosten sei es dabei nicht getan: „Wir müssen auch Rücklagen bilden können für Investitionen in Bau- und Sanierungsmaßnahmen oder für die Erneuerung von Betriebsmitteln, damit wir unsere Leistungsfähigkeit erhalten und ausbauen können.“

Die landwirtschaftlichen Betriebe in Rheinland-Pfalz sehen sich zurzeit Belastungen aus verschiedenen Richtungen ausgesetzt. Laut Schindler erinnerte das Vegetations- und Erntejahr 2015 mit Hitze und Trockenheit an die Abhängigkeit der Landwirtschaft vom Wetter. Während die Landwirte im Ackerbau gegen alle Befürchtungen doch noch eine ordentliche Ernte eingebracht hätten, sei im Weinbau ein „großer Jahrgang“ zu erwarten. Die Freude der Erzeuger darüber werde allerdings erheblich getrübt durch in nahezu allen Bereichen fallende Preise. Ob Milch, Getreide, Gemüse, Fleisch oder Fasswein: Überall seien die Erzeugerbetriebe unter massivem Preisdruck. Erschwerend hinzu kämen Auflagen von marktmächtigen Lebensmitteleinzelhandelskonzernen, die damit die Produktion beeinflussten. Außerdem verliere die Landwirtschaft im Sinne des Wortes an Boden, weil immer mehr Flächen für Schutzgebiete und Baumaßnahmen aller Art verbraucht und der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen würden, so Schindler. Widerstand sei gefordert, wenn Spekulanten landwirtschaftliche Flächen aufkauften mit der Absicht, diese in Bau- oder Gewerbeflächen umzuwidmen, um damit erhebliche Profite einzustreichen.

Landwirtschaft möchte in Naturschutz einbezogen werden

20 Prozent der Landesfläche stehen unter einem Schutzstatus, ein Nationalpark ist eingerichtet und Ausgleichsflächen sind geschaffen. „Wir lehnen diese Maßnahmen nicht ab, doch wir verlangen, dass wir diese Prozesse begleiten dürfen mit der Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz. Diese Zusammenarbeit werde aus dem Ministerium immer wieder verhindert. Dies beklagte auch Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, und verwies darauf, dass die Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz eine kompetente Institution für Naturschutzfragen sei, die gemeinsam mit Landwirten Lösungen findet. Die Landwirtschaftsministerin Höfken entgegnete, dass sie dies prüfen wolle.

Der Landrat Franz-Josef Diel von Bad Kreuznach forderte die Landwirtschaftsministerin auf, die Dokumentationspflicht für die Landwirte zu senken. Er kenne Winzer und Landwirte, die lieber auf 5 Prozent ihrer Prämien verzichten, um dafür weniger Dokumentation zu betreiben. Nicht nur in der Landwirtschaft sei dies ein großes Problem, auch andere Wirtschaftsbereiche seien zu stark von der Bürokratie gegeißelt. „Ich bin froh um jeden Unternehmer, der morgens gerne früh aufsteht, um seiner Arbeit nachzugehen“, bemerkte Diel.

Er habe derzeit viel mit der Unterbringung von Flüchtlingen zu tun. Der Landkreis Bad Kreuznach habe 1 500 Flüchtlinge aufgenommen, viele davon sind junge Männer, die sich langweilen. „Wir wollen eine Initiative starten, um gemeinsam zu überlegen, wie wir diese jungen Männer mit unterschiedlichen Berufen in Kontakt bringen können, gemeinsam mit Industrie- und Handelskammer, der Landwirtschaftskammer und anderen Berufsverbänden“, erklärte Diel. Auch wenn die Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückkehren, sei dies laut Diel sinnvoll. „Ich sage: Hoffentlich gehen sie zurück, das ist die beste Entwicklungshilfe, die wir je leisten können, dass diese Menschen sehen, wie ein Leben ohne Fanatismus, mit Arbeit funktionieren kann.“ Auch Höfken sagte, dass man lokal in der Verantwortung sei, um die globalen Probleme zu lösen und bezog dies auch auf den Klimaschutz und die bevorstehende Klimakonferenz in Paris. „10 Prozent der Treibhausgase im Land stammen aus der Land-, Forst- und Abfallwirtschaft, auf der anderen Seite ist die Landwirtschaft geschädigt durch die Zunahme der Schädlinge. Sie erschweren den Anbau, und die diesjährige Trockenheit brachte die Tierhalter in Bedrängnis. Da müssen wir zu Lösungen kommen.“

Konzentration des Handels zunehmend ein Problem

Mit Blick auf die landwirtschaftlichen Märkte sieht Höfken die Konzentration des Handels als Problem an und beurteilt die Politik, die auf Agrarexporte setzt als sehr kritsch. Höfken wies darauf hin, dass die Molkerei Arla derzeit Biomilch suche. „Für Biomilch werden 48 Cent pro Liter bezahlt“, so die Ministerin. Was die Kritik am Export betrifft, widersprach Eckhard Heuser vom Milchindustrieverband. Er hielt einen Vortrag zum Thema „Der Milchmarkt nach dem Quotenende“. Auch Manfred Zelder vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau bemerkte: „Ich erwarte von einer Landesregierung, dass sie gemeinsam mit den Genossenschaften den Exportmarkt voranbringt und nicht zu alten Regelungen der Mengenregulierung zurückfällt.“ In seinem Vortrag zeigte Heuser, dass derzeit einzig die Butter relativ hohe Preise erzielt, während sich der Preis für konventionelle Milch ab Hof mit 25,1 Cent/l im Vergleich zu September 2013 fast halbiert habe.

Es wird mehr Milch produziert, um geringe Preise auszugleichen

Heuser begrüßte das Engagement von Rukwied, doch es ist ein politischer Preis, wie ihn Bauernpräsident Joachim Rukwied bei Lidl erreicht hat, die nun 4 Cent mehr zahlen, meist nur von kurzer Dauer sind. Interventionen und Kredite, das möchte man im Grunde nicht. Derzeit werde eher versucht, mit der Produktion von mehr Milch, den niedrigen Preis auszugleichen. Und die Kühe, die von einem kleinen Landwirt, der aufgibt, abgegeben werden, sie produzieren beim Nachbarn weiter. „Und der Strukturwandel? Dieser greift weltweit noch nicht“, so Heuser. So stieg die Milchanlieferung im Vergleich zu 2013 in 2014 und 2015 deutlich an, während der Preis entgegengesetzt läuft.

Aussichten auf Besserung gibt es derzeit keine. Nach dem Embargo von Moskau haben auch Rom und Paris ihre Verbraucher angehalten, heimische Milch zu konsumieren. „Das kommt einem Importstopp nahe“, meint Heuser. Während die Bauern mehr Milchgeld fordern und eine Partnerschaft auf Augenhöhe, fordert die Politik firmen­eigene Mengenplanung, kein Preisdumping, mehr Export und mehr Kommunikation. Dem Rat der Ministerin folgen und auf Bio umstellen? Heuser zeigte, dass die Preisunterschiede zwischen konventioneller und Biomilch wächst. Die Umsatzzuwächse bei Bioprodukten sind zweistellig, der aktuelle Anteil der Bioprodukte am Gesamtmarkt liegt bei 3,5 Prozent. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Bioanteil an den Ausgaben für Lebensmittel wächst. Waren es 2004 noch 1,7 Prozent, sind es 2014 4 Prozent. Besonders in der weißen Linie der Milchprodukte steigt die Umsatzentwicklung für Bioprodukte. „Doch Bio ist nicht für alle das Allheilmittel“, fasst Heuser zusammen.

Zuvor hatte schon Hans-Josef Hilgers, Vorsitzender des Vorstands der RWZ Köln, über die Megatrends in der Landwirtschaft gesprochen. Der Strukturwandel schreitet seit über 100 Jahren in der Landwirtschaft voran. Im Jahr 1900 war der Durchschnittsbetrieb 5 ha groß, bot 33 Arbeitskräften Arbeit und ernährte zusätzlich vier weitere Personen, so werden heute durschnittlich 55 ha bewirtschaftet von drei Arbeitskräften, die 140 Personen ernähren. „Es gab noch nie so gesunde Lebensmittel wie heute“, stellte Hilgers fest. „Denn Messwerte haben nichts mit Gesundheit zu tun.“ Hilgers bemerkte, dass die Agrarpolitik einen Rollenwechsel vollzogen hat, hin zum Verbraucherschutz und dass die Minister oft Juristen sind und keine Landwirte mehr. Man müsse froh sein um Abgeordnete mit landwirtschaftlichem Hintergrund wie Schindler. Insgesamt sehe Hilgers positive Zukunftsaussichten für die Landwirtschaft, wobei die Risiken zunehmen.

zep – LW 48/2015