Seit 1976 gibt es den Augustenberger Obstbautag, der die ersten Jahre jährlich und seit 1982 zweijährig stattfindet. Aktuell sind das Landratsamt Karlsruhe, das Landwirtschaftliche Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg, die Obstregion Nordbaden und das Regierungspräsidium Karlsruhe an der Veranstaltung beteiligt. Dr. Norbert Haber, Direktor des LTZ Augustenberg, sieht das LTZ angesichts der politischen Entwicklungen an folgenden Stellen gefordert: „Wir überlegen, in unserem Lehr- und Versuchsbetrieb für Obstbau einen Teil der Flächen ökologisch zu bewirtschaften. Dabei sind die Ausrichtung unserer Versuche und unsere Aktivitäten im Wissenstransfer zu überdenken. Als erster Schritt ist nun nach sechs Jahren Vakanz die wissenschaftliche Stelle zum biologischen Pflanzenschutz wieder besetzt.“
Mit 777 Ingelbäumen für Ingelheim startete Markus Kirn, Betriebsleiter von Wiesenobst, ein Crowdfunding-Projekt, das er über die Webplattform Startnext lancierte. Die Idee: den Ingelheimern ihre blühende Obstbaumwiese von früher zurückzugeben und die Finanzierung über Dankeschöns wie die zweijährige Baumpatenschaft laufen zu lassen.
Das kreative Potenzial der Obstbranche nutzen
Das Ergebnis: Aufmerksamkeit für den Betrieb, eine Gesprächsplattform für schwierige Themen wie Pflanzenschutz und neue Kontakte zu wichtigen Personen des öffentlichen Lebens. Was es dafür braucht? „Mit offenen Ohren und Augen durchs Leben gehen, eine Idee, die begeistert und zur Marke wird, die auf ein Lebensgefühl der Bevölkerung trifft, und über die man positive Geschichten erzählen kann,“ erklärt Kirn. Innovationen seien relativ, so der Obstbauer. Vieles gäbe es schon, aber man könne es übertragen und neu kombinieren. Der Weinbau mache es in seiner Werbung vor.
Als weitere Ideen führte Kirn in seinem Vortrag unter anderem den Geburtsbaum für jedes neu geborene Kind in der Gemeinde, die Marktschwärmerei sowie Genussscheine – wie Wertepapiere mit vertraglich festgelegtem Zinssatz, über die Kunden direkt am Unternehmerrisiko beteiligt sind und durch die Betriebsbindung ihre Ideen einbringen.
„Die drei Spätfrostnächte Mitte März 2017 und die sechs Eistage vom 25. Februar bis zum 2. März 2018 hatten verheerende Folgen für die Aprikosen und Pfirsiche. In 2018 wurden die Erträge nicht gewogen, sondern gezählt. 2019 war wieder ertragsreicher“, resümiert Angela Schwetje-Elsemann vom Landratsamt Karlsruhe. Bei den Aprikosen wurden No-2010-82, ACW4383, Delice Cot, Sunny Cot und Rouge de Tardif getestet. Delice Cot zeichnete sich durch einen guten Ertrag (44,8 kg von vier Bäumen), bei mittlerer Größe (50 mm), ausgewogener Süße und Säure mit Mandelaroma aus.
Sortentestung bei Kern- und Steinobst
Geschmacklich stachen die erfrischend fruchtige ACW4383 mit leichtem Orangenaroma und Sunny Cot mit Karamell-Note und leichter Säure hervor. Bei den Pfirsichen waren Onyx, Royal Majestic und Kevina in der Sortentestung. Onyx hat mit 70 bis 80 mm eine recht große Fruchtgröße. Als sehr gute Spätsorte erwies sich Kevina in 2019 mit sehr gutem, süßen Pfirsicharoma, aber etwas inhomogener Fruchtgröße.
Bei den Apfelsorten stellte Wolfgang Bauer vom Landratsamt Karlsruhe, Minneiska (SweeTango), P 17 (Deichperle), CPRO 037 (Freya), CH 201 (s) (Galiwa), Kizuri (Morgana), Bonita, UEB Prag (Sirius (s)), ACW 11907 (Rusticana (s)), GS 66 (Fräulein (s)), Fengapi (Tessa) und Mariella vor. Bei Minneiska (erst 2018/19 gepflanzt) werden nur direkt von der Sonne beschienene Früchte rot. Diese optisch sehr ansprechende Sorte ist nicht ganz einfach anzubauen und druckempfindlich. P17 hat relativ viel Mehltau, ist sehr saftig, aromatisch und vergleichbar mit Topaz und wurde 2019 geschmacklich relativ gut bewertet. CPRO 037 ist äußerlich ansprechend, wird geschmacklich aber unterschiedlich eingestuft. Ihre Früchte können vorzeitig fallen. CH 201(s) ist sehr süß, hat einen guten Ertrag, benötigt aber mehrere Pflückdurchgänge. 2018 schnitt die knackige Kizuri bei der Verkostung im oberen Mittelfeld ab. Sie hat gute, regelmäßige Erträge bei einer Fruchtgröße über 70 mm. Auch recht groß ist Bonita, die bei der Verkostung Mitte Oktober den zweiten Platz mit ihrem feinen, leicht säuerlichen Aroma belegte. UEB Prag ist sehr saftig, hat einen guten Ertrag bei einer Fruchtgröße über 75 mm. Die Früchte sind grüngelb und haben eine feste Schale.
GS 66 wird zur Clubsorte mit dem Namen „Fräulein“
ACW 11907 liefert gute Erträge und wird nach Golden reif. GS 66 hatte als große, sehr saftige Frucht 2018 wegen ihrer ansprechenden Optik und Bissfestigkeit den besten Platz gemacht. 2018 hatte sie Probleme mit der Hitze, 2019 weniger. Diese in Deutschland gezüchtete Sorte wird seit kurzem vom Deutschen Obstsorten Konsortium (DOSK) unter dem Namen „Fräulein“ professionell als Clubsorte vermarktet. Vorrangig in Italien wird Fengapi vermarktet. Sie bringt gute Erträge, feste, süße und optisch ansprechende Früchte. Nachteil ist, dass ihre Baumrinde aufplatzt. Durch eine gute Lagerfähigkeit zeichnet sich die Mariella aus. Sehr saftige, aromatische Früchte und guter Ertrag sind ihre Vorteile, ihre Nachteile: Stippe, Glasigkeit und späte Reife. Frei von Schorf ohne Fungizidbehandlungen auf dem Augustenberg waren bisher P17, CPRO 037 (zudem kaum Mehltau), CH 201 (s), Bonita und Sirius.
Bei den Süßkirschen zeichnet sich die sehr knackige Grace Star durch einen hohen Ertrag aus. Sweet Lorenz ist eine recht große, frühe Sorte mit einem gleichmäßigen Ertrag. Die süß-säuerliche, aromatische Fertille (S) liefert hohe bis sehr hohe Erträge. Eine gute Pflückleistung, sehr geringe Platzanfälligkeit und gute Lagerfähigkeit bringt Henriette (S) mit (erst ab 250 Bäumen pro Betrieb hat man Sortenzugang). Die große Areko (S) mit hohem Fruchtgewicht überzeugt durch eine geringe Blütenfrostempfindlichkeit und gute Lagerfähigkeit.
Als geschmacklichen Favorit hob Jonathan Wenz vom LTZ Augustenberg bei den Zwetschgen die Sorte Top Taste (Kulinaria (S)) hervor. Sie überzeugt durch ihre knackige, saftige süß-sauer-Kombination. Sie ist zudem noch gut zu ernten und wird auch als Backfrucht vermarktet.
Zwetschgen trotz Blaufärbung noch nicht reif
Die recht große Tophit Plus (S) mit 40 bis 49 mm kann man noch nicht mit der Blaufärbung ernten, da sie dann noch nicht reif ist. Juna (S) gibt eine interessante gute Frühsorte mit wenig frostempfindlichen Blüten, sehr guter Steinlösbarkeit und Backqualität. Jofela (S) hängt stabil am Baum und ist gut lagerfähig. Blue Frost mit gutem Säure-Süße-Verhältnis muss man nach der Blaufärbung noch 14 Tage am Baum hängen lassen.
Marmorierte Baumwanzen in Südtirol
In Südtirol verursachte die Marmorierte Baumwanze 2019 Schäden im zweistelligen Millionen Bereich.
Markus Ladumer vom Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau stellte fest, dass eine ausgeprägte Biodiversität viele Schäden nach sich ziehen kann: Die Marmorierte Baumwanze kann viele Wirtspflanzen, wie Ahorn, Esche, Haselnuss und andere besiedeln und ist vor allem in Hecken, Böschungen, Waldrändern zu finden. Ihre bevorzugten Apfelsorten sind Granny Smith, Nicoter, Braeburn, Red Delicious und Fuji. Chemischer Pflanzenschutz ist seiner Meinung nach keine Lösung, kann aber, im richtigen Moment angewandt, mitentscheidend sein. In Risikozonen ist eine Totaleinnetzung notwendig. Ladumer empfiehlt, Hagelschutznetze (2,2 mm x 2,2 mm Maschenweite) lückenlos zu schließen und bodenschlüssig nach unten zu ziehen, den Unterbewuchs niedrig zu halten und ab Frühsommer regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Ein viel versprechender Gegenspieler der Marmorierten Baumwanze ist der Trissolcus japanicus. Der Solitär-Eiparasitoid hat einen hohen Weibchenanteil und generiert mehrere Generationen im Jahr. In Asien beläuft sich die Parasitierung bei Eigelegen auf 65 bis 90 Prozent. In Südtirol wartet man auf eine behördliche Genehmigung aus Rom zur künstlichen Freilassung von Trissolcus japanicus.
Die Wirkung von Biologicals
Das Landratsamt Karlsruhe hat in eigenen Versuchen schon über viele Jahre die Wirkung von Biologicals getestet. Bei Feuerbrandbekämpfungsversuchen wurden in 26 Jahren insgesamt 56 verschiedene Präparationen mit 35 Wirkstoffen untersucht. Ausreichend wirksam waren lediglich zwei Präparate. Bei der Bekämpfung der Mehligen Apfelblattlaus im Versuch 2019 mit 12,5 l/ ha mKh Eradicoat (574 g/l Maltodextrin – nicht rückstandsrelevant) hatte nach einer dreimaligen Behandlung nur ein Wirkungsgrad von 50 Prozent, die klassischen Insektizide 81 bis 98 Prozent mit nur einer Behandlung. Auch in der Dauerwirkung bei Grünen Blattlaus-Arten war das Mittel schwach. In mehreren Versuchsjahren mit Sprühmolke (drei Behandlungen mit 15 oder 20 kg/ha mKh) gegen Obstbaum-Spinnmilben hatten einen Wirkungsgrad von 35 bis 65 Prozent, je nach Boniturtermin. Das im Vergleich nur zweimal eingesetzte Standardakarizid erreichte bei der letzten Bonitur 92 Prozent Wirkungsgrad. Als unerwünschte Nebenwirkung wurde bei Pinova eine sehr starke Fruchtberostung festgestellt. Bei der Bekämpfung der Kirschessigfliege in Schattenmorellen mit Kalk und Blattdünger, lag der Wirkungsgrad bei nur 44 Prozent und hinterließ Kalkflecken auf den Kirschen. Mit Kumar konnte bei der Bekämpfung von Stachelbeermehltau ein ausreichender Bekämpfungserfolg ermittelt werden. Bei hoher Aufwandmenge von 5 kg/ha und neunmaliger Anwendung traten bei Achilles starke punktuelle Blattflecken auf, bis zu 30 Prozent weniger Zuwachs, 70 Prozent vorzeitiger Blattfall und 8 Prozent weniger Fruchtgewicht waren die nachteiligen Nebenwirkungen. „Biologicals konnten nur teilweise mit klassischen Mitteln mithalten, einige zeigten keine oder unzureichende Wirkung“, resümierte Arno Fried vom Landratsamt Karlsruhe. „Ohne wirksame Pflanzenschutzmittel können einige Obstarten in Zukunft in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich angebaut werden. Die erforderlichen Mittelaufwandmengen, die Anwendungshäufigkeit und die Produktpreise sind bei den meisten Mitteln sehr hoch. Es muss häufiger behandelt werden, mit allen Nachteilen für die Umwelt und dem höheren Arbeitsaufwand.“
Isabelle Bohnert – LW 2/2020