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Landwirt sucht Metzger, Metzger sucht Landwirt

Forum über Chancen der regionalen Fleischvermarktung

„Es ist unser Ziel, Metzger und Landwirte zusammenzubringen, um die regionale Fleischvermarktung zu fördern“, begrüßten Landrätin Anita Schneider, Landkreis Gießen, und Heinz Schreiber, Erster Kreisbeigeordneter des Lahn-Dill-Kreises, die über 120 Interessierten, die sich Anfang vergangener Woche in Hüttenberg trafen. Die Landkreise Lahn-Dill und Gießen hatten zusammen mit der Aktionsgemeinschaft `Echt Hessisch´ und den Fleischerinnungen zum Regionalforum „Landwirt sucht Metzger – Metzger sucht Landwirt“ eingeladen.

Über 120 Interessierte nahmen an dem Regionalforum im Saal der Hüttenberger Bürgerstuben teil. Foto: Lehmkühler
Moderatorin Dr. Andrea Fink-Keßler von der Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen und Markus Hofmann, Fleischermeister aus Wölfersheim, informierten im Gespräch mit Holger Buss (nicht im Bild) von der Metzgerei Buss in Münzenberg-Gambach über Möglichkeiten bei der Lohnschlachtung. Foto: Lehmkühler

„Im Rahmen einer Befragung von Direktvermarktern und Metzgern haben wir festgestellt, dass es freie Schlachtkapazitäten bei Metzgern in der Region gibt, die aber nicht jeder Landwirt, der dieses Angebot benötigt, kennt“, informierte Heinz Schreiber. Sich untereinander auszutauschen, nach dem Motto „Wer macht was?“, sei daher angebracht. Zum Wohl der Tiere sei es außerdem wichtig, für kurze Transportwege zu sorgen. Ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen im Lahn-Dill-Kreis würden biologisch bewirtschaftet. Die mit diesem Futter aufgezo­genen Biotiere könnten aber als solche nicht in der Region geschlachtet und darum auch nicht hier vermarktet werden. „Auch deshalb ist es unser Ziel, Netzwerke aufzubauen“, betonte Heinz Schreiber. „Wir wollen die Wertschöpfung in der Region halten.“ Die Schlachtungen im Landkreis Gießen seien mittlerweile bei Schweinen um 50 Prozent, bei Rindern sogar um 75 Prozent zurückgegangen, informierte Landrätin Anita Schneider. „Es muss eine regionale Schlachtung möglich sein. Durch ein kluges Miteinander lassen sich die Kapazitäten verbinden“, meinte sie. Es sei außerdem wichtig, mit Kreishandwerkerschaft und Innungen nach Lösungsansätzen für den sich abzeichnenden Fachkräftemangel im Fleischerhandwerk zu suchen.

Praktiker informierten über ihre Kooperationen

In Fachvorträgen wurde über tragfähige Modelle einer Landwirt-Metzger-Beziehung informiert. So riet Stefan Itter, Leiter eines Biobetriebes aus dem Schwalm-Eder-Kreis, dazu, Gesicht zu zeigen: „Gute Bilder vom Betrieb, den Tieren und sich selbst in der eigenen Verkaufsstätte oder in der Gaststätte, die man beliefert, sorgen für Vertrauen bei den Kunden.“ Itter arbeitet seit einigen Jahren mit einem Biometzger zusammen und war Mitinitiator eines Biorestaurants in Kassel. „Jeder von uns, also Landwirt, Metzger und Gastronom, hat sein Feld und bringt seine Kompetenzen mit ein. Wir sind authentisch mit dem, was wir anbieten, und kommunizieren darüber. Das macht den Verbrauchern Freude“, berichtete Itter. Markus Hofmann, Fleischermeister aus Wölfersheim, informierte über seine Erfahrungen in der Lohnschlachtung für Direktvermarkter. „Vor zwei Jahren haben wir ein neues Schlachthaus gebaut. Alle Schlachtbereiche sind EU-zertifiziert. Der Schlachtraum muss ganz normalen Hygienestandards entsprechen“, so Hofmann.

„Herkunft klar ausweisen – eine Chance für Landwirte und Metzger“ war Thema des Vortrages von Dr. Wolfgang Lutz vom Deutschen Fleischerverband in Frankfurt. „Die Verbraucher wollen wissen, woher ihr Fleisch kommt, wo und wie es verarbeitet wurde. Der Markt ist da für Kooperationen zwischen Metzgern und Landwirten. Know-how, Infrastruktur und Technologien sind vorhanden. Nutzen Sie diese Chance!“, appellierte Lutz. Eberhard Prunzel-Ulrich, Biolandwirt und Mitglied einer Landwirt-Metzger-Kooperation aus Niedersachsen, riet: „Orientieren Sie sich an dem Bedarf der Kundschaft und stellen Sie sich auf geänderte Verbrauchergewohnheiten ein. Es wird zum Beispiel mehr Singlehaushalte geben. Diese werden interessiert an Fertigprodukten wie Gulaschsuppe oder Geschnetzeltem im Glas sein. Versuchen Sie nicht den Verbraucher zu ändern, sondern suchen Sie den Verbraucher, der zu Ihrem Produkt und Ihrem Preis passt.“ Weitere Tipps von ihm: „Füttern Sie gentechnikfrei und nutzen Sie dies als Qualitätskriterium bei der Fleischvermarktung. Nutzen Sie die bei Ihnen vorhandene Struktur des bäuerlichen Familienbetriebes als Verkaufsargument und treten Sie in persönlichen Kontakt mit dem inhabergeführten Einzelhandel wie den Rewe-Filialen.“

Das Thema „transparentes Arbeiten“ zog sich wie ein roter Faden durch die Vorträge. Ob es um die Herkunftsangaben auf der Ware und im Laden oder um Betriebsführungen und neue Medien wie Facebook ging. „Sich authentisch zu präsentieren, den eigenen Betrieb zu öffnen und Kooperationen zwischen Landwirten und Metzgern zu kommunizieren, sind wichtige Instrumente der Kundengewinnung“, fasste Margot Schäfer, Leiterin der Abteilung für den ländlichen Raum für die Landkreise Gießen und Lahn-Dill zusammen.

Arbeitsgemeinschaften gebildet

In Workshops fand ein reger Austausch in Bezug auf die Bedürfnisse der Teilnehmer statt. Am Ende waren über 30 Teilnehmer bereit, im nächsten Schritt intensiv an den Themen Wertschöpfungskette und Vernetzung weiterzuarbeiten. Dazu werden zwei Arbeitsgemeinschaften fachlich und inhaltlich von der Abteilung für den ländlichen Raum begleitet. Weitere Infos zum Thema erteilt Margot Schäfer, 06441-407-1760, E-Mail: margot.schaefer@lahn-dill-kreis.de.

SL – LW 11/2017