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Malen macht Spaß – und schlau!

Erlebnisse und Gefühle mit Bildern ausdrücken

Das Ergebnis beim Malen ist zunächst nicht wichtig. Foto: Thommy Weiss/pixelio

„Hier, für dich!“ – Wieder ein neues Werk meiner Tochter. Und wieder einmal hat sie unseren Hof gemalt. Haustür, zwei Fenster, Dach, Schornstein, Gartenzaun und einen Kasten für den Stall. Schon die zehnte Version in dieser Woche. Irgendwo an der Küchenwand muss doch noch ein Plätzchen sein für das Werk unserer Siebenjährigen, die sonst bitter enttäuscht wäre.

Nirgends zeigt sich so viel schöpferische Kraft wie bei malenden Kindern. Buntstifte werden zum Spielzeug, mit dem sie ihre motorischen Fähigkeiten schulen. Später entstehen ganze Miniaturwelten, in denen die Kleinen ihre ganze kreative Ener­gie entladen. Malen ist für Kinder wie Lesen, denn es ist aktive Förderung der Kreativität. Genauso wie beim Lesen die Welt im Kopf entsteht, schaffen Kinder beim Zeichnen und Malen ihr ganz persönliches Werk. Und weil es Ausdruck ihrer Persönlichkeit ist, müssen Eltern selbstverständlich alles horten, was sie zu Papier bringen, ob mit Hilfe eines Magneten an der Kühlschranktür oder in einer Sammelmappe. Die Entwicklung von Kreativität ist ein individueller Prozess und verläuft bei jedem Kind anders. Jeder kleine Künstler malt im eigenen Tempo und lernt durch eigene Erfahrungen und Bemühungen. Die bildnerische Aussage wird umso differenzierter, je bewusster es hinsieht und wahrnimmt. Wenn Ihr Kind malt oder zeichnet, lernt es, seine Welt besser zuverstehen. Es verarbeitet Gefühle und Ereignisse und schult gleichzeitig Fantasie und Kreativität. Malen und Zeichnen sind bes­tens geeignet, die motorische Entwicklung und Kreativität zu fördern und die Wahrnehmung zu schulen.

Malen hilft, den Alltag zu verarbeiten

Egal wie „gut“ das Kind schon malen kann – mit keinem anderen „Spielzeug“ gelingt es Kindern besser, ihre Erlebnisse und Gefühle auszudrücken wie mit Bildern. Kinderbilder haben einen großen Charme und es ist wunderbar zu beobachten, wie begeistert die kleinen Künstler das Papier bearbeiten. Auf spielerische Art und Weise werden Fantasie, Begabung und Spaß am eigenen, kreativen Gestalten entwickelt. In Bildern sind Kinder sie selbst – und alles, was sie brauchen, sind Papier, Bunt- oder Wachstifte und ein Tuschkasten mit Pinseln.

Malen lässt Ruhe einkehren

So fördern Sie Ihr Kind beim Malen: Kleine Künstler brauchen die richtige Ausrüstung: Stifte und Farben sollten von guter Qualität, stabil und wasserlöslich sein.Empfehlenswert sind auch Wandtafeln, an denen die Kinder sich austoben und ihre Bewegungsmotorik mit Kreiden schulen können. Je kleiner der Künstler, umso gröber und handlicher sollte das Zeichenzeug sein. Zur Aufbewahrung für Bunt- und Wachsmalstifte eignet sich eine flache Pappschachtel – oder eine ausrangierte Tasse. Materialien wie Pappe, Folie, Japanpapier oder Aquarellpapier sind interessante Materialien für Kinder. Auch ungewöhnliche Formate machen Kindern Spaß. Ein Naturspaziergang fördert die Wahrnehmung: Farben, Formen, Düfte, Muster und Größen lassen sich so erkennen. Intensives Sehen und Wahrnehmen erfordert Zeit, Geduld und Ruhe. Auch ein Museumsbesuch kann anregend wirken: Betrachten Sie doch mal zusammen mit ihrem Kind die Werke großer Künstler wie Picasso oder Miro! Ab und zu Farbkästen, Farbbecher, Pinsel und Blöcke reinigen, damit das Kind mit klaren Tönen malen und mischen kann. Es genügt, die Oberfläche mit Schwamm oder feuchtem Lappen abzuwischen. Sammeln Sie die Kinderbilder und hängen einige schön gerahmt auf. Sie wirken an jeder Wand dekorativ und vermitteln dem Kind Anerkennung, Stolz und Selbstbewusstsein. Auf übertriebenes Lob können Sie getrost verzichten.shf

Das Schöne am Malen von Kindern ist aber nicht zuletzt, dass sie zu sich und vor allem zur Ruhe kommen und für Minuten, manchmal sogar länger, in ihrer ganz eigenen Welt versinken können. In einem durchgeplanten und hektischen Alltag ist das eine ganze Menge. Probieren Sie doch einmal aus, Ihrem Kind eine Geschichte vorzulesen und es dazu ein Bild malen zu lassen: Gehörtes und Erlebtes werden so noch intensiver verarbeitet!

Malen lässt Gefühle zu

Beim Malen haben Eltern und Kinder oft unterschiedliche Vorstellungen: Eltern wünschen sich von Kindern oft fröhliche, verschenkbare Bilder. Da heißt es dann: „Mal doch mal ein paar Tiere“ oder: „Pass auf, die Farbe verläuft“ – Erwachsene haben einfach verinnerlicht, dass am Ende des Tuns etwas Sinnvolles, Vorzeigbares herauskommen soll. Nicht so Kinder: Besonders wenn sie noch klein sind, hat das Malen eine ganz andere Funktion: Nicht das Beherrschen einer bestimmten Maltechnik steht im Vordergrund, sondern das Ausdrücken von Empfindungen, das Abreagieren von Spannungen. Beim Malen erzählen Kinder Geschichten. Beispiel: Die vierjährige Sophie malt zuerst ein kleines Mädchen, dann kommen noch die Freunde dazu, das Haus und schließlich eine Torte: Sophie freut sich auf ihren Geburtstag und stellt sich die Feier vor. Diese spannende Geschichte hat Sophie gemalt und ist damit zufrieden. Als ihre Mutter das Bild betrachtet, sieht sie nur einen großen blau-schwarzen Fleck – Sophie hat alle Episoden übereinander gemalt – Kinder haben also eine ganz andere Vorstellung von einem gelungenen Bild als Erwachsene. Deshalb: Vorsicht mit Verbesserungsvorschlägen und Kritik! Niemals die spontane Schaffensfreude durch falsch verstandene Schönheitsideale oder zu viele Vorgaben oder Vergleiche hemmen!

Malen fördert Fantasie und Konzentrationsfähigkeit

Malen fördert die Kreativität. Durch das Malen kann und sollte das Kind seiner Fantasie freien Lauf lassen. Es geht beim Malen nicht darum, Größe oder Farbe richtig oder falsch zu malen, sondern vielmehr darum, das Motiv so darzustellen, wie es sich das Kind in diesem Moment vorstellt. Übrigens können Eltern durch die Bilder ihrer Kinder viele Informationen sammeln, denn Kinder verwenden Farben gerade bei Fantasiebildern meist unverfälscht und instinktiv. So werden sie häufig Dinge, die sie traurig machen oder vor denen sie Angst haben, in dunklen Farben darstellen, während sie Dinge, die sie mögen, hell und farbenfroh gestalten. Malen fördert die Konzentration. Um ein Bild selbst zu malen oder eine Vorlage auszumalen, bedarf es eines gewissen Maßes an Konzentration und Geduld. Je häufiger ein Kind malt, desto besser kann es seine Aufmerksamkeit auf diese Tätigkeit lenken. Dennoch sollten die Eltern dabei berücksichtigen, dass Malen Spaß machen soll und nicht schimpfen, wenn sich das Kind dazu entschließt, ein Bild doch nicht fertigzustellen.

Malen ist eine Vorübung für die Schule

Malen fördert die Geschicklichkeit und Feinmotorik – und ist deshalb eine hervorragende Übung für den Umgang mit Bleistift und Füller in der Schule. Beim Sortieren der Stifte nach Farben lernen Kinder zu kategorisieren, beim Umgang mit Wasser, Kreide, Tusche machen sie erste naturwissenschaftliche Experimente. Beim Trocknen der Wasserfarben lernen sie, Geduld zu üben. Malen lehrt auf unterhaltsame Art und Weise. Malen stellt Bilder dar und diese Bilder prägen sich im Kopf ein. Wenn also beispielsweise ein Kind Tiere von einem Zoo malt, lernt es dabei, wie die Tiere aussehen und wie sie heißen. Wird es die Tiere dann in der Realität sehen, kann es sie einfacher zuordnen. Malen unterstützt die Entwicklung der Feinmotorik. Das Malen setzt den Einsatz von Werkzeugen wie Buntstiften oder Pinseln voraus. Die Malmittel müssen in der Hand gehalten und über das Papier geführt werden. Im Laufe der Zeit entwickeln sich aus grobmotorischen, ungenauen Strichen feine Konturen und Linien mit immer weniger Ausrutschern. Malen vermittelt ein Gefühl für Farben und Proportionen. Es geht beim Malen zunächst nicht darum, richtig zu malen. Allerdings entwickelt sich das Gefühl für die richtigen Proportionen und die richtigen Farben im Laufe der Zeit ganz automatisch. Kinder malen sehr gerne Dinge und Situationen nach, die sie erlebt haben. Ein Spaziergang beispielsweise ist eine Möglichkeit, sein Kind dazu anzuregen, die Umgebung aufmerksam zu betrachten, um auf diese Weise neue Motive für die nächsten Bilder zu entdecken. Zudem weckt das Malen den Ehrgeiz, das Wunschmotiv auch wirklich auf das Papier zu bringen! Sabine Hense-Ferch

 – LW /2011